Bewertung
****
Originaltitel
Who Killed Teddy Bear?
Kategorie
Post Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1965
Darsteller
Sal Mineo, Juliet Prowse, Jan Murray, Elaine Stritch, Margot Bennett
Regie
Joseph Cates
Farbe
s/w
Laufzeit
87 min
Bildformat
Vollbild
Ein junger Mann räkelt sich in Unterhose auf dem Bett. Eine Hand greift zum Telefonhörer und die andere wählt eine Nummer… Die seit einigen Monaten in New York lebende Norah Dain (Juliet Prowse), früher Tanzlehrerin, ist DJ in einem Nachtclub, wo sie die neusten Rhythm-and-Blues-Singles für das tanzhungrige Publikum auf den Teller legt. Doch heute erhält sie, allein in dem von ihr bewohnten Apartment einer abwesenden Freundin, einen anonymen Anruf. Nachdem ein erstes Mal nur schweres Atmen zu hören ist, behauptet das zweite Mal eine verstellte Männerstimme, Norah gut zu kennen. Am nächsten Abend kommt es im Club, wo auch der freundliche Lawrence Sherman (Sal Mineo) als Kellner tätig ist, zu einem Zwischenfall, als nämlich ein Gast (Rex Everhart) ihr gegenüber zudringlich wird. Doch ihre Chefin Marian Freeman (Elaine Stritch) versteht diesbezüglich keinen Spaß, zudem schätzt sie Norah sehr, und so lässt sie den Kerl von ihrem taubstummen Türsteher Carlo (Daniel J. Travanti) kurzerhand zum Hintereingang hinauswerfen. Aber der Gast zückt ein Klappmesser und verletzt nicht nur Carlo am Hals sondern endet selbst mit einer schweren Verwundung, so dass sich Marian Freeman, Norah Dain und auch Carlo auf dem Polizeirevier wieder finden. Hier führt Lieutenant Dave Madden (Jan Murray) die Untersuchung, dessen Fragen Marian schnell auf die Nerven gehen, doch als sie Norah beim Hinausgehen auf ihren anonymen Telefonanruf von letzter Nacht anspricht, wird der Lieutenant hellhörig und bietet der jungen Frau seine Hilfe an…
Joseph Cates’ dunkler und bizarrer Thriller mit einer signifikanten und oft brillanten Kameraarbeit von Joseph C. Brun (Wenig Chancen für morgen, USA 1959) ist für seine Zeit ein bemerkenswertes Stück Independent Cinema. Deutlich vom europäischen Arthouse-Kino à la Godard, Truffaut und Antonioni beeinflusst, versucht die B-Produktion, sich aus dem Schatten antiquierten Filmschaffens Marke Hollywood heraus zu manövrieren und ist damit erfolgreich. Zugleich versprüht Where Killed Teddy Bear? den Low-Budget-Charme von Allen Barons Explosion des Schweigens (USA 1961) oder Herk Harveys Carnival Of Souls (USA 1962). Sein geringes Budget ist in vielen der Außenaufnahmen präsent, demgegenüber der Verzicht auf Studiosets die Dynamik und den Realismus der Szenerie befeuern. Joseph Cates entführt den Zuschauer in den New Yorker Zoo und ins Schwimmbad, lässt seine Protagonisten die Avenues hinunter laufen, aus einem fahrenden Wagen gefilmt - das Lokalkolorit in Who Killes Teddy Bear? ist schlicht grandios.
Fast ebenbürtig sind die Leistungen der Darsteller, die den überraschend radikalen, freizügigen Post Noir deutlich übers Niveau anderer Produktionen seiner Ära hinaus heben. Sal Valentino, mit 26 Jahren eine Mischung aus dem Bob Dylan der 60er und dem Prototyp eines Travis Bickle - der von Robert de Niro porträtierte Vietnamveteran in Martin Scorseses Neo Noir Taxi Driver (USA 1976) – ist ein Slacker der Beat-Generation, ein Antiheld par excellence. Auch Juliet Prowse und der Stand-Up-Comedian Jan Murray können in dieser Produktion überzeugen, die weit mehr als nur ein Stück Trash-Kino ist, wie oft fälschlicherweise und tendenziell abwertend geurteilt wird. Trotz handwerklicher Mängel trägt Arnold Drakes Geschichte, eine Mischung aus Thriller und hartem Familiendrama, den Film mühelos. Eine Überraschung ist auch Margot Bennetts Portrait von Lawrenes Schwester Edie – eine Darstellung, die man aus den USA der Mittsechziger so kaum erwartet. Im Schaufenster einer Buchhandlung sieht man William Burroughs‘ Naked Lunch und Hubert Selbys Last Exit Brooklyn, und aus den Lautsprechern des Clubs dröhnen wilde R&B-Hits, zu denen die Tänzer ihre Hüften schwingen. Where Killed Teddy Bear? ist als New-York-Film dezidiert Anti-Hollywood. Er ist Sixties as Sixties can be und ein Bindeglied zwischen der Nouvelle Vague und dem Neo Noir, der ab 1967 in jene stilbildend relevante Ära des New Hollywood leiten sollte. Und wer glaubt, in des Films Motiven einen Einfluss auf Alan J. Pakulas Neo Noir Klute (USA 1971) zu erkennen, liegt keinesfalls falsch.
Die englische DVD-Ausgabe (2009) von Network bringt den Film ungekürzt im Originalformat mit einer gut verstehbaren Tonspur auf Englisch und ohne Untertitel, dazu eine ganze Reihe von guten Extras. Die Bildqualität schwankt zwischen meist einwandfrei und mitunter - d.h. für kurze Takes - verschwommen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Film bei Erscheinen völlig floppte und auf Nimmerwiedersehen verschwand, ist allein das Vorhandensein dieser DVD schon sensationell. Nicht nur dem Film-Noir-Freund sondern allen aufgeschlossenen Cineasten empfohlen!