Bewertung
***
Originaltitel
City On Fire
Kategorie
Neo Noir
Land
HK
Erscheinungsjahr
1987
Darsteller
Chow Yun-Fat, Danny Lee, Yueh Sun, Carrie Ng, Roy Cheung
Regie
Ringo Lam
Farbe
s/w
Laufzeit
106 min
Bildformat
Widescreen
In den nächtlichen Einkaufsmeilen der Hafenmetropole Hongkong begibt sich Chan Kam-Wah (Elvis Tsui) zu einem in der Nähe eines Straßenhändlers für Kleidung befindlichen Telefon. Plötzlich tauchen drei Bekannte von ihm auf. Zwei halten ihn fest, indessen Tai Song (Chi Fai Chan) ein Fleischermesser in Chan Kam-Wah rammt, der zu fliehen versucht, aber schon bald tödlich getroffen zu Boden sinkt. Inspektor Lau (Yueh Sung) von der Mordkommission erreicht den Tatort und erkennt in dem Toten einen der für die Polizei tätigen Informanten, der eine Nachricht weiterzugeben versuchte, als er umgebracht wurde. Er bittet seinen Assistenten, ihm rasch Ko Chow (Chow Yun-Fat) herbei zu holen… In einer Diskothek sitzt Ko Chows Freundin Huong (Carrie Ng) mit dem begüterten und verheiraten Jimmy Su (Fong Yau) an einem Tisch. Letzterer hat die Absicht, ihretwegen seine Frau zu verlassen und dann mit Huong in die Ferien zu fliegen. Aber Ko Chow tritt ein und unterbricht das Stelldichein. Huong ist empört und wirft ihm vor, er habe sich mit ihrer besten Freundin Lily (Bo-San Chow) eingelassen und deshalb sei es nun aus zwischen ihnen. Su lässt Chow von seinen Bodyguards hinauswerfen, als jener im Eingang auf Lily trifft, die ihm erzählt, dass sie von Jimmy Su 500 Dollar dafür bekommen habe, mit ihm ins Bett zu gehen. Noch bevor Ko Chow näheres darüber erfahren kann, sind schon mehrere Polizisten zur Stelle, die ihm Handschellen anlegen und ihn abführen wollen. Doch Ko Chow gelingt es sich loszureißen…
Weder ist Quentin Tarantinos Reservoir Dogs (USA 1992) ein Rip-Off von Ringo Lams City On Fire, noch ist Letzterer ein Actionfilm, wie von Rezensenten in Blogs weltweit gern behauptet wird. Lam bemüht sich hier, - und die Einflüsse Jean-Pierre Melvilles und der US-amerikanischen Neo-Noir-Tradition der 70er Jahre sind unübersehbar - ein stilistisch hochwertiges Neo-Noir-Drama zu inszenieren und legt dabei Wert auf präzise Charakterzeichnung und eine geruhsame Entwicklung seiner Geschichte. So findet sich der dem Polizeidienst mit Leib und Seele verschriebene, durch manches Unglück der Vergangenheit belastete väterliche Inspektor, der zur Kooperation mit einem jungen Hardliner und Karrieristen gezwungen wird. Komplementär präsentiert der Film einen durch die langjährige Tätigkeit als Undercover-Agent seinem realen Status als Polizeioffizier entfremdeten Cop, der sich nahtlos in die Riege der Gangster fügt. Und dann gibt es den mehreren Alain-Delon-Figuren der Spätsechziger nachempfundenen Killer mit Seele, der sich ausgerechnet dem einzigen Spitzel in seiner Bande freundschaftlich zugeneigt findet. Der Showdown und der Weg dorthin erinnern an Raouls Walshs Sprung in den Tod / Maschinenpistolen (USA 1949). Die Verfolgungsjagden rufen einem William Friedkins French Connection / Brennpunkt Brooklyn (USA 1971) und Luc Bessons Subway (FRA 1985) ins Gedächtnis. City On Fire punktet mit erstklassigen Aufnahmen an gut gewählten Schauplätzen seiner Großstadt Hongkong bei Tag und bei Nacht, von den stark frequentierten Shopping Malls bis zum einsam gelegenen Friedhof außerhalb. Doch all das verhindert nicht, dass er teils in Klischees versinkt und unter schwachen Schauspielern und einfältigen Dialogen leidet. Vor allem die Frauenfigur Huong, die den romantischen Aspekt der Charakterentwicklung Ko Chows illustrieren soll, und ihre Freundin Lily geraten daneben und erweisen sich als konturlose Platzhalter.
In der ersten Hälfte des Films wird der Konstellation der Figuren und ihrer Lebenssituation viel Aufmerksamkeit gewidmet. Bei den teils albernen Szenen mit den Frauen ergeben sich Längen und nicht immer ist die Handlungslogik nachvollziehbar. Wie können Inspektor Lau und Ko Chow davon ausgehen, dass ihr Angebot an Schusswaffen von den Richtigen aufgegriffen und es zum Kontakt mit genau den gesuchten Juwelenräubern kommt? Weshalb ist die Bande um Lu (Danny Lee) plötzlich zu 100% überzeugt, Ko Chow ein Angebot zur Beteiligung an den Raubzügen unterbreiten zu müssen, nur weil er sich in einer einzigen Situation bewährt hat? Obwohl die Geschichte simpel ist, erweist sie sich im Verlauf oft als holprig. Weder hat ein Streit zwischen zwei Gangstern, der den ersten Raubüberfall in eine wilde Schießerei ausarten lässt, intern Konsequenzen, noch überzeugt der zweite, scheinbar sorgfältig geplante Coup. Mit ihm geht gleichermaßen ein spontaner und grausamer Mord am Tatort einher und die andernorts mit Coolness versehene Professionalität der Diebesbande steht in erheblichem Kontrast dazu. Ähnlich wie John Woos City Wolf (HK 1986) erweist sich City On Fire als über die Jahrzehnte zum Kultfilm avancierter Neo Noir aus Hongkong, der sich beim Wiedersehen als ebenso überbewertet wie angestaubt zeigt. Vor allem in der zweiten Hälfte ist er keinesfalls schlecht, im Ganzen dennoch kein Klassiker.
Die in den USA erschienene DVD-Edition von Dimension Films via Buena Vista Home Entertainment (2001) zeigt den Film ungekürzt im Originalformat, doch lediglich mit englischer Synchronisation (ohne Untertitel) als einziger Tonspur, die (fast ohne Umgebungsgeräusche) so ziemlich das Schlechteste ist, was ich je als Synchro zu hören bekam. Unbedingt das Hongkong-Original (von Tai Seng) anschauen, hier gibt es bei der BD und DVD den Originalton (Mandarin) mit englischen Untertiteln.