Ende einer Reise, Das

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
The Interrupted Journey
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1949
Darsteller

Valerie Hobson, Richard Todd, Christine Norden, Tom Walls, Alexander Gauge

Regie
Daniel Birt
Farbe
s/w
Laufzeit
80 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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London am Abend: Vor dem Haus seines Verlegers Jerves Wilding (Alexander Gauge) wartet der Autor John North (Richard Todd), bis jener es verlassen hat. Kurz darauf tritt Wildings Ehefrau Susan (Christine Norden) mit einem Koffer aus der Tür und trifft John in der Unterführung, deren Dunkel ihn vor Entdeckung schützt. Die beiden eilen davon, aber als sie ein Taxi besteigen, bemerkt North, dass ihnen ein Mann im Regenmantel offensichtlich folgt. John und Susan sind auf dem Weg zum Bahnhof in Paddington. Als Liebespaar wollen sie ihre Partner verlassen und in Plymouth gemeinsam ein neues Leben beginnen. Susan hat Jerves noch nichts davon erzählt, denn jener hätte ihr womöglich Gewalt angetan. John North hat es ebenfalls nicht vermocht, seiner Frau Carol (Valerie Hobson) die Ehe aufzukündigen. In der Manteltasche trägt er einen Brief, der das bewerkstelligen soll und den er jetzt abschicken will. Am Bahnhof haben die beiden noch 10 Minuten Zeit. Sie trinken Tee in der Bar und bestellen zwei Rock Cakes, die ihnen die Kellnerin (Dora Bryan) in unnachahmlicher Weise aufnötigt. Nur zögernd steckt North den Brief in den Postkasten und wieder glaubt er, den Mann im Regenmantel zu sehen. Dann besteigen sie ihren Zug in ein Leben, das im Danvers Hotel beginnen soll, wo sie auf Kenny, den Mädchennamen von North’s Großmutter, angemeldet sind. Aber im Abteil kommen in John die Erinnerungen hoch. Wie ihn Carol heute Morgen inständig darum bat, endlich eine Anstellung anzunehmen…

 

”It is the last time I start a new life from Paddington station.“ Trotz eines geringen Budgets gelingt es dem Regisseur Daniel Birt mittels einer effektiven Inszenierung und dank der beteiligten Schauspieler sowie der teils überragenden Kameraarbeit Erwin Hilliers (Jim Ackland unter Mordverdacht / Zwielicht, UK 1947) einen Film Noir zu präsentieren, der aus dem Zeitkontext hervorsticht und in Erinnerung bleibt. Indessen wurde Das Ende einer Reise aus dem Langzeitgedächtnis der Filmhistorie nahezu gestrichen und ist zu Unrecht in Vergessenheit geraten. Die Art, wie der notorisch erfolglose Schriftsteller John North durch seinen einzigen, obendrein nur zögernd getätigten und sogleich revidierten Schitt vom Weg ab in einen Strudel der Ereignisse gerät, die ihn stets als Schuldigen brandmarken, ist bemerkenswert extrem. Solches geht im Verlauf der Filmhandlung zwar zu Lasten der Glaubwürdigkeit, erweist sich aber als enorm unterhaltsam und als zunehmend spannend. Richard Todd hat eine exzellente Chemie mit Valerie Hobson, die ihrerseits unter Beweis stellt, warum sie als eine der besten Schauspielerinnen Englands galt. Zudem ist es Erwin Hillier, dessen Kamera dem Finale eine Bildsprache angedeihen lässt, die jedem US-Film-Noir der Zeit zur Zierde gereicht hätte. Nur das Ende enttäuscht und tut es in einer Weise, wie sie auch für andere Film Noirs jener Jahre typisch ist. Die Enttäuschung wurzelt darin, dass solches Ende vorherige Entwicklungen neutralisiert und die Erzählung im Ganzen demoliert. Zuletzt erweisen sich einige Einflüsse als offensichtlich, so etwa der durch Fritz Langs Gefährliche Begegnung / Der Erpresser (USA 1944) oder auch der durch Arthur D. Ripleys The Chase (USA 1946). Ebenso wie Das Ende einer Reise sind solche Werke faszinierend und ebenso sind sie inkonsequent.

 

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Michael Pertwee, Autor der Erzählung und des Drehbuchs, bringt hier manches zur Sprache, dessen Relevanz ungebrochen ist. Seine Erfolglosigkeit führt John North geradewegs in einen Rollenkonflikt. Weder gegenüber den Herren der britischen Gesellschaft noch gegenüber der eigenen Frau kann er sich inzwischen behaupten. John North macht deutlich, dass das bürgerliche Glück eines gewöhnlichen Arbeitnehmers nicht das seine wird, da es sein Leben als Autor beendete. Die Toleranz seitens Susan Wildings und ihre unverblümte Attraktivität scheinen einen Ausweg zu weisen – zumindest aus dem Einerlei einer inzwischen als fade erlebten Ehe, Spiegel seines Misserfolgs. Als Susan im Zug beiläufig erwähnt, dass John jetzt natürlich arbeiten müsse, um sie beide zu versorgen, begreift der Zuschauer sofort, dass hier das Wort als Geschoss solches Glashaus, darin John North sich platziert, zum Einsturz bringen muss. Doch zu guter Letzt liefert North sich dem Mittelmaß und dem Einerlei, das ihn als braven Ehemann und Musterbürger erwartet, frohgemut aus und sieht sich erst dadurch von Dämonen der Vergangenheit vollends befreit. Obwohl gemäß den Produktionsbedingungen seiner Zeit der Film natürlich das Censor’s Board passieren musste, stünden ihm damit nur drei Sterne zu – streng genommen. Aber mit Das Ende einer Reise fällt mir schwer so streng ins Gericht zu gehen. Zu vieles an diesem Film Noir ist für den Cineasten dann doch ein Faszinosum, wie Dan Stumpf für Mystery*File hervorhebt, nämlicha finely-honed paranoid nightmare (…) produced with that quiet, comfortable, sumptuous care typical of post-war British films at their best.”

 

Eine spanische DVD-Edition (2010) unterm Titel A Mitad de Camino bringt den britischen Klassiker, heute scheinbar in der Public Domain, ebenso wie eine US-Veröffentlichung als The Interrupted Journey in bescheidener Bild- und Tonqualität, ungekürzt im Originalformat, wahlweise den englischen oder spanischen Ton, optional spanische Untertitel, keine Extras. Definitiv ein Anwärter auf eine umfassende Restauration!

 


Film Noir | 1949 | UK | Daniel Birt | Richard Todd | Christine Norden | Valerie Hobson

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