Bewertung
****
Originaltitel
Gaslight
Kategorie
Pre Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1940
Darsteller
Anton Walbrook, Diana Wynyard, Frank Petingell, Cathleen Cordell, Robert Newton
Regie
Thorold Dickinson
Farbe
s/w
Laufzeit
84 min
Bildformat
Vollbild
London, April 1880: Ganze 15 Jahre liegt der grausame Mord an der alten Witwe Alice Barlow (Marie Wright) am Pimlico Square Nummer 12 jetzt zurück, die eines Abends beim Sticken in ihrem Wohnzimmer hinterrücks erdrosselt wurde. Der Täter war offenbar auf die Juwelen der Dame aus, deren größter Schatz, fünf immens kostbare Rubine, seither verschwunden sind. Scotland Yard konnte das Verbrechen nicht aufklären und die verwaiste Wohnung blieb verlassen und konnte nie verkauft werden... Jetzt hat sich wunderbarerweise ein Käufer gefunden, der sogar selbst dort einzieht. Paul Mallen (Anton Walbrook) und seine etwas nervenschwache Frau Bella (Diana Wynyard) bewohnen allerdings nicht das Obergeschoss des Hauses, dessen Treppenaufgang Paul Mallen mit einer Holzverkleidung hat verbarrikadieren lassen. Die Mallens führen ein zurückgezogenes Leben, an dessen Alltag nur die Dienerin Nancy (Cathleen Cordell) und die Köchin Elizabeth (Minnie Rayner) beteiligt sind. Nach einem Kirchenbesuch macht im Gedränge auf der Freitreppe die attraktive Nancy dem jungen Cobb (Jimmy Hanley), Angestellter in den Livery Stables von B. G. Rough (Frank Petingell), ganz offensichtlich hübsche Augen. Aber Rough selbst, ein ehemaliger Polizist, wird hier durch den Anblick Paul Mallens an einen Mann erinnert, den er vor vielen Jahren in der Stadt bereits gesehen hat. Erst will ihm der Name partout nicht einfallen. Doch nachdem ihm Cobb eines Tages dank Nancys von den etwas merkwürdigen Verhältnissen im Haus am Pimlico Square zu berichten weiß, erinnert er sich plötzlich…
“A dirty evening for a stroll, Sir.” - “There are lots of dirty things in London.“ Nur vier Jahre später, im Jahr 1944, verfilmte Hollywood den Stoff mit zwei damaligen Weltstars in den Hauptrollen, der Schwedin Ingrid Bergmann und dem Franzosen Charles Boyer, noch einmal. George Cukors Das Haus der Lady Alquist (USA 1944), wie solcher Film auf Deutsch heißt - im Original ebenfalls Gaslight - war im Nu um ein Vielfaches populärer als die britische Erstverfilmung des gleichnamigen Bühnenstücks von Patrick Hamilton (EA 1938). Das hatte seine Ursache nicht zuletzt darin, dass MGM die Rechte an dem Erstling erworben hatte und sich redlich mühte, alle Kopien des britischen Originals zu vernichten. Es ist der Courage seines Regisseurs Thorold Dickinson, der selbst eine Kopie in seinem Privatbesitz hatte, und heutigentags der Bemühungen des British Film Institutes (BFI) zu verdanken, dass der lange als verschollen geltende Film inzwischen wieder verfügbar ist. Und nicht zuletzt dadurch wird nochmals anschaulich, wie barbarisch das damalige Vorgehen des Hollywoodstudios MGM erscheinen muss, denn Gaslight ist in seiner britischen Erstfassung ein hervorragender Thriller seiner Zeit. Nicht unbedingt modern zeigt die Kameraarbeit Bernard Knowles‘ doch Aspekte, die in ihrer expressionistischen und innovativen Weise der kurz darauf in den USA anhebenden Ära des Film Noirs unmittelbar vorhergingen.
Mitunter durch seine Studiosets und einzelne Sequenzen, die sich Szenenbild und Kostümen verschreiben, etwas altbacken lebt der Film nicht nur vom gotischen Flair sondern vor allem von seinen hervorragenden Darstellern. Die heute kaum bekannten Mimen Anton Walbrook und Frank Petingell sind herausragend. Cathleen Cordell ist einmalig vulgär als Dienstmädchen Nancy, das in einer Szene mit ihrem Hausherrn in eine Music Hall abdampft, wo sie einen umwerfend choreografierten und gefilmten Musikabend genießen, der einen fulminanten Kontrast zu einem zuvor gezeigten Besuch eines Pianokonzerts bietet. Solche Einlagen geben dem Film Zeitkolorit und Dynamik und das inszeniert Thorold Dickinson mit Klasse. Bedauerlich ist, dass der an fünfter Stelle genannte Robert Newton, der im gleichen Jahr in Alfred Hitchcocks Riffpiraten (UK 1939) eine Hauptrolle spielte, nur wenig zu tun bekommt, zumal er in Ausgestoßen (UK 1947) und Der Wahnsinn des Dr. Clive (UK 1949) noch jeweils substantielle Beiträge zum Film Noir lieferte. Gaslight (UK) ist nicht schlechter als Das Haus der Lady Alquist, der den Stoff ebenfalls gut inszeniert zu vermitteln wusste. An manchen Stellen ist die britische Version dunkler und abgründiger. Neben den Sherlock-Holmes-Verfilmungen mit Basil Rathbone und Nigel Bruce finden Sich im Hollywood der Jahre bis 1946 reihenweise im nebligen London angesiedelte gotische Thriller, oft in unmittelbarer Nachbarschaft zum Film Noir.
Als Film der Public Domain existierte Gaslight lange nur in DVD-Editionen schlechter Qualität, wobei das Bild mittelprächtig, der Ton gedämpft und die Musik zu laut und doch dumpf wirkte. Am 18. November 2013 erscheint Gaslight endlich in einer bild- und tontechnisch restaurierten Fassung des British Film Institutes als BD und DVD in einer Edition, inklusive eines beigelegten Booklets mit Filmessay und anderen Extras.