Bewertung
***
Originaltitel
If I Didn’t Care
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
2007
Darsteller
Bill Sage, Susan Misner, Roy Scheider, Noelle Beck, Ronad Guttman
Regie
Orson Cummings, Ben Cummings
Farbe
Farbe
Laufzeit
71 min
Bildformat
Widescreen
© Sony Pictures Home Entertainment
Zwei Männer in Anzügen (Nico Yektai, Darius Yekati) steigen in eine Limousine und fahren aus der Stadt New York ins Umland. Der Beifahrer lädt auf der Fahrt eine Schrotflinte, und als sie an ihrem Bestimmungsort ankommen, ist es dunkel geworden… Die Hamptons auf der Insel Long Island im Bundesstaat New York sind eine Region für die Begüterten. Hier leben auch die Eheleute Janice (Noelle Beck) und Davis Meyers (Bill Sage). Sie ist eine erfolgreiche, in der Stadt New York tätige Anwältin, die oft tagelang nicht nach Haus kommen kann. Er ist ein erfolgloser Spekulant, der mit Janice und von ihrem Geld in einem Luxusanwesen wohnt und sich an diesen gehobenen Lebensstil längst gewöhnt hat. Heute begutachtet er einen stillgelegten Bau, der ein Industriepark hätte werden sollen und verhandelt mit der Maklerin Hadley Templeton (Susan Misner) über die Kaufsumme. Diese weiß, dass Davis Meyers ein mehr als unsicherer und im Grunde mittelloser Mann ist, denn sie ist seine Geliebte. Folglich glaubt sie nicht, dass Davis für das Projekt einen oder mehrere Partner an Bord kriegen kann, obgleich er es am Tresen einer lokalen Bar eifrig versucht. Zuvor hatte er sich von Janice verabschiedet, die nach New York zurück musste. Bei dieser Gelegenheit war nicht nur das Geld sondern auch ihre fortgesetzte Kinderlosigkeit erneut ein Reizthema zwischen den Eheleuten. Hadley und Davis lassen sich in der Bar volllaufen, gehen zu ihm nach Hause und verbringen gemeinsam die Nacht. Als am nächsten Morgen die Haustür geöffnet wird, reagiert Davis nervös. Zum Glück ist es nur ihre Haushälterin Maria (Mirelly Taylor). Hadley ist trotzdem gewillt, dieses Mal für die Ehefrau still und heimlich eine Spur zu hinterlassen…
“If I Didn't Care is a Hitchcockian film noir / thriller set in the exclusive resort community of The Hamptons”, lautete das Presseinfo zu diesem eher kurzen Kinofilm der Gebrüder Cummings und es ist keineswegs falsch. Trotz eines geringen Budgets und trotz einer koventionellen Kameraführung und Regie ist der Spannungsaufbau im ersten Drittel für den an geruhsames Erzählkino gewöhnten Cineasten stimmig. Die Charaktere werden mit Bedacht eingeführt und in ihren Lebensgewohnheiten und Besonderheiten gezeigt, bevor sich die Dinge langsam aber sicher zuspitzen. Solche Entwicklung ist nicht weit von derjenigen in Wooody Allens Match Point (UK/LUX 2005), darin Jonathan Rhys Meyers den Emporkömmling Chris Wilton mimt, der seinerseits zwischen zwei Frauen steht und im Angesicht des Verlusts seiner Lebensgrundlage eine schwere Entscheidung fällt. Davis Meyers, wie er von Bill Sage porträtiert wird, fällt besonders auf, weil er an der Oberfläche eine unschuldige, fast naive Ausstrahlung zu bewahren in der Lage ist. Und dann gibt es den letzten Filmauftritt Roy Scheiders (1932 - 2008), dessen Präsenz in jeder seiner Szenen die Mitspieler an den Rand drängt und der hier zeigt,in welcher Liga er spielen konnte. Sein Linus Boyer ist Bildungsbürger und Polizist der alten Schule, der sich nicht lange ein X für ein U vormachen lässt. Mit ihm gewinnt Blue Blood – Wer sich in Gefahr begibt…, wie der Film als deutsche DVD absurderweise betitelt wurde, den im Presseinfo versprochenen Alfred-Hitchcock-Appeal. Dabei verdankt der Film seinen Originaltitel der ironisch pointierten Nutzung alter Jazz- und Blues-Standards, jener gediegenen (ursprünglich in unbürgerlichen Verhältnissen entstandenen) Musik für die gediegenen Großbürger der Hamptons, deren Liedtexte die Abgründe ihrer Leben treffsicher widerspiegeln.
Aber so sehr die Cummings den Film mit ihrer Liebe zum Detail tapezieren, so sehr fehlt ihrem Entwurf als Drehbuch die notwendig zupackende Kraft. Einerseits gibt es Längen, andererseits gibt es Lücken - die Taktung erscheint mal unsicher, mal zu hastig. Als hauptamtlicher Ermittler ist Linus Boyer in der Schlussphase eigentümlich abwesend. Von der Familie Marias, der zuletzt eine Schlüsselfunktion zukommt, erfährt man so gut wie nichts. Dafür klebt die Kamera an Davis Meyers, an seiner Inszenierung harmloser Alltäglichkeit, die in solcher Ausführlichkeit keine neuen Facetten eröffnet. Immer wieder gibt es gute Szenen, als etwa Meyers des Nachts mit dem Wagen einen Hirsch überfährt und im anschließenden Gespräch mit einem ihm bekannten Polizisten sich derart verhaspelt, dass dieser misstrauisch wird und nach seinen Papieren fragt. Hier bricht die Überforderung mit den Ereignissen ungefiltert über den Mann herein, der krampfhaft sein Leben neu zu ordnen sucht, und hier ist das Werk so richtig Film Noir, so wie es Nash Edgerton mit dem artverwandten The Square – Ein tödlicher Plan (AUS 2008) ebenfalls glückte. If I Didn’t Care ist nicht übel, auch nicht besonders gut; für den erfahrenen Film-Noir-Freund bleibt es allemal ein kurzweiliges Intermezzo.
Erstklassige DVD-Edition der Sony Pictures Home Entertainment (2009) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, deutsche und englische Tonspur, deutsche und englische Untertitel.