Matěj Hádek, Eva Leimbergerová, Gabriela Míčová, Daniel Tůma, Dušan Sitek
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Prag, Tschechische Republik: Der Freitod des leitenden Direktors des Energiekonzerns Central Energy, Daniel Vlcek (Michal Dlouhý), beschäftigt die Medien der Hauptstadt wie kein zweites Thema... Dessen Bruder Petr Vlcek (Matěj Hádek), investigativer Journalist für die Tageszeitung Kontext, hatte in einer Serie von Leitartikeln die bevorstehende und seit langem vorbereitete und kontrovers debatierte Privatisierung des Staatskonzerns durch Investoren aus dem Ausland als abgekartetes Spiel bezeichnet. Demzufolge seien an Daniel Vlcek Bestechungsgelder gezahlt worden, wie eine anonyme Quelle durch Weiterleitung von E-Mails und Bankdaten an Petr Vlcek offengelegt hatte. Trotz Bedenken seitens des Petr wohlgesonnenen Chefredakteurs Max (Dušan Sitek) entschloss sich Kontext-Herausgeber Doubrava (Jan Nowotný) die auf Dokumenten einer Unbekannten namens “Sofie“ beruhenden Anklagen wider Daniel Vlcek und Central Energy zu veröffentlichen. In einer Presserklärung stritt die Firmenleitung zwar ab, dass Vlcek sich das Geringste habe zuschulden kommen lassen, gab aber den Rücktritt ihres Direktors bekannt, der damit seinen Ruf und seine Familie schützen wolle. Als er nach Hause kam, traf der vom Tumult um seine Person gezeichnete Daniel auf seine Ehefrau Eva (Gabriela Míčová) und seinen im Universitätsstudium befindlichen Sohn Michal (Daniel Tůma). Eva und Michal fuhren in die Stadt und Daniel Vlcek griff zum Telefon und bat den jüngeren Bruder Petr um einen Besuch vor Ort in seiner Villa...
Seit 2011 unterhält die US-amerikanische Home Box Office (HBO) mehrere Produktionsgesellschaften auch in Europa, die als HBO Europe in verschiedenen Staaten jeweils eigenständig TV-Serien erstellen. Zuerst in Polen und Ungarn, sodann in der Tschechischen Republik und in Rumänien und inzwischen auch in Kroatien, Spanien, Norwegen und Schweden ist HBO aktiv und erfolgreich, indem es seine mit Die Sopranos (USA 1999-2007), Six Feet Under – Gestorben wird immer (USA 2001-2005) und The Wire (USA 2002-2008) etablierte Handschrift und das darin erreichte Niveau mit dem kulturspezifischen Kontext und der Landesgeschichte der jeweiligen europäischen Nation zu verknüpfen versteht. Die sechsteilige Serie Mamon war 2015 die fünfte eigenständig tschechische Produktion von HBO Europe und zugleich die erste, die im Rahmen des Neo Noirs und des Thrillers angesiedelt war. Die von Vladimír Michálek nach Drehbüchern von drei tschechischen Autoren dramaturgisch pointiert und flott inszenierte Erzählung um einen vor Jahrzehnten erfolgreich eingefädelten Coup von Wirtschaftskriminalität ist jedoch das Re-Make der von Vegard Eriksen Stenberg und Gjermund Eriksen als Mammon (NOR 2014) inszenierten Fernsehserie gleichen Namens, die von der norwegischen Norsk Rikskringkasting (NRK) produziert worden war. Zudem brachte HBO Europe die Vorlage aus Norwegen im gleichen Jahr unterm Titel Pakt (POL 2015) in einer Neuverfilmung durch Marek Lechki auch ins polnische Fernsehen. Nun sollte man denken, dass in Anbetracht solcher Zweit- und Drittverwertung einer Ursprungsserie die osteuropäischen Fassungen dem Original hinterherhinken, aber diese Annahme ist ein Irrtum.
“HBO just made Czech drama Mamon (…) crisply paced, plotted for maximum intrigue, well-acted, stylishly directed”, schreibt John Serba für Decider und stellt fest, dass solcher Geheimtipp einer TV-Serie aus dem traditionellen Filmland Tschechien international kaum Resonanz fand. Matěj Hádek und Eva Leimbergerová agieren großartig in den tragenden Rollen, erinnert die Kooperation des Ermittlerteams – er investigativer Journalist, sie Außenseiterin mit Hackerprofil im Polizeidienst – auch auffällig an Stieg Larssons Millenium-Trilogie (EA 2006-2008), die als TV-Dreiteiler Verblendung (SWE/DNK/GER/NOR 2009), Verdammnis (SWE/DNK/GER 2009) und Vergebung (SWE/DNK/GER 2009) international zum Gassenhauer wurde. Letzteres mag der norwegischen Vorlage geschuldet sein, stört in der tschechischen Adaption aber nicht im Geringsten. Die Entwicklung der Handlung ist glaubwürdig, die Zeichnung der Rollencharaktere vielfältig und immerfort jenseits von Gut vs. Böse, und die Dramaturgie schreitet flott doch nie überhastet voran. Für Spannung und Überraschungen ist folglich gesorgt, und genau das über eine lange Strecke auf hohem Niveau durchzuhalten, beherrscht HBO wie kaum ein zweites Markenzeichen der Fernsehproduktion im 21. Jahrhundert. Mir persönlich wäre in der finalen Episiode etwas weniger Action lieber gewesen. Hier agieren Autoren und Regisseur jenseits von Notwendigkeit und an der Grenze des Glaubwürdigen. Dennoch konnte ich mich zu einer Bewertung mit fünf Sternen durchringen, denn die Schlusssequenz bringt es inmitten des lautlos fallenden Schnees an einem Weihnachtsabend nochmals auf den Punkt. Fazit: So schwarz wie die Nacht und stets zupackend erweist sich Mamon für Liebhaber des Neo Noirs seit der Jahrtausendwende als empfehlenswerte Ergänzung des Kanons seiner Meisterstücke.
Via Magic Box gibt es eine erstklassige tschechische 2-DVD (2015), welche die TV-Serie in sechs Episoden ungekürzt und im Originalformat beinhaltet, bild- und tontechnisch brillant, das Ganze mit dem tschechischen Originalton und (entgegen der Angabe in vielen Online-Portalen) eben auch mit englischen und mit tschechischen Untertiteln.