Polizei greift ein / Lange Finger – Harte Fäuste

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
*****
Originaltitel
Pickup on South Street
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1953
Darsteller

Richard Widmark, Jean Peters, Thelma Ritter, Murvyn Vye, Richard Kiley

Regie
Samuel Fuller
Farbe
s/w
Laufzeit
77 min
Bildformat
Vollbild
 

 

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© Twentieth Century Fox Film Corporation  © Koch Media GmbH
 
Der vorbestrafte Taschendieb Skip McCoy (Richard Widmark) klaut in der New Yorker U-Bahn einer Frau namens Candy (Jean Peters) vor den Augen zweier FBI-Beamter die Handtasche. Diese enthält einen Mikrofilm, der geheime Daten beinhaltet, die von US-Kommunisten an die Sowjetunion weiter geleitet werden sollen. Candy fungiert als Botin für ihren Freund Joey (Richard Kiley) – ohne über die Brisanz des Materials informiert zu sein. Die FBI-Beamten, die sie beschatten, verlieren McCoys Spur, kommen ihm über die Informantin Moe Williams (Thelma Ritter) aber auf die Schliche. Bei einem Verhör leugnet McCoy, der in einer Fischerhütte im New Yorker Hafen lebt, den Diebstahl, denn eine Verhaftung könnte ihn lebenslang hinter Gitter bringen. Auch als ihn Capt. Dan Tiger (Murvy Vye) über den Mikrofilm ins Bild setzt und Straffreiheit in Aussicht stellt, lehnt McCoy ab. Inzwischen sucht Candy auf Druck von Joey, die Handtasche wieder in Besitz zu bekommen. Ausgerechnet von Moe erhält sie Skips Namen und Adresse. Doch beim Einbruch wird sie von Skip überrascht und niedergeschlagen. Nachdem sie wieder zu sich gekommen ist, versucht sie es bei dem abgebrühten Dieb mit ihren weiblichen Reizen …
 
"So you're a Red, who cares? Your money's as good as anybody else's." Ist Polizei greift ein ein Hollywoodstück antikommunistischer US-Propaganda aus der Zeit des Kalten Kriegs? Die Frage darf mit „Nein!“ beantwortet werden. Sam Fullers Absicht war, dass eine Nutte (Candy), ein Taschendieb (Skip) und eine Stadtstreicherin (Moe) urplötzlich in den „Schwachsinn des Kalten Krieges“, so Samuel Fuller, verwickelt würden, auf dass sein Film Noir den implizit kommentierte. Das war nur denkbar, indem Fuller den restriktiven Hays Code unter Senator McCarthy unterlief. Tatsächlich ist das Ergebnis bis heute missverständlich. Entsprechend waren die zeitgenössischen Reaktionen beider Lager negativ. Der FBI-Direktor J. Edgar Hoover beklagte die fehlende patriotische Ausrichtung des Protagonisten. Luchino Visconti verweigerte auf den Filmfestspielen in Venedig seine Zustimmung zur Auszeichnung mit dem Bronzenen Bären. Die Kritiker stimmten in die negative Rezeption mit ein und erst die Filmliteratur entwickelte über Jahrzehnte jenes Maß an Wertschätzung, das Samuel Fuller und seinem Werk heute entgegengebracht wird. Mir selbst ist erst nach wiederholtem Genuss dieses Films aufgefallen, wie exzellent dessen Inszenierung, die Zeichnung aller Rollencharaktere und seine Dramaturgie tatsächlich sind. Solcher erste voll ausgereifte Film Noir seines Autors und Regisseurs ist nichts weniger als ein Meisterstück seiner Zeit, insofern er inmitten der McCarthy-Ära ein schonungsloses und zugleich subtiles Porträt des Lebens in der US-amerikanischen Großstadt zeichnet, darin einzig Auge um Auge, Zahn um Zahn das alltägliche Überleben sicherstellt.
 
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© Koch Media GmbH
 
"Bei Fuller hat der Mensch die alleinige Verantwortung für sein Handeln, er hat immer die Entscheidung, die Wahl", schreibt Oliver Nördinng in seinem Blog Remember It For Later über diesen Film Noir und führt damit auf eine wichtige Spur zum Verständnis des Werks. Polizei greift ein / Lange Finger - harte Fäuste (ein jeweils absurder bundesdeutscher Verleihtitel) ist ein mit der für Samuel Fuller typisch rauen Art und zugleich bis ins Einzelne durchdacht inszenierter Film. Keiner der Rollencharaktere ist auf Anhieb liebenswert, ihnen allen ist stets das Brot näher als die Moral. Die Welt dieses Films ist brutal und voller Fallstricke; in tiefen Schatten verborgene Interessen dominieren und manipulieren jeden Gestus. Dahinter geht es einzig und immer nur ums Geld. Der Materialismus in Fullers Film Noir beherrscht alles und jeden, und gerade auch in der Art, wie Geldscheine in fast jeder Szene den Besitzer wechseln, zeigt sich sein präzises Gespür für die Details seines Drehbuchs und seiner Inszenierung. Freiheit ist eine Schimäre, die mit dem Tod einhergeht, und auch die idelogische Ausrichtung des Kommunismus' als einer poltischen Philosophie ist vollends irrelevant, denn ihre Vertreter in den USA sind einzig und allein von Angst und Misstrauen getrieben. Samuel Fuller kannte und liebte New York, er selbst ist dort während der 20er Jahre herangewachsen. Gedreht wurde der Film allerdings in Los Angeles. In Deutschland und in Frankreich machte die Synchronisation bzw. die Zensur aus dem politischen Kontext des Mikrofilms ein Drogenrezept, was die deutsche Tonfassung, die den Film einst verfälschte, heute als idiotischen Aberwitz bloßstellt – Kalter Krieg eben.
 
Die deutsche DVD-Edition (2004) der Koch Media GmbH bringt den Film in einer bildtechnisch exzellent restaurierten Fassung, ungekürzt im Originalformat und neben der deutschen Kinosynchronisation der 50er Jahren auch inklusive des englischen Originaltons, das Ganze allerdings ohne Untertitel und ohne Extras.
 

Film Noir | 1953 | USA | Samuel Fuller | Samuel Fuller | Joseph MacDonald | George E. Stone | Milburn Stone | Richard Kiley | Richard Widmark | Jean Peters

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