Hafenmelodie

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
Hafenmelodie
Kategorie
Film Noir
Land
GER
Erscheinungsjahr
1949
Darsteller

Kirsten Heiberg, Paul Henckels, Catja Görna, Heinz Engelmann, Wolfgang Lukschy

Regie
Hans Müller
Farbe
s/w
Laufzeit
95 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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© Verlag für Filmschriften Christian Unucka

Die Speicherstadt im Hamburger Hafen: An einem nasskalten und nebligen Novemnberabend macht der alte Jansen (Paul Henckels) seine Runde und prüft als dessen Verwalter an dem großen, mit seinem Wohnhaus verbundenen Lagergebäude die Schlösser. Dass er dabei von dem Ganoven Jan (Peter Mosbacher) aus der Bande des Gangsters Bulli (Arno Assmann) beobachtet wird, bemerkt er allerdings nicht. Mit Wehmut sieht Jansen einen Laternenumzug von singenden Kindern die Straße entlang prozessieren und hilft einem Jungen, seine Kerze zu entzünden. Er trifft auf den Wachtmeister (Arnold Risch), der hier seine Runde macht und Jansen erwähnt, dass es nun zum achtzehnten Mal Herbst geworden sei, seit sein Sohn Klaas das Weite gesucht habe… Indessen trifft sich Jan vor Jansens Haus mit dessen Tochter Inge (Catja Görna), 21 Jahre alt, die seit einiger Zeit ein Techtelmechtel mit ihm unterhält. Als er heute versucht sie zu küssen und sich womöglich mit ihr ins Haus zu schleichen, kehrt der Alte früher als erwartet vom Rundgang zurück. Jan ist darüber erstaunt, weiß er doch, dass heute Abend ein Frachtschiff aus Australien im Hafen eingelaufen sei. Der alte Jansen geht davon aus, dass sein Sohn Klaass während des Weltkriegs in einem Internierungslager in Australien festgehalten wurde, und mit jedem von dort kommenden Schiff kehren stets mehrere inzwischen Freigelassene in ihre Heimat zurück. Auf dem eingelaufenen Frachter, so Jan zu Inge, seien wieder Internierte dabei, und so eilt die Tochter ins Haus…

 

“However, there was a postwar German film noir in the 1940s and 1950s that can be retrospectively defined, (…) which was haunted by the past, uncomfortable about the present, and harbored fears about the future”, schreibt Andrew Spicer in seinem Historical Dictionary of Film Noir (EA 2010), um im Anschluss als einen der signifikanten Beiträge der Zeit auch Hans Müllers Hafenmelodie zu nennen. Tatsächlich weist der Einstieg weit über den 08/15-Titel des Werks hinaus und bietet einen starken Auftakt und zwar erstmal durch die bestechende Atmosphäre in der nächtlichen Speicherstadt, wo an diesem Novemberabend die Kinder in einer Prozession das Martinssingen praktizieren und mit ihren Lampions durch die dunstig-feuchten Gassen ziehen. Sogleich im Anschluss ist es die Baltimore betitelte Hafenbar von gewaltigen Ausmaßen, wo die Eigentümerin Marietta (Kirsten Heiberg ) die vom Schnaps und ihrer Wehmut berauschten Matrosen und Landratten mit Gassenhauern und Geschichten unterhält, die ihrer Verlorenheit und Trauer einen Spiegel vorhalten. Und Vater Jansen, der alte Speicherverwalter mit seiner über das Verschwinden des Sohnes von Schuld und Gram zerfurchten Mine ist unter den vielen in dieser Halle irdischer Tröstungen wohl der Einsamste. Kirsten Heiberg, Paul Henckels, Peter Mosbacher und Arno Assmann als skrupelloser Gauner Bulli können sofort und über die gesamte Strecke des Films überzeugen. Sie hauchen ihren Figuren mit Schwung und mit Finesse Leben ein und bringen das Milieu, das der Film im Hamburger Hafen als seines auserkoren hat, zum Leuchten. Atmosphärisch gelingt Hans Müller auf jeden Fall, seine Zuschauer bei der Stange zu halten. Auch seine Dramaturgie ist großteils präzise: mit Voranschreiten der Handlung gewinnt sie an Zugkraft und Konfliktstoff. Leider sind von vornherein einige Schwächen angelegt, die in dem überlangen, pathetisch aufgeladenen Finale dann zum Tragen kommen.

 

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Das zentrale Problem ist für mich Heinz Engelmann in der Rolle des wegen Mordverdachts untergetauchten Heinrich Osthaus‘, der sich mit Aussicht auf neue Personalpapiere und eine neue Identität dazu verleiten lässt in die Rolle des verschwundenen Klaas Jansens zu schlüpfen. Engelmann ist kein schlechter Schauspieler, aber ähnlich wie James Garner in Delbert Mans Gesicht ohne Namen (USA 1966) ist er von der Herausforderung, die mit dem Jonglieren verschiedener Figuren und deren Rollenverständnis verbunden ist, sichtlich überfordert. Er müht sich ab, doch das Ergebnis bleibt für den Zuschauer fast notgedrungen unbefriedigend, zumal die im Nu sich anbahnende Liebelei mit seiner vermeintlichen Schwester Inge in ihrer Vorhersehbarkeit klischeehaft wirkt. Letztere ist auch daran geknüpt, dass der artig gescheitelte Heinrich im Strickpullover, der im Baltimore als Beleuchter untertauchte, keine Chemie mit der glamourösen Marietta entwickelt, demgegenüber wir glauben sollen, er sei ihre große Liebe. Es ist bedauerlich, dass der Film hier derghestalt holprig wirkt und in seinem Finale, wenn der wahre Klaas Jansen (Wolfgang Lukschy) seinem Vater das Leben zu retten versucht, einfach zu dick aufträgt, um das bis dahin schnörkellose und düstere Drama zum Abnschluss zu bringen. Mit exzellenter Kameraarbeit von Willy Winterstein und den bereits genannten Qualitäten ist Hafenmelodie für Freunde des europäischen Film Noirs und für Cineasten im allgemeinen keine üble Wahl, im Gegenteil, doch eine verlorene Perle des hiesigen Film Noirs ist er sicher nicht.

 

Es gibt von dem obskuren Werk eine gute DVD-Edition (2016) aus dem Filmverlag Fernsehjuwelen in Kooperation mit der Icestorm Entertainment GmbH, die den Film ungekürzt im Originalformat präsentiert, bild- und tontechnisch grundsolide und nur mit leichten Schwächen, inklusive des deutschen Originaltons ohne jedwede Untertitel und auch ohne Extras.

 


Film Noir | 1949 | International | Hans Müller | Heinz Engelmann | Peter Mosbacher

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