John Garfield, Maureen O’Hara, Walter Slezak, Patricia Morison, Martha O’Driscoll
© Warner Bros.
Im November 1940 kehrt John McKittrick (John Garfield), von Freunden “Kit“ gerufen“, per Eisenbahn aus Arizona nach New York zurück. Der Veteran des Spanischen Bürgerkriegs, der gegen die Faschisten gekämpft hatte, wurde gefangen genommen und zwei Jahre (und somit über das Ende des Krieges hinaus) in Isolationshaft gehalten. Um ihm Geheiminformationen zu entlocken, in deren Besitz man ihn wähnte, hatten seine Peiniger ihn mithilfe von aus Berlin hinzugezogenen Schergen der Nationalsozialisten gefoltert. Dank eines New Yorker Freundes seit Kindertagen, Police Lieutenant Louie Lepetino, gelang ihm die Flucht zurück in die USA, wo er zur Erholung nun einige Wochen auf besagter Ranch in Arizona verbrachte. Indessen die Lok über verschneite Schienen in die Stadt stampft, öffnet John McKittrick seinen Reisekoffer, entnimmt eine Pistole, die er in die Brusttasche seines Jacketts steckt und einige Papiere, von denen er, nachdem er den Koffer wieder verschloss, eine Zeitungsnotiz auseinanderfaltet. Sie berichtet vom tödlichen Fenstersturz Louie Lepetinos auf einer Abendgesellschaft bei der Gesellschaftsdame Barbara Taviton (Patricia Morison) in der Park Avenue. Plötzlich fährt der Zug in einen Tunnel und John McKittrick betrachet in der dunklen Scheibe sein Spiegelbild. Er fragt sich, ob er der vor ihm liegenden Aufgabe gewachsen sein wird oder ob die Folterer seinen Willen brachen. Als er sich zum Aussteigen richtet, stößt eine junge Frau (Maureen O’Hara) versehentlich mit ihm zusammen…
“Like a suffocating Scottish mist, the traditional film noir motifs help to sustain this sense of murk and ambiguity (…) making The Fallen Sparrow one of R.K.O.’s more disturbing forays into film noir”, schlussfolgert James Travers in seiner Rezension für French Films und spiegelt damit meine eigene Ansicht zu diesem Fund aus einem Jahr, das ansonsten kaum nennenswerte Werke der Art zu verzeichnen hat. Tatsächlich ist der Film eine Adaption des gleichnamigen Romans (EA 1942) von Dorothy B. Hughes und lässt sich in die Riege der zu Kriegszeiten populären Propagandafilme einordnen, zu denen neben dem Klassiker Casablanca (USA 1942) auch Norman Fosters Journey Into Fear (USA 1943) gezählt werden darf - in Hauptrollen Joseph Cotten, Dolores del Rio und Orson Welles. Zugleich nimmt The Fallen Sparrow in bemerkenswerter Weise einen zentralen Rollencharakter des Film Noirs der Nachkriegsjahre vorweg und zwar mit dem traumatisierten Kriegsheimkehrer John “Kit“ McKittrick, der in seiner Heimat in ein Netz der Intrigen und in die Fänge einer Femme fatale gerät, woraufhin er auf eigene Faust ermitteln muss. Es bleibt auch für die Zuschauer lange Zeit undurchschaubar, wem er vertrauen kann und wem nicht. Viele der Figuren in höheren Rängen der New Yorker Gesellschaft und auch Inspector Tobin (John Miljan) und Police Sergeant Moore (George Lloyd), die ihres Kollegen Louie Lepetinos Fenstersturz gern als einen Unfall abgehakt sehen wollen, bleiben vieldeutig. So wie Buzz (William Bendix) in George Marshalls Film-Noir-Klassiker Die blaue Dahlie (USA 1946) nach dem einzigen Original-Drehbuch aus der Feder Raymond Chandlers hört auch John McKittrick Stimmen und Geräusche, die einzig in seinem Kopf entstehen und nur dort existieren. So bleibt für die gepeinigte Seele, die er ist, über die Dauer des Films vor allem eine Fragestellung zentral: Inwieweit kann er sich selbst vertrauen?
© Warner Bros.
“You know, I got an opinion. Getting into the big money doesn’t do anyone any good.” – “Alright, you got an opinion, but let’s stop cutting up the apple cake.” Warren Duffs Drehbuch nach der Vorlage von Dorothy B. Hughes ist randvoll von messerscharfen Dialoge und Einzeilern, die es für einem Film Noir mit John Garfield in der Hauptrolle allemal braucht. Die Irin Maureen O’Hara brilliert in ihrem fünften Jahr in Hollywood mit einem willkommenen Wechsel zur Femme fatale. Und die aus Österreich-Ungarn emigrierten Darsteller Walter Slezak und John Banner bereichern ein internationales Ensemble, das eine um internationale Intrigen und Spionage sich rankende Handlung in der Metropole New York zum Leben zu erwecken sucht. Der bereits erwähnte Raymond Chandler hat womöglich, sollte er The Fallen Sparrow je gesehen haben, seinerseits gestaunt, wie verworren die Geschichte sich zunehmend entwickelt. Es ist die Schwäche des Werks, dass nie vollständig klar wird, warum John McKittrick für die spanischen Faschisten und die Nazis gleichermaßen von Bedeutung ist und das gut 1 ½ Jahre nach Ende des Bürgerkriegs. Doch mit Nicholas Musuracas (Goldenes Gift, USA 1947) Kameraarbeit und dank Richard Wallaces Sinn für Dramaturgie sowie aufgrund der engagierten Leistungen aller beteiligten Dartsteller ist die Produktion von RKO Radio Pictures bis heute kurzweilig und beizeiten erstaunlich düster und couragiert. Für Cineasten und Freunde des klassischen Film Noirs allemal zu empfehlen.
Es gibt eine exzellente DVD-R (2009, RC 0) in der Archive Collection von Warner Bros. und zwar mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch einwandfrei, allerdings ohne jegliche Untertitel oder Extras, wie es für diese spartanische Reihe typisch ist. Unterm Titel Perseguido gibt es via Suevia Films eine spanische DVD (2013, RC 2) mit der genau gleichen Fassung des Films, allerdings wahlweise auf Englisch oder mit spanischer Kinosynchronisation, optional spanische Untertitel. Eine als Il passo del carnefice veröffentlichte italienische DVD (2015, RC 2) von 30 Holding S.r.l. bietet adäquat zur spanischen DVD das gleiche, nur eben mit italienischer Synchronisation bzw. Untertiteln anstelle der spanischen.