Varun Dhawan, Nawazuddin Siddiqui, Huma Qureshi, Yami Gautam, Vinay Pathak
In der Millionenstadt Pune, Westindien, im Jahr 2000: Auf ihrem Motorrad fahren Liak Tungekar (Nawazuddin Siddiqui) und Harman (Vinay Pathak) eines Morgens bei einer Bank vor. Sie betreten das Gebäude, lassen ein Rollgitter herab und steigen die Treppe nach oben… Indessen nähert sich ein Abschleppwagen dem direkt vor dem Motorrad falsch geparkten Fiat Panda. Ein Verkehrspolizist setzt sich auf die Sitzbank von Harmans Motorrad, macht sich Notizen, und der Fahrer des Schleppfahrzeugs nimmt den Kleinwagen an die Kette. Zur gleichen Zeit überquert Misha (Yami Gautam) mit ihrem kleinen Sohn Robin (Neel Tyagi) die Straße. Just in dem Augenblick, als Misha und Robin in ihr Auto einsteigen wollen, rast das Rollgitter der Bank empor und die inzwischen maskierten Bankräuber Liak und Harman erscheinen mit einer prall gefüllten Sporttasche auf der Schwelle. Sie sehen den Verkehrspolizisten auf ihrem Motorrad sitzen, rennen über die Straße und greifen sich Misha und Robin mitsamt dem Wagen. Die Polizisten reagieren zu spät, können aufgrund der Geiseln im Auto nicht schießen. Der bewaffnete Liak sitzt am Steuer und rast davon, neben ihm sitzt Robin. Auf der Rückbank reagiert Misha panisch. Sie lässt sich von Harman kaum beruhigen und schreit wegen Robins auf Liak ein, der von einem Fahrzeug gerammt wird, so dass die Beifahrertür aufspringt und Robin auf die Straße geschleudert wird. Von einem Polizeiwagen verfolgt, verliert Liak jetzt die Nerven und feuert auf die brüllende Misha…
Ich ziehe meinen Hut vor der Courage, eine alptraumhafte Lebenssituation, den gewaltsamen Tod von Ehefrau und Sohn einer jungen Familie zum Ausgangspunkt einer Filmerzählung zu wählen. Die ersten 15 Minuten von Badlapur sind in ihrer ungefilterten Darstellung eine emotionale Herausforderung. In einer Rückblende wird später im Film der Dramatiker William Shakespeare zitiert und zwar mit einer zukunftsfrohen, lebensbejahenden Zeile. Demgegenüber steht er im Gedächtnis der Kulturhistorie, darin seine schonungslosen Tragödien sich einbrannten, für das Gegenteil. Der indische Neo Noir Badlapur ist genau das - eine Tragödie. Dennoch enttäuscht der Film in seiner zweiten Hälfte und dafür gibt es mehrere Gründe. Zentraler Charakter des Films ist Raghu (Varun Dhawan), einst Vater und Ehemann, dessen Leben in Scherben hinter ihm liegt und der von Pune nach Badlapur auswandert und dort in einem zweiten Daseinsentwurf einzig der Stunde seiner Rache harrt. Sein Kontrahent ist Liak, der von der Polizei gestellte und verhaftete Bankräuber, Mishas Mörder und zu 20 Jahren Haft verurteilt. Doch er bestreitet seine Tat und gibt auch den Namen seines Partners nicht preis. Zum dritten gibt es noch Liaks Partner Harman, der mit dem Geld aus dem Überfall sich und seiner Ehefrau Kanchan (Radhika Apte) eine Existenz als Hotelier und Restaurantbesitzer aufbaute. Dass weitere Figuren an der Klärung des Falls ein Interesse haben, welche dessen rechtliche Seite kaum berührt, kommt vor allem zum Ende des Films zum Tragen. Aber aus den aufgrund ihrer gemeinsamen Vergangenheit verwobenen Beziehungen der in jeweils komplexen Lebensverhältnissen verhafteten Charaktere holt der Film am Ende fast nichts heraus. Der einzige, welcher die Versprechen jener ersten Filmhälfte auf hohem Niveau einlöst, ist Liak Tungekar. Die Leistung des Schauspielers Nawazuddin Siddiqui ist grandios - er ist der Star von Badlapur. Wenngleich seine schillernde Figur als Verbrecher, Sohn, Liebhaber und Häftling womöglich mehr bietet als die des zerschmetterten und gezeichneten Raghus, ist es sowohl dem Drehbuch als auch dem hölzernen Schauspiel Varun Dhawans zuzuschreiben, dass letzterer als Detektiv und Rächer unglaubwürdig erscheint.
Autor und Regisseur Sriram Raghavan dem Zuschauer keine Identifikationsfigur anbietet, dass alle Rollencharaktere von einer schwelenden Ambivalenz gekennzeichnet sind, ist für einen Neo Noir und womöglich für jedes anspruchsvolle Filmdrama ein Pluspunkt. Dass jedoch der Protagonist sich über die Länge einer Filmhandlung als stets die gleiche, von wenigen Merkmalen skizzierte und fast inhaltsleere Persönlichkeit erweist, dengegenüber sein Widersacher in jeder seiner Szenen eine Facette hinzugewinnt, kann diesem Film nicht zugute kommen. Nach über zwei Stunden ist Badlapur nicht mehr als manches harte Rachedrama aus Hollywood, von Ein Mann sieht rot (USA 1974) bis zu I Am Wrath (USA 2016), also Mord und Totschlag von der Stange. Dadurch unterläuft er die eigenen Prämissen und nutzt trotz seines Potentials die Chance zu höheren Weihen nicht ansatzweise – das Musikvideo im achtminütigen Abspann mit den Akteuren des Films empfand ich als geradezu lächerlich. Nachdem ich also die erste Hälfte als spannend und vielversprechend erlebte, sah ich den Film mit Bedauern ins allseits Bekannte, allzu oft Gesehene abdriften. Ich hatte mehr erwartet, wurde enttäuscht und kann das Werk trotz hochwertiger Zutaten nicht empfehlen. Die indische Filmindustrie versteht sich auf den Neo Noir, das hat sie hinreichend bewiesen, demgegenüber von Sriram Raghavan schon dessen Johnny Gaddaar (IND 2007) zumindest mich nicht überzeugte. Trotzdem hoffe ich stets auf ein Meisterstück.
Gute indische DVD-Edition (2015) der Eros Films mit dem Film ungekürzt im Originalformat, dazu die originale Tonspur in Hindi mit optional englischen oder arabischen Untertiteln, die “Songs“ des Films als ein separates Menü zur Auswahl als letztlich einzigem Extra.
Als Halb-Inder bin ich mit dem indischen Kino bestens vertraut. Badlapur empfinde ich als eine erfrischende Abwechslung zum üblichen Bollywood-Schema, bei dem in der Regel auf Romanzen oder Komödien gesetzt wird. Auch bin ich der Meinung, dass nicht Varun Dhawan, sondern Nawazudin Siddiqui der eigentliche Held des Films ist. Vinay Pathak als Nebendarsteller (man kennt ihn meist aus heiteren Rollen), überzeugt als nervöser Ex-Gangster, der um seine berufliche wie private Existenz fürchtet. Der Film ist für indische Verhältnisse verbal sehr freizügig und der Soundtrack (vor allem "Jee karda" und "Badla Hai mera Khuda") kann sich sehen bzw. hören lassen! Einzig Atif Aslam's Schnulze "Seeka hai maine jeena" wirkt etwas öde und deplatziert. Ansonsten finde ich den Film von seiner gesamten Machart her sehr sehenswert und originell.