George Sanders, Gail Patrick, Richard Denning, Lynne Roberts, Sydney Blackmer
© Twentieth Century Fox Film Corporation
Die Stadtbibliothek stellt als eine Besonderheit die unfassbar seltene und kostbare Richard-Burbage-Edition von William Shakespeares Hamlet aus. Das im Raum für ältere Manuskripte unter Glas ausgestellte Buch wird zum wiederholten Male von Jim Fleg (George Sanders) bewundert, wie der dortige Wärter (Pat O’Malley) bemerkt, als er jenen anspricht. Einige würden ihre eigene Mutter erstechen, fügt er hinzu. Genau das würde er selbst auch tun, antwortet ihm Fleg. Nur um es zu besitzen, fragt ihn der Wärter. Nein, entgegnet Fleg, sondern um Kopien davon herzustellen, die vom Original ununterscheidbar wären und um diese an die besessenen Sammler der Welt zu verkaufen. Ob er es nach Hause mitnehmen dürfe, fragt Fleg den Wärter. Nur über meine Leiche, erwidert jener auf den Scherz, dreht sich um und geht. Der Besucher holt eine Pistole mit Schalldämpfer unterm Jackett hervor, erschießt den Wärter und schlägt mit dem Knauf das Glas der Vitrine ein, nachdem er seinen Mantel darüber legte. Vorsichtig entnimmt er die seltene Shakespeare-Edition… Seit sechs Monaten sucht die Polizei schon vergeblich nach der gestohlenen Hamlet-Ausgabe, als der Buchhändler Rebescu (Paul Porcasi) das Unikat dem Sammler Martin Cleaver (Sydney Blackmer) zum Kauf anbietet. Jener ist für den Abend mit der überaus attraktiven und in Büchern gleichermaßen sachverständigen Myra Blandy (Gail Patrick) verabredet. Als er ihr das Buch zur Prüfung vorlegt, bestätigt sie ihm dessen Echtheit, und Cleaver entschließt sich, es zu erwerben…
Dieser seltene B-Film wurde im Rahmen der “Double Bills“ auf dem Filmfestival Noir City im Januar 2018 in Kombination mit Frank Tuttles Die Narbenhand (USA 1942) als exzellente 35-mm-Kopie vorgeführt. Ich erwähne es gleich zum Einstieg, denn Quiet Please, Murder gibt es trotz einer solchen Quelle bis heute weder als BD noch als DVD und ist somit für ein internationales Publikum fast nicht zugänglich. Mitte des letzten Jahrzehnts hatte die Twentieth Century Fox Film Corp. mit der Serie Studio Classics und in der Reihe Fox Film Noir so manche Perle des klassischen Kinos als digitale Edition veröffentlicht. Dass John Francis Larkins B-Produktion ausgespart wurde, mag seine Gründe haben und ist zugleich bedauerlich. Historisch betrachtet, ist Quiet Please, Murder ein Hybrid aus altbackener und in den 30er Jahren verhafteter Kriminalkomödie und Film Noir. Letzteres wird vor allem durch die Femme fatale deutlich, die Gail Patrick mit Gespür für die Rolle und mit Esprit perfektioniert. Für viele Zuschauer und Filmkritiker gehört der Film jedoch George Sanders, der hier bereits den hochtrabenden Bildungsbürger auf Abwegen zur Ikone stilisiert, wie er ihn in seiner diabolischen Abgründigkeit in Alles über Eva (USA 1950) präsentiert. Ein Privatdetektiv, eine Femme fatale und ein falscher Polizeibeamter im Fadenkreuz einer Verbrecherorganisation, die sich betrogen wähnt - Zutaten eines Film Noirs sind reichlich enthalten und werden beizeiten im richtigen Verhältnis zur Anwendung gebracht. Dennoch fehlt den Autoren und der Regie an entscheidenden Stellen die notwendige Courage. Aus dem Nichts tauchen komische oder kreuzbiedere Charaktere auf und nehmen der Handlungsentwicklung den Wind aus dem Segel und kappen der teils brutalen Vorgehensweise der Protagonisten die Spitze. Was in I Wake Up Screaming / Hot Spot (USA 1941), Die Spur des Falken / Der Malteser Falke (USA 1941) und Die Narbenhand (USA 1942) bereits für bare Münze gilt und was den Biedermann-Humor außen vor lässt, wird in Quiet Please, Murder stets durch ein Augenzwinkern gebrochen. Leider, füge ich hinzu, denn es versenkt das auch durch die Kameraarbeit Joseph MacDonalds (Shock, USA 1946) aufgewertete Drama zuletzt im Mittelmaß.
© Twentieth Century Fox Film Corporation
Seine Unentschlossenheit und die daraus resultierende Spaltung nimmt das Werk sogar mit in den gedoppelten Schlussteil. Einer eher lächerlich biederen Romanze zwischen dem Privatdetektiv (Richard Denning) und einer Bibliothekarin (Lynne Roberts) folgt ein dezidiert bitterer Schlussakkord des Schicksals, der die Femme fatale betrifft und somit auch den im Film Noir erfahrenen Zuschauer. Plötzlich zeigt das Werk nochmals Zähne, so als wollte es die Prämissen seiner ersten 10 Minuten nicht zu Schall und Rauch werden lassen. Erst ab 1945 ließ auch die Twentieth Century Fox ihren Autoren, Produzenten und Regisseuren eine lange Leine und wartete in der zweiten Hälfte der 40er Jahre mit einer Serie von Film Noirs auf, die heute zum Kernbestand des Filmstils zählen. Von den in Quiet Please, Murder beteiligten Kräften vor und hinter der Kamera waren zu dem Zeitpunkt vor allem noch der Kameramann Joseph MacDonald beteiligt, der bei Feind im Dunkel / Der weiße Schatten (USA 1946), Kennwort 777 (USA 1948) und Polizei greift ein / Lange Finger – Harte Fäuste (USA 1953) die Schwärze innerer Wahrheiten auf die Leinwand zu bannen half. Alles in allem ist Quiet Please, Murder mehr ein Mosaikstein für den Filmhistoriker und zugleich kein Grund sich zu ärgern, denn unterhaltsam ist der Film dank Sanders und Patrick heute noch.
Weltweit gibt es keine BD oder DVD dieses Films, und die wenigen Quelle, die eine digitalisierte VHS-Kopie des Werkes online zeigen, präsentieren den Film im falschen Bildformat und deshalb beschnitten.