Sally Parr, Philip Shawn, Walter Reed, Lee Frederick, Houseley Stevenson
Nach der Uhr ist es halb fünf am Morgen, draußen allerdings stets nachtschwarz, als Pops (Houseley Stevenson) mit dem Handkarren die Post vor die Tür fährt. Der Alte betreibt in Cragmoor die Post- und Busstation mit dem dazugehörigen Café und der Tankstelle, und viel mehr gibt es in dem Ort auch nicht, außer dem Staatsgefängnis. Als der Geyhound-Bus ankommt, sitzt darin die Freundin (Sally Parr) des zum Tode verurteilten, jungen Mannes namens Bill (Philip Shawn), der an diesem Morgen auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet werden soll. Von Pops’ Station wird sie via Kurier zum Gefängnisdirektor (Howard St. John) und dessen Frau (Louise Lorimer) gebracht, die sie bereits erwarten. Der Direktor telefonierte soeben nochmals mit dem Gouverneur wegen einer möglichen Begnadigung, denn ihm und seiner Frau gehen das Schicksal Bills und seiner Freundin ungewöhnlich zu Herzen. Aber der Gouverneur glaubt an die Schuld des Jungen und erinnert den Gefägnisdirektor an seine Pflicht gegenüber dem Gesetz. Bills Freundin hatte versucht, bei ihm vorzusprechen, aber der Gouverneur, dem keine etwaigen Beweise für die Unschuld ihres Freundes vorlagen, hat sie nicht vorgelassen. Jetzt hofft sie, dass Bill sie noch ein letztes Mal empfangen und mit ihr sprechen wird. In der Zwischenzeit ist der Gefängniskaplan (Walter Reed) des bei dem Verurteilten und möchte ihm gern den Segen der Kirche und Vergebung mit auf den letzten Weg geben. Aber Bill ist empört und beteuert dem Pater gegenüber einmal mehr seine Unschuld…
“You'll have to admit that the movie's dialogue-free opening, at night at Pops' Place, is as bleak and transfixing as just about anything in the noir cycle”, schreibt Bill MacVicar für DVD Beaver über die ersten 4 Minuten und 20 Sekunden und trifft es. Paul Sloanes The Sun Sets At Dawn ist ein B-Film mit einem enorm schmalen Budget, das die Dunkelheit eines hartnäckig nicht der Dämmerung zugeneigten Tages mehr oder minder geschickt zu verbergen sucht. Die Hauptdarsteller sind so unbekannt wie mittelmäßig und auch ihre Rollencharaktere überzeugen nur zu Teilen. Besonders Howard St. Johns Gefängnisdirektor ist für seinen Beruf bei weitem nicht abgeklärt genug. Er vermittelt uns den Eindruck eines Mannes, dessen eigener Sohn im Sterben liegt, weshalb nun er selbst ein fast gebrochener Mann ist, indessen seine Frau die Geschäfte in die Hand nimmt. Um einiges besser ist allemal die Meute der Journalisten, die über die Hinrichtung auf dem brandneuen elektrischen Stuhl des Gefängnisses hoffen zu berichten hoffen und sich aus diesem Grund in Pops’ Café einnisten, wo sie auf den Kurierfahrer des Gefängnisses warten. Unter ihnen finden sich mit Sam Edwards (Straße ohne Namen, USA 1948), Percy Helton (Gewagtes Alibi, USA 1949) und Charles Meredith (Im Schatten der Nacht, USA 1948) einige der typischerweise in Film Noirs ihrer Zeit auftretende Herren für kleinere Rollen, oft eben das Salz in der Suppe. Auch die Dramaturgie und die Anlage des Drehbuchs, ebenfalls vom obskuren Paul Sloane verfasst, ist nicht so übel, wenngleich alles auf die eine Frage hinausläuft: Wird in Anbetracht der Unschuld des Verurteilten der wahre Mörder rechtzeitig gefasst und damit das Glück der Liebenden gerettet?
“You know, I’ve been looking at their faces so long, they do seem like old friends.” Mit einigen Wendungen, die zwar vorhersehbar und dennoch clever eingestereut sind, ist dieser Standardthriller zumindest ein wenig besser als viele jener Produktionen der Poverty-Row-Studios in den Spätvierzigern und Frühfünfzigern, die heute oft der Public Domain angehören und in schlechter Bild- und Tonqualität von Billiganbietern als DVD-Editionen angeboten werden. Speziell The Sun Sets At Dawn warf bei mir nochmals die Frage auf, wie ich den Film wohl beurteilte, hätte ich ihn in erstklassig restaurierter Fassung auf der Kinoleinwand genießen können? Bis zum Schluss erweist sich das Werk weder als sensationell ungewöhnlich noch als unterdurchschnittlich, vor allem atmosphärisch überzeugt es, immerhin kann es Lionel Lindon (Die blaue Dahlie, USA 1946) als Mann hinter der Kamera und Leith Stevens (Hölle 36, USA 1954) als Komponisten des Soundtracks vorweisen. Beides gereicht der B-Produktion zum Vorteil, die sich für den Film-Noir-Freund im Ganzen als unterhaltsam erweist, aber sicher kein Muss darstellt. Autor und Regisseur Paul Sloane drehte 1952 noch einen letzten Film in Japan, bevor er auf Nimmerwiedersehen vom Radar der Filmproduktion verschwand.
In den USA erschien The Sun Sets At Dawn als DVD (2010) bei Alpha Home Entertainment mit dem Untertitel “The Lost Film Noir Classic“. Immerhin ungekürzt und im Originalformat findet sich diese Fassung - mit dem Originalton ohne Untertitel in äußerst bescheidener Bild- und Tonqualität - auch in mehreren Online-Portalen, ohnehin bietet auch die DVD keinerlei Extras.