Neo Noir
| International
| 1977
| Patricia Highsmith
| Wim Wenders
| Robby Müller
| Bruno Ganz
| Dennis Hopper
| Gérard Blain
| Samuel Fuller
| Sandy Whitelaw
Bewertung
****
Originaltitel
Der amerikanische Freund
Kategorie
Neo Noir
Land
GER/FRA
Erscheinungsjahr
1977
Darsteller
Bruno Ganz, Dennis Hopper, Gérard Blain, Lisa Kreuzer, Samuel Fuller
Regie
Wim Wenders
Farbe
Farbe
Laufzeit
121 min
Bildformat
Widescreen
Der Kunsthändler Tom Ripley (Dennis Hopper) scheut vor kriminellen Machenschaften nicht zurück. In Hamburg vertreibt er über das Auktionshaus des Herrn Gantner (Rudolf Schündler) die Bilder des vermeintlich toten Malers Derwatt (Nicholas Ray) zu künstlich in die Höhe getriebenen Preisen. Tatsächlich lebt Derwatt inkognito in New York und malt heimlich weiter. Das Geschäft mit seinem Ruhm als Gewesener lohnt sich für beide. Bei einer nächsten Auktion ist der amerikanische Sammler Allen Winter (David Blue) mit seinem Freund Jonathan Zimmermann (Bruno Ganz) anwesend, der selbst Kunstrestaurator ist und in der Hamburger Altstadt einen Laden betreibt. Jonathans Frau Marianne (Lisa Kreuzer) arbeitet im Auktionshaus Gantner, und nachdem Winter das Bild für stolze 62.000 Mark ersteigerte, stellt ihnen Gantner Tom Ripley vor. Doch Jonathan, der bezüglich Ripleys und der ominösen Bilder Derwatts Verdacht geschöpft hat, verhält sich abweisend und kühl. Gantner erläutert Ripley später, dass Jonathan an Leukämie leide, die fatale Folgen für ihn haben könne. Zudem haben die Zimmermanns ein Kind, ihren Sohn Daniel (Andreas Dedecke). Kurz darauf erhält Jonathan ein Telegramm Winters, das jener am Flughafen aufgab, worin er die Verschlimmerung des Gesundheitszustands seines Freundes bedauert. Zur gleichen Zeit erscheint der Pariser Gangster Raoul Minot (Gérard Blain) bei Tom Ripley in dessen Hamburger Villa, um ihm ans Begleichen einer alten Schuld zu erinnern…
In Hamburg, Paris und in New York drehte Wim Wenders 1976 diesen Neo Noir mit deutschen, französischen und US-amerikanischen Schauspielern. Nach der Vorlage Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund aus der Feder von Patricia Highsmith gelingt Wenders im Rückbezug auf den klassischen Film Noir, mit der Hilfe seines Kameramanns Robby Müller und mit teils exzellenten Darstellern ein streckenweise fulminanter Noir Thriller. Von Anbeginn bemerkenswert ist die atmosphärische Dichte der Städteportraits. Die Großstadt ist eine zentrale Figur des klassischen Film Noirs und sie ist es auch hier. Die Wahl der Drehorte und die Art und Weise, sie im Rahmen der Handlung zu inszenieren, ist schlicht superb. Hamburg erweist sich mit seinem Hafenflair nicht weniger als eine grandiose Film-Noir-Kulisse als eben Paris und New York. Das ist derart stilsicher eingefangen, dass es den Vergleich mit den besten internationalen Produktionen seiner Zeit nicht zu scheuen braucht. Das nächste Moment der Meisterschaft ist der traumhafte Schnitt. Sichtbar von der Nouvelle Vague beeinflusst trägt die Schnitttechnik in vorbildlicher Weise zum Rhythmus und zur Dynamik des Films bei, der mit 121 Minuten einerseits lang, andererseits straff und spannungsgeladen daher kommt. Die Kamera von Robby Müller, ihr Wechsel der Einstellungen und viele seiner Fahrten, all das ist ebenfalls von höchster Güte. Kaum fällt was als überflüssig heraus, dergestalt wird das Erzählen einer Geschichte exemplarisch in den Vordergrund gerückt. Zusammengerechnet gibt es diesem Film Klasse und Stil.
Die Leistungen der Darsteller sind inkonsistent und nicht ganz auf dem gleichen Niveau, obwohl auch hier Meisterschaft zu finden ist. Bruno Ganz ist als Jonathan Zimmermann perfekt besetzt und liefert ein erstklassiges Charakterportrait. Ebenfalls überzeugen können Gérard Blain als französischer Gangster Raoul Minot, Film-Noir-Legende Nicholas Ray als vermeintlich toter Maler Derwatt und auch der kleine Andreas Dedecke in der Rolle von Jonathans Sohn Daniel. Zum ersten Mal bei Wenders mit einem Cameo vertreten, ist der von ihm verehrte Samuel Fuller (Der nackte Kuss, 1964) als namenloser amerikanischer Mafiosi, der einen gelungenen Auftritt hinlegt. Lisa Kreuzer, ein Jahr zuvor in Wim Wenders’ Im Lauf der Zeit gut besetzt, wirkt eigentümlich blass und mit Blick auf ihren Mann ohne glaubhafte Empathie. Dennis Hopper, grundsätzlich kein schlechter Darsteller, gibt dem Affen Zucker und lässt streckenweise der eigenen Eitelkeit sichtbar zuviel Raum. Das bekommt sowohl der Figur Tom Ripleys als gewieftem Kunsthändler und Intriganten als auch dem Film leider gar nicht. Exquisit ist der kurze Part des Sammlers Allen Winter, porträtiert vom Folksänger und Bob-Dylan-Freund David Blue, der an Donald Sutherland erinnert. Alles in allem ist Der amerikanische Freund ein sehenswerter Neo Noir, der sich schwer mit etwas vergleichen lässt und trotz der genannten Einschränkungen zwei Stunden gutes bis herausragendes Erzählkino bietet. Überaus sehenswert!
Hervorragende DVD aus dem Hause Arthaus / Studiocanal, deutsche und originale (mehrsprachige) Tonspur, wahlweise deutsche Untertitel, ungekürzt und bildtechnisch topp - den Kinotrailer, einen Audiokommentar von Wenders und Hopper, sowie ein Interview mit Wim Wenders und einige geschnittene Szenen als Extras.