Hans Albers, Hildegard Knef, Lucie Mannheim, Marius Goring, Heinrich Gretler
Fernfahrer Werner Schlüter (Hans Albers) aus München-Grünwald ist deutlich jenseits der 50. Heute hat seine Tochter Lieschen (Karin Andersen) ihren Hans Brunnhuber (Peter Martin Urtel) geheiratet. Folglich wundert sich Spediteur Carl Falk (Heinrich Gretler), als Schlüter mit seinem Lastwagen an der Tankstelle vorfährt. Doch jener erklärt ihm, das junge Paar sei schon an den Bodensee in die Flittwerwochen… Als er später durch die Dunkelheit fährt, erinnert sich Werner Schlüter, der aus Neigung und wegen der Kosten ohne Beifahrer bleibt, wie er am Morgen mit seiner Frau Anna (Lucie Mannheim) der Trauung beiwohnte. Wie seine 21jährige Tochter von dem Herrn mit Brille ins eigene Glück abgeholt wurde, nachdem sie sie so lange aufgezogen hatten, so viele Jahre. Und auch an den Moment des Abschieds muss er denken, als Anna die Tränen kamen und Lieschen sich nochmals in seine Arme warf. In ihrem leeren Zimmer fand Schlüter dann jene Puppe, die jetzt von seinem Innenspiegel hängt. Der Regen hat inwischen aufgehört und mit Hupen überholt in einem geradezu waghalsigen Manöver auf einem engen Straßenstück ein Cabriolet, so dass Schlüter laut fluchen muss. Es dauert nicht lange, da erreicht er den Wagen wieder - er hat sich überschlagen. Der Fahrer wurde heraus geschleudert und liegt tot auf dem Asphalt. Neben seiner Aktentasche, aus der eine Pistole ragt, findet Schlüter einen Umschlag mit 20.000 Mark. Als der nächste Wagen sichtbar wird, steckt er das Geld rasch in die Brusttasche seiner Lederjacke…
„Mit viel Zuneigung zu seinen genau gezeichneten Figuren und einem wachen Blick für anschauliche Details malt »Nachts auf den Straßen« ein noirisch angehauchtes Sittenbild des beginnenden Wirtschaftswunders“, schreibt Sebastian Schubert für sein KinoTageBuch. Genau so ist es. Nach einem Drehbuch Helmut Käutners und Fritz Rotters und mit dem damals seit 30 Jahren aktiven Veteranen Václav Vich (Der Verlorene, GER 1951) als Kameramann gelingt Rudolf Jugert mit seinen Akteuren Hans Albers, Hildegard Knef und Marius Goring ein Ausnahmefilm westdeutschen Filmschaffens der frühen Fünfziger. Im Spannungsfeld zwischen „Freiwilliger Selbstkontrolle“, also den moralinsauren Erfordernissen der Unterhaltungsindustrie, und jenen Verführungen, die bei Schlüter erst den einen und dann einen zweiten Schrit vom Weg ab provozieren, gelingt es dem Autor Käutner und seinem Regisseur Jugert, niemals hausbacken oder engstirnig zu wirken. Damit unterscheidet sich Nachts auf den Straßen deutlich von anderen Werken seiner Zeit. Diebstahl, Drogensucht und Ehebruch werden mit einer geradezu bemerkenswert zeitlosen Nonchalance behandelt, die bestenfalls in einigen englischen Filmen jener Jahre und zum Ende der 50er in der französischen Nouvelle Vague anzutreffen sind. Tatsächlich wirkt der Film zu Teilen von André de Toths Film Noir Pitfall (USA 1948) beeinflusst, der in Deutschland nie im Kino lief, und auch Michael Curtiz’ Menschenschmuggel (USA 1950) oder Byron Haskins Der blonde Tiger (USA 1948) sind mit einigen Motiven vertreten. Die ungeschminkte Inszenierung mit ihrem oft zeitkritischen Unterton und die ungewöhnliche Zurückhaltung des Hauptdarstellers Hans Albers, der seine Figur tatsächlich mit viel Einfühlungsvermögen ausstattet, bieten eine solide Basis für die im letzten Viertel leider vorhersehbare Handlungsentwicklung. Hier muss die Freizügigkeit wieder ins kleinbürgerliche Korsett jenes Menschen- und Gesellschaftsbilds der Bundesepublik Deutschland unter Konrad Adenauer rückgeführt werden. Also kehrt der Familienvater reumütig zurück zu Heim, Herd und Patoffeln, die Schmuggler ereilt die ihnen gemäße Strafe.
„Du hast mir ausdrücklich versprochen, du rührst keine Marihuana mehr an.“ Die Darstellung der Wirkung von Marihuana und das Reden darüber ist ein zeittypischer Mumpitz. Doch wie die damals 25jährige Hildegard Knef als Inge Hofmann den Fernfahrer Schlüter - Hans Albers war bereits 60 Jahre alt - um den Finger wickelt, ist nahezu perfekt inszeniert. Nachts auf den Straßen wurde 1953 in drei Kategorien mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet, unter anderem als bester Spielfilm, daüberhinaus mit Fritz Rotter und Helmut Käutner als beste Drehbuchautoren und mit Rudolf Jugert als bestem Regisseur. Heute ist der Film außer in Filmlexika, wo er gern lobend erwähnt wird, quasi nicht existent. Es gibt keine BD oder DVD, nicht einmal ein VHS-Video des Klassikers, der in Online-Foren in bild- und tontechnisch exzellenten Fassungen mit englischen Untertiteln als The Mistress kursiert, was der Titel des 1957 auch in den USA zur Aufführung gekommenen Films ist. Nachts auf den Straßen ist kein Meisterwerk, dazu ist sein Schluss viel zu konventionell, doch allemal ein Film, den zu entdecken sich für den Freund (nicht nur) des europäischen Film Noirs lohnt.
Weltweit gibt es bis heute keine BD, keine DVD und auch kein VHS-Video des Films, der ab und zu von einerm Fernsehsender ausgestrahlt wird und in diversen Online-Foren kursiert.
Fantastischer Film: Nachts auf den Straßen
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Entschuldigen Sie bitte zunächst mein vielleicht verstümmeltes Deutsch, da ich nur Englisch spreche. Ich musste Google Translate verwenden, um diesen Kommentar in Deutsch umzuwandeln. Ich bin kürzlich auf YouTube auf diesen Film gestoßen, als ich nach schwer zu findenden Marius-Göring-Filmen gesucht habe (ich bin ein großer Fan von ihm). Zum Glück hatte es englische Untertitel. Nachdem ich es jetzt schon mehrere Male gesehen habe, lerne ich immer mehr Deutsch und werde mir die Sprache selbst beibringen. Ich liebe diesen Film! Das Schauspiel, das Drehbuch, die Kinofotografie sind erstklassig. Ich war, wie Sie in Ihrer Rezension festgestellt haben, überrascht von der "nonchalenz", mit der Drogen gezeigt werden. Marius ist "stoned", als wir ihn zum ersten Mal sehen! Da ich es gewohnt bin, britische oder amerikanische Filme aus der gleichen Zeit zu sehen, kann ich mich nicht erinnern, jemals einen Filmstar so gesehen zu haben. Betrunken, ja, aber nicht komplett stoned! Ein weiterer Bonus (für mich jedenfalls) war, Marius Klavier spielen und "Schwarzen Kaffee" singen zu sehen. Ich singe das Lied jetzt die ganze Zeit für mich. Ich werde auch nach weiteren Filmen mit Hans Albers suchen. Dieser Film ist ein absoluter Genuss!