Neo Noir
| International
| 1982
| Philip Noyce
| Bill Hunter
| Chris Haywood
| Anna Maria Monticelli
| Gillian Jones
| Judy Davis
Bewertung
*****
Originaltitel
Heatwave
Kategorie
Neo Noir
Land
AUS
Erscheinungsjahr
1982
Darsteller
Judy Davis, Richard Moir, Chris Haywood, Bill Hunter, John Gregg
Regie
Philip Noyce
Farbe
Farbe
Laufzeit
86 min
Bildformat
Widescreen
Der Stadtteil Kings Cross in Sydney, Australien, in den brütend heißen Tagen vor Weihnachten: Mit anderen Mietern der Gegend haben sich die Bürgerrechtlerinnen Kate Dean (Judy Davis) und Mary Ford (Carole Skinner) in der Wohnung der alten Annie (Tui Bow) verbarrikadiert. Schon fahren auf der Straße unter Polizeischutz drei Wagen mit Schlägern der Wohnungsbaugesellschaft Peter Housemans (Chris Haywood) vor, angeführt von einem Mann fürs Grobe (Peter Hehir), der mit einem Vorschlaghammer als erster die Haustür der greisen Annie durchschlägt. Die Häuser der Gegend sollen dem ambitionierten Projekt “Eden“ weichen, das der Architekt Stephen West (Richard Moir) für die Houseman-Gruppe entworfen hat, eine zukunftsweisende Wohn- und Bürolandschaft unter Glas, darin Natur und Architektur sich geeint finden. Kate Dean wird heute bis aufs Dach des Gebäudes verfolgt, wo sie eine medienwirksame Ansprache an die Schar der Neugierigen richtet, bevor einer der Houseman-Häscher sie von dort entfernt. Stephen West joggt indessen mit Philip Lawson (John Cregg), dem Geschäftsführer des Projekts Eden, und ihr Lauf endet in Wests Apartment, wo Stephens ebenfalls für Houseman tätige Ehefrau Victoria (Anna Maria Monticelli) die beiden erwartet. Die jungen Erfolgsmenschen sind sich einig, dass ihr Projekt wunderbare Fortschritte verzeichnet. Doch später am Tag sieht Stephen West einen Fernsehbericht über die Ereignisse in Kings Cross am heutigen Morgen und kommt ins Grübeln…
Ein Drehbuch, das es auf den Punkt bringt, eine rasante und schlüssige Dramaturgie, exzellente Darsteller mit überzeugenden Rollenportraits, ein pointiert minimalistischer Soundtrack von Cameron Allan – und doch ist dieser Film praktisch vergessen. In der Hitze des Zorns zeigt eindrücklich, dass Hollywood schon seinerzeit auf hochwertiges Thrillerkino kein Monopol beanspruchen konnte. Kate Dean und Stephen West sind Charaktere, die oberflächlich unterschiedlichen Seiten in einem poltisch brisanten Konflikt angehören, der wiederum nur oberflächlich Schubladen mit den Aufschriften „Gut“ und „Böse“ verzeichnet. Die beiden werden im Kampf für und um ihre Ideale auf manche Probe gestellt, die die Wahl ihrer Mittel und ihre Entscheidungen nachhaltig beeinflussen. Vom Finale aus ist die Abfolge der einzelnen Schritte, die sich dann jeweils schicksalsschwer auswirken, schlicht bemerkenswert. Mit einer wunderbaren Lässigkeit beweist die australische Produktion, dass in jenen Jahren Kinofilme noch selbstbewusst couragiert und zeitkritisch gestaltet werden konnten – meilenweit entfernt vom Kalkül jener Anbiederung, wie es einen bei jedem Good-Time-Spektakel heutiger Tage schon aus dem Vorspann ins Auge springt. Für Film Noir of The Week beschreibt Andrew Nette völlig zu Recht den Film als ”a dark, well-made thriller that can legitimately stake a place among the small group of Australian films with genuine noir sensibility.”
Die 80er Jahre waren bekanntermaßen nicht das Jahrzehnt des Erzählkinos. Die restaurativen Special-Effects-Opern der Krieg-der-Sterne-Trilogie (USA 1977 - 1982) und der ihr nachfolgende Science-Fiction-Bombast versprachen dem Publikum mehr Kick und Behagen als die schwerblütige, melancholische Dramatik des Neo Noirs. So präsentiert sich In der Hitze des Zorns wie ein Relikt des Autorenkinos der Siebziger und damit in der Nachbarschaft seelenverwandter Ausnahmefilme wie Bis zum bitteren Ende (USA 1981) oder Mike’s Murder (USA 1984), allesamt kommerziell gefloppt. Judy Davis (in einer frühen Hauptrolle) war und ist eine überragende Charakterdarstellerin. Richard Moir ist so wie dieses Werk zu Unrecht in Vergessenheit geraten. Philip Noyce gilt heute in Australien als Veteran des dortigen Filmschaffens, hat aber seit seinem Karrierestart in Hollywood großteils Massenware wie Die Stunde des Patrioten (USA 1992) oder Das Kartell (USA 1994) zuwege gebracht. Neben der von Andrew Nette erwähnten Handvoll australischer Neo Noirs, die es noch zu entdecken gilt, ist In der Hitze des Zorns ein Paradebeispiel für die gewachsene Qualität des australischen Kinos, das jenseits des Milleniums mit Werken wie Lantana (AUS/GER 2002) oder The Square - Ein tödlicher Plan (AUS 2008) seine Fortsetzung erfuhr. Zu guter Letzt gelingt Philip Noyces zupackendem und nie belehrendem Drama, das auf dem realen Fall der 1975 unter mysteriösen Umständen verschwundenen (und niemals gefundenen) Bürgerrechtlerin Juanita Nielsen beruht, ein ebenso exquisiter wie bedrückender Schluss. Sehr empfehlenswert!
Bild- und tontechnisch sehr gute australische DVD-Edition von Umbrella Entertainment (2007) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, dazu die englische Tonspur ohne Untertitel, leider ohne Extras.