Raging Tide, The

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Bewertung
***
Originaltitel
The Raging Tide
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1951
Darsteller

Shelley Winters, Richard Conte, Stephen McNally, Charles Bickford, Alex Nicol

Regie
George Sherman
Farbe
s/w
Laufzeit
93 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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© Universal-International Pictures Inc.

San Francisco, Kalifornien: Im gegenüber von Pier 5 am Embarcadero im Hafen gelegenen Firmensitz von Prince Enterprises erschießt Gangster Bruno Felkin (Richard Conte) heute Abend seinen Widersacher Marty Prince. Er nimmt das Bürotelefon zur Hand, ruft bei der Mordkommission der städtischen Polizei an und zeigt das Verbrechen selbst an, ohne seine Identität preiszugeben. Auf der Straße verfällt er in einen Laufschritt und rennt durch die nächtlichen, menschenleeren Gassen rund um den langgestreckten Hafen. Inzwischen lässt sich im Büro der Mordkommission Lieutenant Kelsey (Stephen McNally) die Schuhe putzen, während ,man ihm telefonisch die exakte Uhrzeit jenes Anrufs mitteilt, der den Tod von Marty Prince meldete. Kelsey ordnet an die Brücken und den Highway 101 zu sperren und kann sicher sein, dass der Täter, wie er anmerkt, nun wie eine Fliege in der Flasche gefangen ist. Er bestellt zwei Streifenwagen zum Tatort, ergreift Hut und Mantel, bevor er sich selbst auf den Weg macht… Bruno Felkin läuft und läuft über den im Neonschein nass glänzenden Asphalt. Die Polizei weiß, dass er kein Auto hat. Wenn er es in sieben Minuten von Prince Enterprises zu Connie Thatchers (Shelley Winters) Wohnung schaffte, wäre das ein fast lückenloses Alibi. Als er für Sekunden pausieren muss, wird er vom alten Seebär Corky Mullins (John McIntire) beobachtet, der mit seiner Hündin noch einen Spaziergang unternimmt. Felkin rennt weiter und kommt nach über sechseinhalb Minuten endlich bei Connies Apartmenthaus an…

 

Ich will nicht wirklich darüber sinnieren, welcher Filmklassiker das Maximum an Unglaubwürdigkeit in seiner Handlungsentwicklung abbildet, vergleicht man ihn mit seinesgleichen. Nach meinem Dafürhalten kommt George Shermans The Raging Tide einem solchen Maximum jedoch sehr nahe. Ein Gangster, der für einen Mord einen minutengenauen Plan ausheckte, stellt bei dessen Ausführung fest, dass seine Freundin genau an dem Abend nicht Zuhause ist, dabei sollte sie sein Alibi sein... Hm, so ein Pech. Das ist aber dumm gelaufen! Und genau solcher Bruno Felkin, der eben einen Widersacher eiskalt über den Haufen schoss, entdeckt auf hoher See seine Liebe zu Natur und zur Fischerei und lässt seine illegalen Geschäftsaktivitäten vom Sohnemann (Alex Nicol) des Fischers Hamil Linder (Charles Bickford) verwalten, den er wie einen Vater lieben lernt. Ein Unbekannter, nämlich jener Sohn des Fischers namens Carl, betritt die Wohnung einer jungen Frau, ihrerseits Geliebte des Gangsters, und wird beim Versuch sie zu küssen noch in der Minute seines Eintritts handgreiflich. Später verliebt sich die Frau in solchen Mistkerl, der seinerseits eine Läuterung erfährt und nun ein bieder-bürgerliches Leben anstrebt. Es ist ohnehin die Kernbotschaft des Films: lauter verirrte Seelen, potentiell einem kriminellen Leben zugeneigt oder mit einem Fuß darin gefangen, suchen aus eigener Kraft Teil der bürgerlichen US-Gesellschaft und fortan in traditionellen Rollenmodellen glücklich zu werden. Warum? Keine Ahnung! Sie verraten es nicht. Doch als zu guter Letzt die einst resolute Gangsterbraut ihrem Ehemann in spe das Butterbrot über die Reling reichte und Arm in Arm mit ihrem künftigen Schwiegervater vom Pier aus Winke-Winke machte, sank zumindest mir das Kinn auf die Brust. In Sachen Vorhersehbarkeit ist dieses Rührstück aus der McCarthy-Ära nicht zu unterbieten. Ein Film Noir? Nein. Nur in den ersten 15 Minuten ist solches Werk, das im Jahr 2022 via Kino Lorber in einer exzellent restaurierten Fassung auf Blu-ray disc erschien, tatsächlich ein Film Noir. Und zwar wegen der wunderbaren Arbeit des Kameramanns Russell Metty (Im Zeichen des Bösen, USA 1958) und wegen der Schauplätze in San Franciscos menschenleerem Hafen bei Nacht.

 

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© Universal-International Pictures Inc.

“You’re an old-looking 23“, bemerkt Police Lieutenant Kelsey gegenüber Connie Thatcher, als sie ihr Alter angibt. Das ist kein Wunder, denn Winters war zu dem Zeitpunkt bereits 30 und ihre Frisur lässt sie wie Mitte 40 aussehen. Sie war eine großartige Schauspielerin, doch Universal-International Pictures Inc. hatte immer nur die eine Standardrolle für sie: jene aufgrund ihrer Naivität unter die Räder gekommene, ewig schmollende und mal mehr, mal weniger gutherzige Femme fatale, das good-bad girl, welches hier auf Umwegen zu seiner Bestimmung findet - ihrem Liebling Butterbrote zu schmieren. Charles Bickford war mit 60 Jahren nur 19 Jahre älter als Richard Conte, der mit 41 noch frisch und dynamisch wirkt, letzteres gilt auf für Stephen McNally. Nimmt man noch John McIntire hinzu, ist im Grunde kaum zu glauben, wie viel Talent und Können, das die beteiligten Schauspielerinnen und Schauspieler für ihre Rollencharaktere in Anschlag bringen, in The Raging Tide verplempert wird. Ja, es gäbe einige interessante Figuren, eine wunderbare Kulisse und auch einzelne Passagen und Ideen der Geschichte selbst, aus denen sich etwas hätte machen lassen. Das gelingt weder Ernest K. Gann, dem Autor der Romanvorlage namens Fiddler’s Green (EA 1950) und des Drehbuchs, noch Regisseur George Sherman. Letzterer war ein unscheinbarer Routinier für alle Filmgenres und hatte für Universal-International Pictures Inc. mit Larceny (USA 1948) und mit The Sleeping City (USA 1950) bereits zwei durchweg mittelmäßige und langweilige Film Noirs ins Kino gebracht.

 

Eine Blu-ray disc (2022) der Kino Lorber Studio Classics in der 3-BD-Box Film Noir: The Dark Side Of Cinema VI  beinhaltet das Werk sowohl bild- als auch tontechnisch topp, inklusive des englischen Originaltons und mit englischen Untertiteln. Dazu gibt es neben dem original US-Kinotrailer noch einen Audiokommentar des Filmhistorikers David Del Valle und des Filmproduzenten Miles Hunter.

 


Film Noir | 1951 | USA | George Sherman | Russell Metty | Alex Nicol | Charles Bickford | John McIntire | Richard Conte | Stephen McNally | Shelley Winters

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