Michael Nyqvist, Noomi Rapace, Lena Endre, Annika Hallin, Jacob Eriksson
Göteborg, Schweden: Per Huschrauber werden Alexander Zalachenko (Georgi Staykov) und seine Tochter Lisbeth Salander (Noomi Rapace) ins Sahlgrenska-Krankenhaus geflogen. Sie hat ihm mit einer Axt mehrere schwere Verletzungen beigefügt. Er hat seinerseits versucht sie zu erschießen. Lisbeth müssen in der Folge drei Projektile aus dem geschundenen Körper operiert werden, eins davon aus dem Kopf. Der behandelnde Arzt Dr. Anders Jonasson (Aksel Morisse) gelingt es jedoch, die Operation mit Erfolg abzuschließen und den Zustand seiner Patientin zu stabilisieren… Auf einer Landstraße in der Region Västergötland fährt ein Streifenwagen und entdeckt einen auf der Straße liegenden reglosen Mann (Mikael Spreitz). Die Beamten halten an und nähern sich dem Reglosen, als der Hüne Ronald Niedermann, Zalachenkos flüchtiger Sohn, plötzlich aufspringt und beide Beamte mit bloßer Körperkraft überwältigt, wobei er der jungen Frau kurzerhand das Genick bricht. Danach nimmt er eine Dienstwaffe und den Wagen der Polizisten an sich und verschwindet… Nachdem der lange Jahre unter falschem Namen untergetauche Zalachenko so gut wie enttarnt ist, interssiert das auch den ehemaligen Mitarbeiter der schwedischen Sicherheitspolizei Evert Gullberg (Hans Alfredson), heute ein Pensionär… In Stockholm erhält der Staatsanwalt Ekström (Niklas Hjulström), im Fall des Untersuchungen gegen Lisbeth Salander der Ankläger, vom Inspektor der Polizei, Jan Bublanski (Johan Kylén), eine geheime Akte von 1993…
Der abschließende Teil der Verfilmungen von Stieg Larssons Millenium-Trilogie ist für mich der stärkste, da er die losen Fäden des schwächeren Vorgängers zu bündeln und zu einem Abschluss zu führen weiß. Der Showdown in Verdammnis (SWE/DNK/GER 2009) wirkte in seiner Dramatik übertrieben. Auch das Puzzle der Spurensuche konnte nicht überzeugen. All das ist in Vergebung besser gelöst. Autor Stieg Larsson, der sich als Kommunisten bezeichnete, war selbst investigativer Journalist und galt als Experte für Rechtsextremismus und rechte Gewalt. Davon ist in Vergebung auch als filmischer Adaption deutlich mehr enthalten als in den ersten Adaptionen der Roman-Trilogie (EA 2005-2007), zumal Verblendung (SWE/DNK/GER/NOR 2009) über eine in sich abgeschlossene Handlung verfügt. In Vergebung treten die Drahtzieher in Erscheinung, die das Schicksal Lisbeth Salanders als 13jährigem Teenager unterm Siegel staatlicher Geheimhaltung mit einem Bannfluch belegten. Dabei werden die Motive und Hintergründe als systemimmanente Vorgänge von Sachlichkeit und Präzision vorgeführt. Die “Sektion“, eine unabhängig operierende Zelle der Sicherheitspolizei, agiert wie ein Staat im Staate. Der Film provoziert das Gespenst totaler Kontrolle durch eine seit Jahrzehnten perfekt getarnte Geheimorganisation hinter unscheinbaren Beamtenbiografien, er rückt in die Gefilde des Politthrillers. Die Verknüpfung mit den Rollencharakteren im Zentrum der Handlung, ihren Interessen und ihren Ecken und Kanten, überzeugt diesmal. Um Widersacher in eigenen Reihen und ihre erklärten Feinde im Umfeld des nun enttarnten, in den 70er Jahren übergelaufenen, sowjetischen Top-Agenten Alexander Zalachenko, Lisbeth Salanders Vater, auszuschalten, beauftragt die „Sektion“ unter Fredrik Clinton (Lennart Hjulström) auch Kriminelle, denen wie ihr selbst jedes Mittel recht ist.
In der wörtlichen Übersetzung seines Originaltitels hieße Stieg Larssons Roman Das Luftschloss, das gesprengt wurde, demgegenüber man sich in der Bundesrepublik Deutschland (wie in den USA) zu einer frei erfundenen Namensgebung entschloss, deren Sinnhaftigkeit hier bezweifelt werden muss. Die größte Schwachstelle ist in Vergebung erneut die deutsche Synchronisation: Manche Dialoge sind unfassbar banal, fast schon idiotisch. Die Erläuterung eines psychologischen Gutachtens im Gerichtssaal zum Beispiel ist populärwissenschaftliches Einerlei, für das sich jeder Psychotherapeut oder Psychiater in Grund und Boden schämte. Dass der Staatsanwalt es obendrein nacherzählt, lässt auch an dessen beruflicher Eignung zweifeln… An solchen Stellen entzieht die sprachliche Ebene dem Anspruch der Handlung auf Glaubwürdigkeit die Grundlage; das Ganze wirkt lächerlich. Dafür gelingt es Regisseur Daniel Alfredson, mit einer knackigen Dramaturgie zu punkten und über die Strecke von drei Stunden seine Zuschauer in den Bann zu schlagen. Vergebung ist nicht perfekt, aber stets spannend. Zudem bringt der Film das Portrait des von Noomi Rapace glauibwürdig verkörperten Rollencharakters Lisbeth Salander auf den Punkt, indem er nicht der Versuchung eines übermäßig verzuckerten Happy Ends auf den Leim geht. Respekt!
Die ungekürzte Fassung von 185 (NTSC) oder 176 (PAL) Minuten erhält man nur in den 3-BD- oder 3-DVD-Editionen (2013), die via Warner Bros. unter dem Titel Stieg Larsson - Millenium-Trilogie: Director’s Cut die Teile Verblendung (2009), Verdammnis (2009) und Vergebung (2009) als sechstteilige TV-Serie beinhalten und im Vergleich zu den Kinofassungen 90 Minuten mehr Spielzeit bieten. Diese Editionen sind preisgünstig, doch viele Käufer der BD sind mit der Bildqualität unzufrieden, außerdem sind weder Extras noch die original schwedische Tonspur oder Untertitel beinhaltet. Man ist gezwungen, die Serie auf Deutsch zu sehen, was in Anbetracht der Möglichkeiten, die das Medium böte, eine Missachtung der Ansprüche des Publikums und einen Rückfall ins Zeitalter der VHS-Videokassette bedeutet.