Dennis O’Keefe, Gale Storm, Jeff Chandler, Meg Randall, Raymond Burr
© Universal-International Pictures Inc.
Los Angeles; Kalifornien, am späten Abend: Paula Considine (Gale Storm) ist fremd in der Stadt, doch sie geht geradewegs ins Polizeipräsidium und wendet sich dort an die Abteilung für vermisste Personen. Dabei bemerkt sie nicht, dass der Privatdetektiv Kerric (Raymond Burr) sich bereits an ihre Fersen heftete und ihr bis auf die Freitreppe des herrschaftlichen Gebäudes folgte. Paula sucht ihre ältere Schwester Mary, die vor einiger Zeit in der Stadt verschwand, doch der zuständige Polizeibeamte Humes (Sid Tomack) hat Feierabend und möchte, dass sie doch bitte ein Formular ausfülle und womöglich morgen wiederkomme. Wie zufällig taucht Zeitungsreporter Mark Sitko (Dennis O’Keefe) auf. Er spricht Paula Considine auf die Details ihrer Vermisstenanzeige an und sie zeigt ihm ein Foto von Mary. Humes kommt sie bekannt vor und er rät Paula das Leichenschauhaus aufzusuchen und zu sehen, ob Mary dort zu finden sei… Sitko beruhigt die junge Frau und erfährt, dass sie aus Beaver Brook, Pennsylvania, stammt und ihre Schwester seit einem Jahr in Los Angeles weilt. Der altgediente Humes kennt Mark Sitko gut und zu dritt verlassen sie das Polizeipräsidium, davor der Beamte von seiner Frau (Isabel Withers) abgeholt wird und mit ihr davonfährt. Kurz darauf bemerkt Sitko, dass sie stets von Kerric verfolgt werden, und er zerrt Paula in eine dunkle Unterführung, wo er dem Privatdetektiv auflauert. Er stellt und entwaffnet ihn und erfährt, dass Paulas und Marys verwitweter Vater Kerric damit beauftragte, die Ältere zu suchen und die Jüngere zu beschatten…
“In the tradition of many noir films, the plot of Abandoned is intricate and convoluted. The story zips along on the strength of sharp dialog and good direction“, schreibt Mark Fertig in seinem exquisiten Blog Where Danger Lives und trifft es. Abandoned ist neben Einer weiß zuviel (USA 1950) ein Film Noir mit Dennis O’Keefe, von dem ich mir nicht viel erhoffte und der mich zuletzt gehörig überraschte, ein mehr als solides Produkt der Universal International Pictures. Joseph M. Newman war einer von vielen Regisseuren, die in jenen Jahren für große Studios auf B-Produktionen abonniert waren, ein Handwerker ohne viel persönliche Handschrift (konträr zu Billy Wilder, Alfred Hitchcock oder Fritz Lang), doch im Gegenzug meist verlässlich. Für den heutigen Film-Noir-Freund ist merkwürdig, sich einen Dennis O’Keefe als Akteur in eher leichtgewichtigen Komödien und Musicals vorzustellen, aber genau in solchen trat er in der ersten Hälfte der 40er Jahre fast ausschließlich auf. In 3 bis 4 Produktionen pro Jahr gab Dennis O’Keefe in der Hauptrolle den Herzbuben von Filmen mit Titeln wie Weekend for Three (USA 1941), Tahiti Honey (USA 1943) oder Hilfe, ich bin Millionär (USA 1945). Genau wie Dick Powell oder John Payne vollzog er dann einen radikalen Image-Wandel und war innerhalb eines Jahres in drei Film Noirs in Serie zu sehen - in Mr. District Attorney (USA 1947), in Dishonored Lady (USA 1947) und in Geheimagent T (USA 1947). Wie die genannten Kollegen ist O’Keefe darin tough und zynisch, ein mit Ende 30 vollends abgebrühter Großstadtveteran in Trenchcoat und mit Hut. Abandoned zehrt bereits von diesem neuen Image eines Dennis O’Keefes, und der Film-Noir-Freund begegnet mit seinem Erscheinen einem Rollencharakter, den er bereits zu kennen glaubt, und damit liegt er keineswegs falsch.
© Universal-International Pictures Inc.
“I was just thinking how nice life used to be when I stuck to blackmail and petty larceny.“ Der geheime Star des Films ist Raymond Burr. Im Gegensatz zu O’Keefe war er so wie Burt Lancaster und Kirk Douglas ein Zögling des Film Noirs. In San Quentin (USA 1946) und in Desperate (USA 1947) hatte er erste Nebenrollen inne, bevor er in Flucht ohne Ausweg (USA 1948) und Achtung! Atomspione! (USA 1948) auch mit Dennis O’Keefe zusammen arbeitete. In Abandoned spielt er den Mann fürs Grobe, eine Paraderolle für Burr, der noch bis zur Mitte der 50er Jahre den Filmstil mitprägen sollte. Uneheliche Kinder von bettelarmen Frauen, die mit ihren Träumen in der Metropole strandeten, werden vom organisierten Verbrechen an zahlungswillige Adoptiveltern verschachert. Die leiblichen Mütter müssen allerdings hin und wieder zum Schweigen gebracht werden. So will es die als Mrs Donner (Marjorie Rambeau) ihrem Geschäftsbetrieb vorstehende, teuflische Femme fatale… Gute Dramaturgie von Joseph M. Newman und feine Kameraarbeit von William H. Daniels (Stadt ohne Maske / Die nackte Stadt, USA 1947), urbane Drehorte bei Nacht am laufenden Meter sowie ein Ensemble exzellenter Charakterdarsteller von Will Kuluva über Sid Tomack bis zu Mike Mazurki. Abandoned ist kein verschollenes Meisterwerk des Film Noirs, doch ein Film, den der Connaisseur am Ende nicht bereut gesehen zu haben.
Erstklassige DVD-Edition (2016, Regionalcode 1) in der Vault Series der Universal Pictures, bild- und tontechnisch topp, ungekürzt im Originalformat und dazu die original englische Tonspur ohne Untertitel und auch ohne Extras.