Post Noir
| France
| 1963
| Henri Verneuil
| Alain Delon
| Claude Cerval
| Jean Gabin
| Maurice Biraud
| Dora Doll
| Viviane Romance
Bewertung
****
Originaltitel
Mélodie en sous-sol
Kategorie
Post Noir
Land
FRA/ITA
Erscheinungsjahr
1963
Darsteller
Jean Gabin, Alain Delon, Claude Cerval, Viviane Romance, Henri Virlojeux
Regie
Henri Verneuil
Farbe
s/w
Laufzeit
118 min
Bildformat
Widescreen
Paris: Nach fünf Jahren im Gefängnis kommt der in die Jahre gekommene Charles (Jean Gabin) wieder auf freien Fuß. Am Gare du Nord steigt er in den Vorortzug und lauscht den Arbeitern, die mit ihm aus der Stadt hinausfahren. Ihre Gespräche über Urlaub und Freiheit bringen ihn darauf, was er nicht kennt und was ihn an einer „ehrlichen“ Arbeit nach wie vor abstößt. Als er in Sarcelles die Treppe der Bahnstation empor steigt, sieht er bis zum Horizont auf im Entstehen befindliche Neubausiedlungen. Wo ist sein Haus in der Rue Théophile Gautier, das er wegen seines Gartens kaufte? Charles kennt sich in den Schluchten von Hochhäusern nicht mehr aus. Als er schließlich Zuhause ankommt, ist das Wiedersehen mit seiner Frau Ginette (Viviane Romance) erstmal kühl. Nach einem Restaurantbesuch debattieren sie des Nachts über ihre Pläne. Ginette will an der Cote d’Azur ein Restaurant eröffnen, aber Charles will von kleinen Brötchen nichts wissen. Er plant nach Australien auszuwandern und dafür soll ihnen das Geld aus einem letzten Coup die Grundlage bieten. Charles trifft seinen Zellengenossen Mario (Henri Virlojeux) in dessen eigener Badeanstalt Les Fauvettes. Jener hat die Baupläne zu einem Spielkasino in Cannes und den über Klimaschächte einzig gangbaren Weg ins Innere des Gebäudes darin eingezeichnet. Doch Mario ist krank und will zu Charles’ Entsetzen aus dem gemeinsamen Projekt aussteigen. Nun hat Charles mit dem jungen, impulsiven Francis (Alain Delon) bereits einen anderen Partner in petto…
“Stylistically, it is a film noir. In approach, it is serious and realistic”, heißt es bei Jinni Inc. So knapp lässt es sich ausdrücken und ist auch richtig, obgleich unvollständig. Henri Verneuils Thriller, basierend auf dem gleichnamigen Roman von John Trinian (Pseudonym von Zekial Marko, EA 1960), erinnert stark an Jules Dassins Rififi (FRA 1955) und an Jean-Pierre Melvilles Drei Uhr nachts (FRA 1956), insofern letzterer sogar das Setting eines Millionen-Coups in einem Spielcasino im Detail vorwegnimmt. Damit bezieht sich das 1963 in Schwarzweiß gedrehte und von Kameramann-Veteran Louis Page (Zur roten Laterne, FRA 1946) in berückende Bildkompositionen gerahmte Werk dezidiert auf die Tradition des französischen Film Noirs. Ganz typisch sind auch zentrale Motive der Hanglungsprämissen in Lautlos wie die Nacht, vor allem sein Rollencharakter Charles. Der aus dem Gefängnis in die bürgerliche Gesellschaft entlassene Rückkehrer ist ein im Film Noir schon frühzeitig heimischer Typus, dem Kriegsheimkehrer des US-amerikanischen Kinos ab 1946 durchaus verwandt. Gerade in Frankreich erfuhr er interessante Variationen, so etwa als der aus dem Exil mit einer Familie heimkehrende Abel Davos (Lino Ventura) in Claude Sautets großartigem Der Panther wird gehetzt (FRA/ITA 1960). Mehr denn je ist auch Charles die französische Gesellschaft fremd - mit der Suche nach dem eigenen, ebenso wie er selbst in die Jahre gekommenen und zum Fremdkörper gewordenen Haus inmitten von Neubauten wunderbar illustriert. Und mit solchem Charakter im französischen Film Noir ist auch der eine, letzte Coup verbunden, der notwendig ist, um für ein geruhsames Alter im Märchenreich der Sorglosigkeit die materielle Grundlage zu schaffen. Nicht nur in den genannten Werken von Melville und Dassin, auch in anderen, so etwa in Jacques Beckers Wenn es Nacht wird in Paris (FRA/ITA 1954), steht die Idee eines finalen Ausstiegs aus den Machenschaften des „Broterwerbs“ im Zentrum der Handlung.
Für die Frühsechziger war im französischen Kino - neben der Nouvelle Vague - eine leichtfüßigere, in der Nähe zur Kriminalkomödie angesiedelte Attitüde solcher Heist-Filme durchaus typisch. Doch davon will Henri Verneuil mit seinen scheinbaren "Gentleman-Verbrechern“ nichts wissen. Jean Gabin und Alain Delon porträtieren zwar Ganoven voller List und Tücke, sind selbst aber keine humorvollen oder sogar täppischen Spaßvögel. Im Gegenteil finden wir ihr von Rivalität gezeichnetes Verhältnis durchaus ähnlich demjenigen von Bob Montagné (Roger Duchesne) und Paolo (Daniel Cauchy) in Melvilles Drei Uhr nachts, das Werk eines dezidiert nicht witzigen Regisseurs. Solche Grundierung mit Tragik verleiht dem Film zu guter Letzt seine zeitlose Qualität, zumal der späte Jean Gabin hier aus seiner sonst üblichen Routine erwacht und richtiges Schauspiel bietet. Lautlos wie die Nacht ist durchaus ein Klassiker des europäischen Kinos jener Frühsechziger, eine gute Ergänzung für den Connaisseur französischen Film Noirs, der in dieser Ära eher eine Seltenheit war.
Erstklassige DVD-Edition der Concorde Home Entertainment GmbH (2006) mit dem Film bildtechnisch topp, ungekürzt im Originalformat, wahlweise deutscher oder französischer Ton, optional deutsche Untertitel, den Kinotrailer als Extra und – den kompletten Film in einer 12 Minuten kürzeren, kolorierten Fassung, heute eine echte Kuriosität.