Gas-Oil

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
Gas-Oil
Kategorie
Film Noir
Land
FRA
Erscheinungsjahr
1955
Darsteller

Jean Gabin, Jeanne Moreau, Gaby Basset, Simone Berthier, Charles Bouillaud

Regie
Gilles Grangier
Farbe
s/w
Laufzeit
92 min
Bildformat
Vollbild

 


 

 

Es ist kurz vor fünf Uhr am Morgen, als der Wecker klingelt und ein Arm sich aus dem Bett streckt, um dessen Geläut ein Ende zu bereiten. Der Lkw-Fahrer Jean Chape (Jean Gabin) schaltet die Nachttischlampe ein und versorgt die Elektroheizung mit Strom, bevor er aus dem Bett steigt und sich ankleidet. In der Küche wärmt er den Kaffee und die Milch, all das ist bereits vorbereitet, dann wirft er sich die Jacke über und tritt aus dem Haus. Er prüft Öl und Tankfüllung an seinem Lastwagen, einem neuen Willème LD 610, bevor er sich ins Fahrerhaus begibt und probeweise den Motor startet. Zurück in der Küche klopft der Kollege Lucien Ragondin (Camille Guérini) an die Scheibe und tritt auf Aufforderung Chapes zügig herein. Er beklagt sich, dass es mitten im Juni Nachtfrost habe, und als draußen ein weiterer Motor zu hören ist, erklärt Lucien, dass Pierrot (Marcel Bozzuffi), sein Sohn, den Renault starte. Als letzterer zu ihnen stößt, moniert ere, dass sein Vater ihren Kaffee habe überkochen lassen, weshalb die Mutter (Germaine Michel) aufgewacht und sich aufgeregt habe. Die drei Männer frühstücken, dann lotsen Lucien und Pierrot den Willème LD 610 mit Jean am Steuer aus dem Tor. Pierrot steigt zu ihm ins Fahrerhaus; die beiden machen sich auf den Weg in das von Montjoie 500 Kilometer entfernte Paris und Lucien startet den Renault. In einem Industriegebiet laden sie Europaletten. Um 9 Uhr 20 sind sie wieder unterwegs und Jean Chape äußert zuversichtlich, dass sie heute bis 17:00 Uhr in Paris eintreffen werden…

 

„Außergewöhnlicher Film Noir mit Jean Gabin und Jeanne Moreau“, heißt es im Werbetext vom Pidax Film- und Hörspielverlag in Anbetracht der Veröffentlichung dieses französischen Klassikers auf DVD (2017) unter seinem bundesdeutschen Fernsehtitel Straßensperre. Nun ist das Werk des französischen Routiniers Gilles Grangiers mit seiner grandiosen Besetzung zwar keinesfalls schlecht, aber zu einem Film Noir wird es erst nach über der Hälfte seiner Spielzeit. Wer nur ansatzweise eine ähnliche Qualität erwartet, wie der Meisterregisseur Jacques Becker sie unter Beteiligung Jean Gabins und Jeanne Moreaus mit Wenn es Nacht wird in Paris (FRA/ITA 1954), ebenso mit Gaby Basset und auch von Kameramann Pierre Montazel auf Zelluloid gebannt, unter Beweis stellte, wird leider enttäuscht. Dabei ist Jean Gabin als Lkw-Fahrer Jean Chape in Gas-Oil, seinerzeit auch in der Bundesrepublik und in der DDR der Kinotitel, einmal mehr großartig. Gabin hatte ein untrügliches Gespür für seine Landsleute und zwar vornehmlich für die einfachen und bodenständigen Gemüter. Ob als ein Bauer, als Matrose, als Polizeibeamter, als Lokomotivführer oder als Lkw-Fahrer, die Ikone französischen Kinos seiner Zeit enttäuscht im Grunde nie. Auch die anderen Darstellerinnen und Darsteller sind teils exzellent. Es gilt vor allem für Jeanne Moreau, Camille Guérini und Robert Dalban. Insofern hat die Verfilmung des Romans Du Raisin dans le Gas-Oil (EA 1954) aus der Feder von Georges Bayle, der seinezeit in Gallimards legendärer Série Noire erschien, einiges zu bieten. Doch die erste Begegnung mit den skrupellosen Gangstern, die fälschlicherweise argwöhnen, Jean Chape habe sich die Beute ihres brutalen Überfalls auf einen Geldtransport unter den Nagel gerissen, findet erst nach 48 Minuten statt. Bis dahin plätschert der Film geruhsam vor sich hin, denn das einerseits sorgfältige Porträt seines Kleinbürgermilieus übertritt anderserseits die Schwelle zur Langeweile.

 

 

In den letzten 30 Minuten legt der Film an Tempo und an Spannung zu. Auch der bis dahin stiefmütterlich behandelte, zweite Handlungsstrang über jene Gangster, die von ihrem Kumpanen Antoine Scoppo (François Darbon) übers Ohr gehauen wurden, erschließt sich in seinen Details. Weder ist jedoch das vorhersehbare, konservative Finale bemerkenswert noch der fast reaktionär biedere Schluss, der die zuvor selbstständige und emanzipierte Grundschullehrerin Alice (Jeanne Moreau) in der Rolle der Gattin und Hausfrau zeigt. Mit einem Altersunterschied von 24 Jahren überzeugen Gabin und Moreau als Liebespaar nicht, zumal Jean Chapes bester Freund Lucien Ragondin mit seinem Sohn Pierrot im gleichen Alter wie Alice wie kurz vor der Rente daherkommt. Es hapert trotz Besetzung und überzeugender Bildsprache also auch an der Zeichnung der Rollencharaktere. Demgegenüber kooperierten Gilles Grangier und Jean Gabin über die kommenden Jahre hinweg regelmäßig und legten vor allem mit dem Film Noir Die unheimlichen vier / Die Nacht bricht an (FRA 1957) ein deutlich besseres Werk als Gas-Oil vor. Letzteres ist kein Ärgernis, hat außer den oben genannten Qualitäten als Bestandteil der französischen Filmklassik aber nur einen begrenzten Stellenwert. 

 

Es gibt unterm nichtssagenden TV-Titel Straßensperre eine bild- und tontechnisch einwandfrei restaurierte Fassung des Films auf einer deutschen DVD (2017) vom Pidax Film- und Hörspielverlag und zwar ungekürzt und im Originalformat. Neben der deutschen Synchronisation gibt es die original französische Tonspur, leider ohne Untertitel, als Extras neben dem Kinotrailer wie immer bei Pidax einen beigelegten Nachdruck der Illustrierten Film-Bühne mit Text und Szenenfotos des Programmheftes.

 


Film Noir | 1955 | France | Gilles Grangier | Jean Gabin | Jean Lefebvre | Marcel Bozzuffi | Robert Dalban | Roger Hanin | Jeanne Moreau

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