Roger Smith, Greta Baldwin, Dennis Morgan, Edgar Bergen, Brian Donlevy
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© Paramount Pictures Corp.
Los Angeles, Kalifornien: Mit einer in Zellophan verpackten Topfpflanze im Arm geht Rentner Oscar Ludman (Robert Riordan) die Straße hinunter zu seiner Gärtnerei namens California Flowerland. Ein Schild am Maschendrahttor weist darauf hin, dass die großflächige Anlage geschlossen sei. Ludman wird stutzig, als er das aufgebrochene Vorhängeschloss bemerkt, und vor einem der verwaisten Gewächshäuser sieht er eine Limousine parken. Er geht ins Innere, wo alle Beete vertrocknet sind. Nur in einer Ecke züchtet er noch Blumen für den eigenen Gebrauch. Plötzlich sieht er draußen einen Mann im Anzug (Chuck Hicks) ankommen und spricht ihn an. Doch der Kerl mit Sonnenbrille reagiert nicht, und Ludman schwant nichts Gutes. Er versucht durchs Gewächshaus zu entkommen, aber ausgerechnet die Tür ins Freie ist verschlossen, und der Mann erwischt und erdrosselt ihn. Kurz darauf hängt Oscar Ludmans Leiche am First des Glasdachs… Mrs. Alicia Hassanover (Marcia Mae Jones) nimmt auf der Türschwelle Abschied von einigen Freundinnen, setzt sich hinters Steuer ihres 1967er Chrysler Imperial Crown und fährt davon. Sie bemerkt nicht, dass auf der Rückbank ein Mann liegt, der in einem Tunnel hinterrücks seine Hände um ihren Hals legt. Kurz darauf fährt der schwere Wagen in Mrs. Hassanovers Garage, der Mörder steigt aus, lässt den Motor laufen und schließt das Garagentor… Privatdetektiv John Rogue (Roger Smith) erwacht in Unterwäsche zu den Klängen eines Kofferradios auf der Couch seines schäbigen Büros…
Mit der Geburt des Neo Noirs in der zweiten Hälfte der 60er kehrte der Privatdetektiv auf die Kinoleinwand zurück. Zehn Jahre zuvor hatte er es im US-Fernsehen zu einiger Popularität gebracht. Die von Blake Edwards erdachten TV-Serien Richard Diamond, Privatdetektiv (USA 1957-1960) und Peter Gunn (1958-1961) nahmen zum Film Noir der 40er dezidiert Bezug. Dazu kamen Darren McGavin als Mike Hammer (USA 1958-1959), John Cassavetes als Johnny Staccato (USA 1959), Edmond O’Brien als Johnny Midnight (1961) und für 26 Episoden gab Philip Carey ein Gastspiel als Philip Marlowe (USA 1959), basierend auf dem berühmtesten Private Eye des Film Noirs nach Romanen Raymond Chandlers. Aber das Kino der 60er Jahre war eines in Technicolor, und John Boormans Point Blank – Keiner darf überleben (USA 1967) ist als Neo Noir von Rang und Einfluss alles andere als sentimental. Das ist ein Film, der den Cineasten eher nach vorn als zurück blicken lässt. Demgegenüber blieb der Privatdetektiv der 60er eine eigentümlich nostalgische und aus der Zeit gefallene Figur. Die Romanvorlage zu Jack Smights Ein Fall für Harper (USA 1966) mit Paul Newman als Privatdetektiv Lew Harper stammte von Ross MacDonald und aus dem Jahr 1949 – der Blütezeit des Film Noirs. Ursprünglich hatte Frank Sinatra die Rolle spielen sollen; er verkörperte dann den Privatermittler Tony Rome in Gordon Douglas’ Der Schnüffler (USA 1967) und Die Lady in Zement (USA 1968). George Peppard wurde zum Private Eye P.J. in John Guillermins Der Gnadenlose (USA 1967), Craig Stevens mimte ein letztes Mal Peter Gunn in Blake Edwards' Gunn (USA 1967). Ebenso kehrte Darren McGavin zum Beruf zurück und trat als Privatdetektiv David Ross im Pilotfilm Der Einzelgänger (USA 1967) auf, dem 26 Episoden der TV-Serie The Outsider (USA 1968-1969) nachfolgten. Auch Roger Smith, der hier John Rogue spielt, war als Privatdetektiv des Fernsehens populär geworden. An der Seite von Efrem Zimbalist jr. verkörperte er in 161 Folgen der harmlosen Erfolgsserie 77 Sunset Strip (USA 1958-1964) den P.I. Jeff Spencer.
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Wie die meisten der Private Eyes der 60er ist John Rogue ein Loser und Loner – ledig, pleite, einsam und vor allem als Geschäftsmann eine Niete. Er schläft in seinem Büro, kramt Zigarettenstummel aus dem Mülleimer, putzt sich die Zähne ohne Zahnpasta und hat seine Pistole bei der Pfandleihe deponiert. Roger Smith spielt ihn solide und trifft im Verlauf einer abstrusen Geschichte auf die Film-Noir-Veteranen Brian Donlevy und Farley Granger. Ohne dass seine Figur viel hergäbe, macht Granger seine Sache ordentlich. Donlevy hingegen ist so miserabel, dass es kaum auszuhalten ist. Im Vorspann wird er an fünfter Stelle genannt, doch sein Auftritt dauert keine 2 Minuten. Leider ist Greta Baldwin als Femme fatale Valerie York nicht viel besser, was den Film im letzten Drittel zäh und hanebüchen werden lässt. Als ein Autor von Kriminalromanen und Drehbüchern war Steve Fisher schon in den 40ern und 50ern eine zentrale Figur des klassischen Film Noirs. Rogue’s Gallery ist aber wenig bemerkenswert. Der Film lebt vor allem von den Drehorten in und um Los Angeles und von Conrad L. Halls (Fat City, USA 1972) Kameraarbeit. Letzterer ist das einzige As im Ärmel des Produzenten A.C. Lyle. Der Rest ist unterhaltsames Mittelmaß und nur den Komplettisten unter den Freunden des Film-Noir-Kinos zu empfehlen. Dass Rogue’s Gallery heute so obskur ist, hat sicher mit fehlenden Stars zu tun: den zweifachen Alfred- Hitchcock-Darsteller Fairley Granger kannte längst niemand mehr. Roger Smith hängte aufgrund einer chronischen Autoimmunkrankheit nach dem Auftritt als John Rogue die Schauspielerei an den Nagel. Auch für Greta Baldwin wurde es ihre (zweite und) letzte Filmrolle, für Brian Donlevy und für Dennis Morgan je die vorletzte.
Bis heute (2025) gibt es von Rogue’s Gallery, der nie im deutschen Kino oder Fernsehen zu sehen war, keine BD oder DVD, weshalb er als enorm obskur gilt und auch online nur begrenzt zur Verfügung steht - immerhin ungekürzt, aber einzig im Vollbildformat, nicht Widescreen, dafür in einer bild- und tontechnisch erstaunlich guten Fassung ohne Untertitel.