Loch, Das

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
*****
Originaltitel
Le trou
Kategorie
Post Noir
Land
FRA/ITA
Erscheinungsjahr
1960
Darsteller

Philippe Leroy, Jean Keraudy, Michel Constantin, Raymond Meunier, Marc Michel

Regie
Jacques Becker
Farbe
s/w
Laufzeit
126 min
Bildformat
Widescreen
 

 

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Das Staatsgefängnis von Santé, Paris, im Jahr 1947: Der Häftling Claude Gaspard (Marc Michel) wird wegen Besitzes eines goldenen Feuerzeugs dem Direktor (André Bervil) vorgeführt. Der findet den höflichen und gut aussehenden jungen Mann sympathisch und sieht von der für den Privatbesitz illegaler Güter vorgesehenen Einzelhaft ab. Stattdessen wird Gaspard in eine Zelle im Block 11 verlegt, die bereits mit vier Inhaftierten voll belegt ist und die sich erstmal beschweren, als Gaspard vom Gefängniswärter Bouboule (Eddy Rasimi) herein geführt wird. Doch Manu Borelli (Philippe Leroy), Roland Darbant (Jean Keraudy), Geo Cassine (Michel Constantin) und Vosselin (Raymond Meunier), der seinen Spitznamen „Monseigneur“ einen klerikalen Reihe von Ahnen verdankt, sind dem Neuen wohl gesonnen. Die anfänglich etwas raue Belegschaft macht auf Gaspard den Eindruck einer verschworenen Gemeinschaft. Sie erkundigen sich nach dem Grund seiner Inhaftierung und Gaspard gibt an, dass seine um Jahre ältere und reiche Frau ihn des Mordversuchs an ihr beschuldige. Dabei habe er sich nur zur Wehr gesetzt, nachdem sie ihn mit einer Pistole bedroht und beim Versuch der Entwaffnung sich ein Schuss gelöst und sie in die Schulter getroffen habe. Allerdings habe sie Grund dazu gehabt, nachdem Gaspard sich mit ihrer 17jährigen Schwester Nicole (Catherine Spaak), die mit im Haus wohne, eingelassen habe. Die vier Zuhörer geben Gaspard zu verstehen, dass sein Fall so ziemlich aussichtslos sei und ihm eine lange Haftstrafe bevor stünde. Erst dann weihen sie ihn in ihren Plan ein, aus dem Gefängnis zu fliehen. Zwecks Tarnung haben sie sich einen Stapel Faltkartons als eine Arbeit in die Zelle kommen lassen…
 
“Le Trou is certainly a very different beast from Jacques Becker’s previous films, (…) and the only film that even vaguely resembles it in Becker’s oeuvre is the landmark film noir policier Touchez paz au grisbi (1954)”, heißt es zutreffend bei filmsdefrance.com. Von seinem Regisseur Jacques Becker der kurz nach Drehschluss starb, wurde Das Loch großteils mit Laiendarstellern besetzt, doch es war seinerzeit an den Kinokassen ein Flop. De facto ist es ein Meisterwerk, das als solches nicht erkannt und nicht gewürdigt wurde. Es ist nicht nur der beste Gefängnisfilm aller Zeiten sondern auch ein Opus, das im Jahr 1960 einerseits Schlüsselelemente des Film Noirs aufgreift und zugleich höchst innovativ und teils radikal die Sechziger vorweg nimmt. Erzählt der Film, abgesehen von einer kurzen Einleitung durch Jean Keraudy, der die Handlung im Jahr 1947 platziert und sie als semi-dokumentarische Aufarbeitung einer wahren Begebenheit benennt, seine Geschichte auch ganz linear, gibt es gerade im Stilistischen einige bemerkenswerte Kunstgriffe. Diese Kunst besteht im bewussten Verzicht. So gibt es keinen Vorspann und über zwei Stunden keine Musik, sondern einzig einen Abspann, der den Zuschauer mit sparsamen Klavierakkorden entlässt. Ausgiebige Dialogpassagen und in Realzeit gefilmte, wortlos vonstatten gehende Arbeit der Häftlinge an ihren Fluchtwegen bauen dreimal mehr Spannung auf, als die mit monströsen Tonkaskaden aufgepumpte und hektisch geschnittene Action aus dem zeitgenössischen Kino Hollywoods.
 
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© Studiocanal GmbH
 
Das Loch ist Kino in Reinkultur von einem Meister des Films, der sich mit diesem letzten Werk nach 25 Schaffensjahren verabschiedete, um sodann (international) schnell dem Vergessen anheim zu fallen. Dabei war Jacques Becker in seinen besten Werken anerkannten Großmeistern des französischen Kinos wie Henri-Georges Clouzot oder Jean-Pierre Melville durchaus ebenbürtig, und Das Loch ist u.U. sein bester Film überhaupt. Der Film erscheint derart schlicht und unprätentiös, dabei so bewegend und dynamisch, dass einem die dahinter liegende Präzision der Gestaltung kaum mehr als solche in den Sinn kommt. Dabei zeigen sich Regisseur und Autor Jacques Becker, der nach dessen eigenem Roman mit José Giovanni am Skript arbeitete, und Kameramann Chislain Cloquet von ihrer besten Seite. Hier stimmt einfach alles. Bemerkenswert sind die Leistungen der beteiligten Darsteller, allen voran Philippe Leroy, Michel Constantin und Jean Keraudy, der nie zuvor und nie danach in einem Film zu sehen war. Deutlich spürbar ist der Einfluss Jules Dassins, der im Jahr der hier zugrunde liegenden Geschichte mit seinem Film Noir Zelle R 17 (USA 1947) den bis dato eindringlichsten und kontroversesten Gefängnisfilm zuwege gebracht hatte. Im französischen Exil drehte der in der McCarthy-Ära vertriebene US-Amerikaner Dassin sein Opus Magnum Rififi (FRA 1955), das vier Männer beim Aufstemmen einer Decke zeigt, durch die sie in einen Juwelierladen eindringen wollen – ganze 32 Minuten Film ohne ein Wort und ohne Musik. Jacques Becker setzt diese hohe Kunst genuin europäischen Filmschaffens mit Das Loch gleichwertig fort. Ein Muss für jeden Cineasten!
 
Erstklassige BD- und DVD-Editionen (2017) von Arthaus / Studiocanal mit dem Film bild- und tontechnisch in exquisit restaurierter Fassung, ungekürzt und im Originalformat, die französische Tonspur und eine deutsche Synchronisation, optional deutsche Untertitel, ein Feature Hinter den Kulissen und Interviews mit Philippe Leroy, Jean Keraudy, Jean Becker und Ginette Vincendeau als Extras. Ein Muss!
 

Post Noir | 1960 | France | Jacques Becker | José Giovanni | Chislain Cloquet | Dominique Zardi | Michel Constantin | Raymond Meunier

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