Lloyd Nolan, Heather Angel, Doris Merrick, Ralph Byrd, Richard Lane
© Twentieth Century Fox Film Corporation
Los Angeles, Kalifornien: Privatdetektiv Michael Shayne (Lloyd Nolan) sitzt in seinem Büro auf der 758 South Mainstreet am Schreibtisch und telefoniert, die Schuhe mit den durchlöcherten Sohlen auf der Tischplatte. Myrle Davis (Heather Angel), Sekretärin der reichen Witwe Murdock (Ethel Griffies), möchte für ihre Arbeitgeberin einige Referenzen Shaynes eruieren, und jener sucht wahllos Visitenkarten von seinem Schreibtisch, denen er Ehrentitel andichtet. Schließlich erhält der Privatdetektiv für den kommenden Vormittag um 10:00 Uhr in der Villa der Murdocks einen Termin. Dort erscheint er eine dreiviertel Stunde zu früh. Mrs. Murdock sitzt beim reichhaltigen Frühstück im Salon, aber der gepflegt aussehende Shayne mit dem losen Mundwerk nötigt ihr Respekt ab, so nimmt sie ihn in ihre Dienste. Ihr verstorbener Ehemann hinterließ ihr eine Münzsammlung, von denen die wertvolle Brasher Doubloon entwendet wurde. Mrs. Murdock beschuldigt Nachtclubsängern Linda Conquest (Doris Merrick), die ihr Tunichtgut von einem Sohn namens Leslie (James Seay) vor einem Jahr gegen ihren Willen ehelichte. Seit letzter Woche ist Linda verschwunden, und Mrs. Murdock wünscht, dass Michael Shayne sie aufspürt, die Dublone ins Haus Murdock zurückbringt und eine Scheidung Lindas und Leslies arrangiert, die sie selbst nichts kostet. Der Pribatdetektiv versucht zu pokern und verlangt 5000 US-Dollar Honorar für den Fall. Mrs. Murdock bleibt hart und er verlässt das Haus mit einem Scheck über 500…
"Oh, you're not quite what I expected, Mr. Shayne.” Der letzte aus einer Serie von sieben zwischen 1940 und 1942 entstandenen Spielfilmen der Twentieth Century Fox Film Corp. um den von Lloyd Nolan verkörperten Privatdetektiv Michael Shayne entstand nicht auf der Grundlage eines Romans seines ursprünglichen Autors Brett Halliday. Das ist per se schon bemerkenswert, wird aber im Kontext des Film Noirs besonders relevant, insofern es sich bei Time To Kill tatsächlich um die erste Verfilmung eines Kriminalromans von Raymond Chandler handelt, genaugenommen um dessen The High Window (EA 1942, auf Deutsch 1958 als Das hohe Fenster), darin der Privatdetektiv niemand anders als Philip Marlowe ist. Sowohl US-Autor Raymond Chandler als auch seinem “Private Eye“ Philip Marlowe werden für den Film Noir der 40er Jahre eine Schlüsselrolle zugeschrieben. Allerdings gab es in der Hundertschaft von Produktionen, die man heute der klassischen Ära des Film Noirs zurechnet, nur vier Adaptionen solcher Chandler-Romane mit dessen berühmtem Detektiv – Edward Dmytryks Murder, My Sweet (USA 1944), Howard Hawks‘ Tote schlafen fest (USA 1946), Robert Montgomerys Lady In The Lake (USA 1946) und John Brahms The Brasher Doubloon / The High Window (USA 1947). Die letzten beiden entstanden, nachdem sich die Verkörperungen Philip Marlowes durch Dick Powell und durch Humphrey Bogart als erfolgreich erwiesen hatten. Diese Produktionen mit jeweils Robert Montgomery und mit George Montgomery in der Hauptrolle floppten jedoch, so dass erst Paul Bogarts Der Dritte im Hinterhalt (USA 1969) Chandlers Privatdetektiv wieder ins Kino brachte. In Herbert I. Leeds‘ Time To Kill setzte Lloyd Nolan die Saga um den P.I. Michael Shayne fort, entfernte sich mitunter aber von dem braven und gesetzestreuen Ordnungshüter ohne Uniform, den er seit Michael Shayne: Private Detective (USA 1940) verkörpert hatte. Denn Shayne agiert wie Shayne und spricht wie… Philip Marlowe: “You see, my mama told me never to trust a beautiful woman any further than I could throw her, and I don't know how far that is now.”
© Twentieth Century Fox Film Corporation
Trotz Beteiligung Lloyd Nolans in der Hautrolle sind die Kriminalfilme um den Privatdetektiv Michael Shayne aus jener Zeit eine fade Angelegenheit. Daran ändert auch Time To Kill wenig, insofern es nicht Philip Marlowe ist und auch nicht sein soll, der hier agiert. Beizeiten blitzt der Sarkasmus‘ Chandlers zwar auf, aber im Ganzen ist man um Anpassung des Philip-Marlowe- Romans an die Brett-Halliday-Figur Michael Shayne bemüht. Im Jahr zuvor hatte die Twentieth Century Fox Film Corp. mit H. Bruce Humberstones I Wake Up Screaming / Hot Spot (USA 1941) einen herausragenden Film Noir abgeliefert. Dass man die Michael-Shayne-Filme nach Time To Kill einstellte, erscheint konsequent: die Kameraarbeit bleibt ohne Finesse, die Regie zeigt keine Handschrift, das Niveau des Humors ist dämlich. Und trotz guter Nebendarsteller im Ensemble um Nolan – Doris Merrick, Morris Ankrum, Ethel Griffies – bleiben Spannung und eine pointierte Zeichnung der Figuren auf der Strecke. Das Filmstudio hatte die Rechte an der Adaption für 3.500 US-Dollar von Raymond Chandler erworben und verfilmte das Werk, wie oben angemerkt, als The Brasher Doubloon / The High Window (USA 1947) noch einmal – mit John Brahm als Regisseur und mit George Montgomery als Philip Marlowe. Leider blieb auch die zweite Adaption blass und mittelprächtig. In den Jahren 1946 und 1947 brachte das Powerty-Row-Studio PRC (Producers Releasing Corporation) fünf Spielfilme mit Hugh Beaumont als Privatdetektiv Michael Shayne - allesamt 08/15 und weit weg vom Film Noir.
Als Michael Shayne Mysteries Volume One veröffentlichte die Twentieth Century Fox Film Corp. eine bild-und tontechnisch exzellent restauriert 2-DVD-Box (2007, USA) im Pappschuber und inklusive Booklet. Die enthaltenen vier Filme sind ungekürzt im Originalformat und mit Extras versehen: Michael Shayne, Private Detective (USA 1940), Sleepers West (USA 1941), Blue, White and Perfect (USA 1942) und The Man Who Wouldn't Die (USA 1942). Eine Fortsetzung der ersten Box mit den fehlenden drei Werken um Michael Shayne folgte aber nicht. Von Time To Kill gibt es bis heute (2022) weltweit keine BD- oder DVD-Edition. Online steht das werk mitunter in einer bild- und tontechnisch unterdurchschnittlichen Fassung mit dem Originalton ohne Untertitel, ungekürzt und im korrekten Bildformat zur Verfügung.