Neo Noir
| USA
| 1990
| Jim Thompson
| James Foley
| Bruce Dern
| Jason Patric
| Mike Hagerty
| Rachel Ward
Bewertung
*****
Originaltitel
After Dark, My Sweet
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1990
Darsteller
Jason Patric, Rachel Ward, Bruce Dern, George Dickerson, Rocky Giordani
Regie
James Foley
Farbe
Farbe
Laufzeit
114 min
Bildformat
Widescreen
Der ehemalige Profiboxer Kevin „Kid“ Collins (Jason Patric) ist aus einer Nervenheilanstalt ausgebrochen und driftet im glutheißen Süden Kaliforniens durch die in der Wüste gelegen Dörfer. Seine wenigen Habseligkeiten hat er in einer Papiertüte und pleite ist er auch nahezu, als er in einer Bar vor einem kühlen Bier sitzt und ein Gespräch mit Bert (Rocky Giordani), dem Barkeeper, anzufangen sucht. Doch der Mann ist schweigsam, bis die junge Witwe Fay Anderson (Rachel Ward) in Hot Pants und mit Strohhut zur Tür hereinkommt, sich gleichfalls an den Tresen hockt und ein Glas Wein bestellt. Die beiden machen sich auf Kosten des scheinbar naiven Fremden lustig, bis Bert Kid Collins vor die Tür zu setzen sucht und einen Schlag auf die Nase bekommt, der ihn sofort schachmatt setzt. Draußen auf der Straße hält kurz darauf Fay in ihrem Wagen neben Collins und lädt ihn zu sich nach Haus, in ihren einsam gelegenen Bungalow ein. Die hübsche Frau ist offenbar dem Alkohol verfallen, doch bietet sie an, dass ihr Collins als Hilfsarbeiter auf einer Palmenplantage zur Hand geht, die nahezu verdorrt ist und ausgebessert gehört. Indessen hält vor dem Haus ein Auto und Fay Anderson unterhält sich kurz mit Garrett „Onkel Bud“ Stoker (Bruce Dern), der neugierig einen Blick auf Collins zu erhaschen sucht, doch nicht ins Haus kommt. Nachdem sie Kid Collins einen Wohnwagen auf der Plantage als dessen Heimstatt gezeigt hat, besuchen die beiden ein Lokal in der Stadt, wo sich bei ihrem ersten Tanz auch prompt Onkel Bud, der dubiose Bekannte der Frau, einstellt und Collins in ein Gespräch zieht…
Was geruhsam klingt, ist von Anbeginn derart voller Spannungen, dass der aufmerksame Zuschauer schnell in deren Bann gezogen wird. James Foleys Neo Noir zählt zu den wenigen werkgetreuen Adaptionen der harten Romane Jim Thompsons und zu den eigenwilligsten Beiträgen zum Neo Noir überhaupt. Dabei ist genau dieser Film, der wie John Dahls Red Rock West (USA 1993) oder Blood Simple - Eine mörderische Nacht (USA 1984) von den Coen-Brüdern außerhalb der Großstadt spielt, ein Film Noir, wie er dunkler kaum sein könnte. Was das Trio der Darsteller Jason Patric, Bruce Dern und Rachel Ward zelebriert, ist ein nachtschwarzes Kammerspiel höchster Güte – ein so erotisches wie mörderisches Karussell von Emotionen, deren Ursprung und Ziele nicht immer ersichtlich sind. So kommt es, dass vor allem auch der Zuschauer ruckzuck in ein Katz-und-Maus-Spiel hinein gezogen wird. Dessen Dreh- und Angelpunkt ist der Irrtum. Selten in einem Film, den britischen Film Noir Flüsternde Schatten (UK 1958) ausgenommen, ist der Zuschauer derart lange auf der falschen Fährte unterwegs und in einem künstlichen Fieber befangen, das wie eine Fehldiagnose anmutet. James Foleys After Dark, My Sweet ist perfide, gleichwohl der erfahrene Film-Noir-Freund die Verunsicherung durch vielschichtig trügerische Konstruktionen der Wirklichkeit längst kennt. Niemand ist, der oder die zu sein er oder sie vorgegeben hat. Folglich ist Misstrauen der Grundton jedes Zuges auf dem Spielfeld seiner oder ihrer Verbindlichkeiten. Solche Prämisse reizt sowohl Thompson, der Autor, als auch Foley, der Regisseur, in ungeahnter Weise aus.
Nun scheitern viele Filme an der Umsetzung – After Dark, My Sweet in keiner Minute. Von den exzellenten Darstellern, die jede/r für sich und im Ensemble zu überzeugen wissen, über die hervorragende Fotografie durch Kameramann Mark Plummer (Albino Alligator, 1996) bis hin zum pointierten Schnitt und die trotz 114 Minuten Spielzeit (US-Version auf DVD) straffe Dramaturgie dank Foley selbst ist nichts zu bemängeln. Auch Nebenrollen wie jene Doc Goldmans, porträtiert von George Dickerson, und James Cotton als der junge Charlie, sind hervorragend besetzt. Fehlt auch die Großstadt und ihre hoch hinaus, tief hinab wuchernde Anonymität der Vielen, ist im Kontrast die sonnige Leere der Wüstenregion von einer Tristesse, die das rege Bemühen der drei in die Vergeblichkeit zu senken sucht. Die Erzählerstimme aus dem Off, das für den klassischen Film Noir so signifikante Stilmittel, weiß davon zu berichten – vom Ende des Willens und des Wollens im Angesicht eines der Sinnlosigkeit anheim fallenden Schicksals. After Dark, My Sweet ist ein großartiger Neo Noir, der 2002 in den USA als DVD erschien, und seit nunmehr 10 Jahren in Europa nicht. 1990 (fast) vollends ignoriert, erwarb sich der Film in den USA über zwei Jahrzehnte eine Fangemeinde. Es ist Zeit, dass er hierzulande (wieder)entdeckt und gewürdigt wird.
Erstklassige DVD von Artisan Home Entertainment, USA, aus dem Jahr 2002, die natürlich Regionalcode 1 hat, d.h. in Europa nur auf codefree geschalteten DVD-Spielern abspielbar: ungekürzte Spielzeit im Originalformat, bildtechnisch topp und mit original englischem Ton ohne Untertitel. Extras gibt es leider nicht.