Bewertung
****
Originaltitel
Blood Simple.
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1984
Darsteller
Frances McDormand, John Getz, Dan Hedaya, M. Emmet Walsh, Samm-Art Williams
Regie
Joel Coen
Farbe
Farbe
Laufzeit
92 min
Bildformat
Widescreen
Die Welt ist voller Klagelieder, weiß Privatdetektiv Loren Visser (M. Emmet Walsh), aber dieses Klagen führt zu nichts. Selbst für die hohen Amts- und Würdenträger kann jederzeit alles schiefgehen. In Texas jedenfalls ist jeder auf sich allein gestellt… Im Dunkel der Nacht fahren Abby (Frances McDormand) und Ray (John Getz), sie mit Barbesitzer Julian Marty (Dan Hedaya) verheiratet und er dessen Angestellter, auf einer verregneten Straße gen Houston. Ray hat sich erboten, die Frau seines Chefs dorthin zu bringen, einfach nur, weil er sie mag, wie er Abby auf ihrer Fahrt jetzt gesteht. Abby ist in ihrer Ehe todunglücklich, aber Ray hat dazu nicht viel zu sagen. Dennoch lässt sie ihn plötzlich anhalten und erinnert ihn an ein Hinweisschild, daran sie soeben vorüber fuhren: Motel… Ray und Abby verbringen die Nacht zusammen, als morgens das Telefon klingelt und Julian Marty sich bei Ray erkundigt, ob er eine gute Zeit habe. Der Privatdetektiv Loren Visser konsultiert an diesem Morgen Julian Marty in seinem Büro und zeigt ihm Fotos von Abby und Ray in ihrem Motelzimmer der letzten Nacht. Der impulsive, hasserfüllte Julian ist völlig niedergeschlagen, doch Visser amüsiert dessen Ärger nur; er lässt sich ausbezahlen und zieht seiner Wege. Abby hat Angst vor Julians Reaktion auf ihren Ehebruch und holt sich aus der gemeinsamen Wohnung ihre Pistole, einst ein Geschenk Julians zu ihrem ersten Hochzeitstag…
Das Debüt der heute berühmten Brüder Ethan und Joel Coen - der eine Drehbuchautor und der andere Regisseur - ist sowohl ein typisches Beispiel für das von Alfred Hitchcock und vom zeitgenössischen Horrorfilm à la David Lynch beeinflusste Thrillerkino der Achtziger als auch seiner Zeit klar voraus. Jahre vor den ersten Neo Noirs John Dahls oder Quentin Tarantinos schufen die Coen-Brüder eine rabenschwarze, bitterböse Abrechnung mit dem Leben in kleinbürgerlichen Verhältnissen der USA, hier namentlich Texas. Es sind die einleitenden Sätze von Privatdetektiv Loren Visser, die uns Zuschauern verdeutlichen, was das urplötzlich in Fahrt geratene Schicksalskarussell der einfachen Leute vom Lande schließlich außer Rand und Band bringen wird: “An' the fact is, nothin' comes with a guarantee. Now I don't care if you're the Pope of Rome, President of the United States or Man of the Year; somethin' can all go wrong. Now go on ahead, y'know, complain, tell your problems to your neighbour, ask for help, 'n watch him fly.” In einem urplötzlich rechtsfreien Raum, darin der Barkeeper Meurice (Samm-Art Williams) als letzter auf dem verlorenen Posten der Vernunft steht, lösen vier Menschen im Strudel von Leidenschaft und Habgier eine Lawine von Missverständnissen aus. Der Witz dabei ist, dass nicht jeder jeden kennt und dass im Augenblick, da Ray und Abby dem (für sie) Unsichtbaren auf die Spur kommen, es für alle Beteiligten zu spät ist. Im Kontext seiner begrenzten Sicht auf die Dinge handelt jeder folgerichtig. Im Kontext des Ganzen erweist sich jeder neue Schritt als verheerend. Die Kunst der Schöpfer ihrer Low-Budget-Perle besteht darin, solche Geschichte vollends glaubwürdig und transparent zu erzählen.
“On the face of it, Blood Simple is your basic homage to films noir in the grand tradition of Double Indemnity (1944) or The Postman Always Rings Twice (1946)”, schrieb Nauga für Noir of The Week. Vor allem der Vergleich mit Letzterem ist triftig, da Ray und Abby - keine ausgesprochene Femme fatale - jeweils unerwartet in ihre Liaison hinein schlittern, in einem grandiosen Entrée, das direkt an die einleitenden Sätze Loren Vissers anschließt und die Geschichte ohne Umschweife auf die Bahn bringt. Tolle Darstellungen von Dan Hedaya, dessen einsam und verloren wirkender Clubbesitzer Julian Marty an Cosmo Vittelli (Ben Gazzara) in John Cassavetes’ Mord an einem chinesischen Buchmacher (1976) denken lässt. Herausragend auch M. Emmet Walsh als schmieriger und korrupter Privatdetektiv Visser, der Züge des ebenso dubiosen Detektivs Matthew Albert Arnett (Walter Slezak) in Robert Wise’s Born To Kill (1947) aufweist. Die 27jährige Frances McDormand brilliert in ihrem Leinwandebüt, dem viele Auftritte aber keine große Hollywoodkarriere folgen sollten. Für reichlich Film-Noir-Atmosphäre sorgt Kameramann (später Erfolgsregisseur) Barry Sonnenfeld. Und der 2000 erschienene, um 4 Minuten gekürzte Director’s Cut erweist sich als temporeich und schnörkellos. Alles in allem ein konsequent dunkler Neo Noir, der sich für die Neunziger als stilbildend erweisen sollte.
Erstklassige deutsche Edition der Kinowelt GmbH / Studiocanal (2010), die den ungekürzten Director’s Cut (FSK 18) im Originalformat mit deutscher oder englischer Tonspur, optional deutschen Untertiteln sowie einer Einführung durch Mortimer Young, dem Presseheft als PDF und dem original Kinotrailer als Extras bietet.