Zlatko Krickic, Ágústa Eva Erlendsdóttir, Ingvar Eggert Sigurðsson, Sigurður Sigurjónsson, Björn Thors
Reykjavik, Island: Der aus Serbien stammende Sergej (Zlatko Krickic) unterhält eine Autowerkstatt, darin auch sein jüngerer Bruder Ivan (Stanko Djorivic) arbeitet. Aktuell ist Sergejs Frau (Vildis Bjarnadottir) im dritten Monat schwanger, und die Eheleute sehen mit einiger Aufregung ihrem Nachwuchs entgegen. Sergej sieht sich gezwungen seine Werkstatt verkaufen, denn der Gangsterboss Gunnar (Ingvar Eggert Sigurðsson) möchte die Lokalität für seinen einträglichen Schmuggel von Kokain nutzen. Die mit Sergej befreundete Jelena (Gladkaya Luna), zugleich Vorsteherin eines von Gunnar betriebenen Freudenhauses, rät ihm vom Interessenten Ingolfur (Björn Hlynur Haraldsson), Gunnars rechter Hand, die Summe von 300.000 Kronen zu verlangen. Sergej steigt zu Ingolfur in den Wagen, und tatsächlich kommt es nicht zu langwierigen Verhandlungen, denn Ingolfur geht sofort auf Sergejs Forderung ein. Er besichtigt mit Sergej die Werkstatt, und der Serbe verstaut ein Paket Kokain im Gehäuse eines Computers… Die Polizeibeamtin Andrea (Ágústa Eva Erlendsdóttir) geht zum Boxtraining und arbeitet mit ihrem Trainer und Boxpartner (Gunnar Nelson) hart an ihren kämpferischen Fertigkeiten. Sie hat eine leidenschaftliche Affäre mit dem verheirateten Kollegen Rúnar (Björn Thors). Der korrupte Polizeichef Margeir (Sigurður Sigurjónsson), der schon seit langem auf der Lohnliste von Gunnar und dessen Partner William (Philip Jackson) steht, bekommt dies durch einen unbedachten Kuss in der Kantine eines Tages mit…
“Being desperate's not gonna help you… Pair of running shoes might.“ Dieser Nordic Noir von Olaf de Fleur Johannesson zeichnet sich durch eine Riege exzellenter Schauspieler aus und punktet mit B-Movie-Charme und durch eine gute Kameraarbeit und seine gewitzte Montagetechnik. Doch all das und die Geschichte selbst sind zugleich Vorbildern des US-amerikanischen Film Noirs und des Neo Noirs geschuldet, denn ein Neo Noir soll City State sein und das ist er großteils auch. In Gordon Wiles‘ Gangster / Low Company (USA 1947) spielt Barry Sullivan den vom stets mit Gewalt behaupteten illegalen Geschäft ermüdeten Gangster Shubunka, der in dem Augenblick aussteigen will, als ein Syndikat in sein Territorium eindringt. In City State ist es Ingvar Eggert Sigurðsson (Jar City, ISL 2006), Islands Nr. 1 für eine solche Rolle, und auch für seinen Gunnar Gunnarsson geht die Sache gehörig in die falsche Richtung. Stanley Kubricks Die Rechnung ging nicht auf / Killing (USA 1956) und als eine Kopie davon Quentin Tarantinos Pulp Fiction (USA 1994) nutzten jene Art der Montage, bei der vorherige Ereignisse durch später hinzugefügte Puzzleteile erläutert werden und dadurch in einem neuen Licht erscheinen. Exakt so geschieht es auch in City State. Den korrupten Polizeichef, der seit langem mit der Unterwelt sein Auskommen fand und sich dafür entlohnen lässt, gab schon Orson Welles in seinem eigenen Im Zeichen des Bösen (USA 1958). Polizeichef Margeir (Sigurður Sigurjónsson) ist hier jedoch eine schwache, willenlose Marionette der Gangster, vor allem am freien Zugang zu jungen Prostituierten interessiert, und er ist zugleich die am wenigsten überzeugende Figur des Films. Was von Anbeginn reizvoll und gelungen scheint, sind die Analogien in Lebensentwürfen von Gangstern und Polizeibeamten, die Tristesse ihres Alltags in jener urbanen Kulisse der isländischen Hauptstadt, deren landschaftlich reizvolle Umgebung in diesem Nordic Noir vollkommen ausgespart bleibt.
Kann der Film in seinen ersten 30 Minuten die Zuschauer noch in den Bann ziehen, entwickelt die Handlung sich im weiteren Verlauf immer weniger glaubwürdig und wirkt arg konstruiert. Dass sich ein seit Jahren im Geschäft befindlicher Gangsterboss von einem serbischen Autohändler und dessen Kumpanen einschüchtern und schließlich um den Ertrag seines gesamten Lebens als Verbrecher bringen lässt, erscheint an den Haaren herbei gezogen. Auch der Rachefeldzug der Polizistin Anne, deren Kollege und Liebhaber (Björn Thors) von Schergen Gunnarssons mit Wissen des Polizeichefs durch einen Fenstersturz verkrüppelt wird, führt nirgendwohin, bevor die Figur der Polzistin im Grunde aus dem Geschehen verschwindet. Das letzte Drittel wirkt unausgegoren, mit seinen teils harten Gewaltexzessen allzu sehr auf die Spitze getrieben, so dass selbst der zu Beginn geneigte Zuschauer sich fragen muss: „Was bitte soll das jetzt?“ Hier hilft auch das Gastspiel der britischen Schauspiel-Ikonen Jonathan Pryce und Philip Jackson nicht viel; der Film versandet in einem brutalen Finale, das schal und sinnlos daherkommt. Es mag beabsichtigt sein, verfehlt aber seine Wirkung, insofern das Drama auf der Mittellinie von Thriller und Charakterstudie uninspiriert zum Erliegen kommt. Dennoch drehte Olaf de Fleur Johannesson drei Jahre später mit Brave Men’s Blood (ISL 2014) eine Fortsetzung.
Es gibt eine gute englische DVD-Edition (2011), die den Film ungekürzt im Originalformat mit dem original isländischen (und teils englischen) Ton beinhaltet, inklusive englischer Untertitel, das Ganze ohne jegliche Extras. In Deutschland ist der Film unterm Titel City State - Stadt der Gewalt als BD und als DVD (2016) bei donau film erschienen. Anstatt der englischen UT gibt es deutsche, die Edition ist ab 18 Jahren freigegeben und sie enthält den Kinotrailer als Extra.