Stelios Mainas, Dimitris Tzoumakis, Adam Bousdoukos, Giorgios Symeonidis, Maria Nafpliotou
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Athen, Griechenland, im Winter des Jahres 2010: Stelios Dimitrakopoulos (Stelios Mainas) sitzt barfuß und im Trernchcoat in seiner Küche, Kaffee tropft in die Kanne. Er denkt zurück an die Chancen, die man als 20jähriger oder 25jähriger im Leben hat und die sich so bald verflüchtigen. Denn genug Zeit für diese Chancen… Zeit gibt es immer zu wenig. Die Zeit für seine Geschichte ist jetzt, Montagabend um 22:47 Uhr: Stelios steht auf der Bühne seines Jazzclubs Summertown, den er seit 17 Jahren in Athen betreibt, ein manischer Musikliebhaber und Träumer auch mit Ende Vierzig. Er kündigt dem kaum besetzten Saal eine lokale Band an, die sich ausdrücklich für sein Engagement bedankt. Doch der verheiratete Familienvater entfleucht zu seiner Geliebten (Christina Dendrinou), nur um nach dem gemeinsamen Schäferstündchen wieder im Club aufzutauchen und abzuschließen. Plötzlich erscheint sein früherer Partner Vassos (Dimitris Tzoumakis), er möchte Stelios, den “Mr. Artist“, in einer ernsthaften Sache sprechen. Stelios gibt dem Barkeeper Alexandros (Yiorgos Gallos) einige Anweisungen, damit jener am kommenden Tag das Belgrad Jazz Quintet vom Flughafen abholt und im Hotel unterbringt, dann trifft er sich mit Vassos. Schon bald fahren sie durch das nächtliche Athen, am Steuer ein Kumpan (Adam Bousdoukos) von Vassos, der ebenfalls für die rumänische Mafa arbeitet. Vor einigen Jahren musste sich Stelios, um seinen Club weiter betreiben zu können, Geld leihen. Doch dieses Darlehen soll er jetzt zurückzahlen…
Vom ersten Moment, in dem der Jazzliebhaber, Ehemann und Familienvater, jener verzweifelte Idealist, der wohl sieht, in welchem Ausmaß er zugleich Täter und Opfer ist, mit seiner Erzählung anhebt, ist Alexis Alexious Mittwoch 04:45 ein Film Noir und möchte genau das auch sein. Es ist Winter und es ist entweder Nacht oder ein verregneter, dunkel dräuender Tag ohne viel Licht in der Metropole Athen, einem von mehrspurigen Fahrbahnen und von Waschbetonbauten, von durcheinander gewirbelten Stromleitungen, von Bettlern an Kreuzungsampeln und von immerzu schweigsamen, traurigen Kindern gezeichneten Moloch von Stadt. Stelios, der Inhaber eines Jazzclubs, und Omer (Giorgios Symeonidis), der aus Albanien eingewanderte Inhaber des Stripclubs Alcatraz, kämpfen jeder ums eigene Überleben und werden von der rumänischen Madfia gegeneinander ausgespielt. Mittwoch 04:45 ist ein Werk, darin die Hoffnung auf ein besseres Leben einzig und allein in der Musik ihren Platz findet, im Jazz des fast schon zynisch Summertown betitelten Clubs oder in wunderbar pointiert eingestreuten griechischen Popsongs aus Stelios’ Kindheit und Jugend. Mit der Süße ihres Gesangs rücken sie genau solch eine bessere Welt in den Blick, die für immer nur in den Liedern verheißungsvoll geborgen liegt und niemals Wirklichkeit wird. So sieht es zumindest Stelios Dimitrakopoulos, den die Finanzkrise seiner Heimat Griechenland in den Ruin und den die rumänische Mafia an den Rand des Abgrunds treibt. Seine Kinder sehnen sich nach einem Vater, seine Frau nach einem Mann mit Verantwortungsbewusstsein, aber einem Stelios rinnt, was im Resonanzkörper seiner eigenen Sehnsucht widerhallt, in der Wirklichkeit stets durch die Finger.
“Die Ästhetik des Film Noir ist heute eine nostalgische. Sie beschwört die Erinnerung an analoges Kino und analoges Handeln, bei denen einer nicht tausend Fragen mitbedenken muss“, folgert Rüdiger Suchsland in seiner Rezenszion für artechock mit einigem Scharfblick. Und so watet Stelios, dem das Kokain das Blut aus der Nase treibt und das Haar vom Kopf fallen lässt, durch die Scherben seiner Existenz und weiß nicht, wo er was wie und zu welchem Zweck noch zu kitten vermag. Mal erinnert er an Cosmo Vittelli (Ben Gazzara) in John Cassavettes’ Mord an einem chinesischen Buchmacher (USA 1976), mal an Jonathan Zimmermann (Bruno Ganz) in Wim Wenders’ Der amerikanische Freund (GER/FRA 1977). Auch diese Romantiker verkehrten auf Einbahnstraßen ihrer eigentümlich gestrigen Existenz, so wie Alexious “Mr.Artist“ weit entfernt vom Getriebe der sie umbrandenden Gegenwart. Ihre Widersacher haben sie auf eine eigentümlich zärtliche Weise zu schätzen, nie jedoch zu verstehen vermocht. Der romantische Feigling und Ausreißer Stelios vermag die Ecken und Enden seines Lebens nicht länger beieinander zu halten und er wird zum Akteur seines Schicksals. Nach Schlüsselwerken wie Klopka - Die Falle (SRB/GER/HUN 2007) oder The Enemy Within (GRE 2013) ist Mittwoch 04:45 ein Neo Noir aus dem Südosten Europas, wie er (nicht nur) heute sein muss - nostalgisch, drastisch und dunkel gefühlvoll und inmitten dessen plötzlich von einer längst verloren geglaubten Relevanz. In Anbetracht jener Flut unterhaltsamen Einerleis, die allmonatlich über uns hinwegspült, ist das hier geradewegs ein Muss!
In Deutschland lief der Film sogar im Kino, und eine deutsche BD- und auch DVD-Edition (2016) via good!movies im Vertrieb von Indigo bringt das Werk in ton- und bildtechnisch exzellenter Qualität, ungekürzt und im Originalformat, dazu den griechischen Ton oder eine deutsche Tonspur mit optional deutschen Untertiteln.
Deutsche DVD
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Ein Hinweis zur Verfügbarkeit dieses Films: Bei Amazon ist das Erscheinen der DVD für den 9. September 2016 angekündigt. Hoffen wir, dass es dabei bleibt ...