Film Noir
| USA
| 1948
| Bernard Vorhaus
| John Alton
| Richard Carlson
| Turhan Bey
| Cathy O'Donnell
| Lynn Bari
| Virginia Gregg
Bewertung
***
Originaltitel
The Amazing Mr. X / The Spiritualist
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1948
Darsteller
Lynn Bari, Turhan Bey, Cathy O’Donnell, Richard Carlson, Donald Curtis
Regie
Bernard Vorhaus
Farbe
s/w
Laufzeit
78 min
Bildformat
Vollbild
Die verwitwete Christine Faber (Lynn Bari) lebt gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Janet Burke (Cathy O’Donnell) in einer Villa hoch auf den Klippen an der Pazifikküste Kaliforniens. Zwei Jahre ist es her, dass ihr Ehemann Paul (Donald Curtis) bei einem Autounfall ums Leben kam. Eines Abends hört sie inmitten des Rauschens der Brandung vermeintlich seine Stimme ihren Namen rufen. Doch ihre Schwester, von der steten Trauer Christines beunruhigt, beschwichtigt sie und rät ihr, sich endlich mal um ihren Verlobten Martin Abbott (Richard Carlson) zu bemühen. Der Rechtsanwalt wohnt in der Nähe und sie sind für den Abend verabredet. Als er anruft, um eine Verspätung mitzuteilen, erklärt sich Christine bereit, bei ihm vorbeizukommen. Da sein Haus nicht weit liegt, beschließt sie, zu Fuß den Strand entlang zu gehen. Nach dem Abstieg den Klippenweg hinunter, hört sie im Tosen der Brandungswellen erneut Pauls Stimme ihren Namen wispern. Da es nicht abreißt, beginnt Christine zu laufen und verfängt sich mit ihrem Kleid im Bug des Ruderboots, das dort liegt und seinen Namen trägt – Paul. Panik ergreift die Frau, doch als sie aufspringt, rennt sie geradewegs in einen ihr unbekannten Mann (Turhan Bey), der ihr Pfeife rauchend zugesehen hat und sich als Alexis vorstellt. Er kann sie beruhigen und nennt dabei Details aus ihrem Leben, die Christine überraschen. Per Visitenkarte weist er sich als Psychic Consultant aus, der nach eigener Aussage Kontakt zu Spähären jenseits der Wirklichkeit herstellen kann. Damit geht er und schon erscheint auch Martin, der sich seinerseits Sorgen machte…
Der einzige Grund, warum solcher Film unter Film-Noir-Freunden einen Kultuatus erwarb, ist die Arbeit des Kameramanns John Altons, der (auch) an dieser Produktion des Studios Eagle-Lion beteiligt war. John Alton war jemand, der sowohl als „Cinematographer“ als auch als „Director of Photography“ bemerkenswertes hinter der Kamera zu leisten vermochte. Er veredelte u.a. die Film Noirs Flucht ohne Ausweg (1948) und Geheimring 99 (1955), deren Schwarzweißästhetik fotografische Eindrücke ziert, die noch heutigentags einmalig sind. Neben James Wong Howe oder John D. MacDonald darf er als einer der Innovatoren hinter der Kamera gelten, die den Kinobesuchern zugunsten der Regisseure meist nie zur Kenntnis kamen. Johann Altmann, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, kam 1901 im Kaiserreich Österreich-Ungarn zur Welt und begann bereits in den 20er Jahren in Hollywood. Er galt als exzentrischer Charakter, blieb nicht zuletzt deshalb auf B-Movies beschränkt, so dass manche der von ihm exquisit eingefangenen Filme inhaltlich kaum der Rede wert sind, wie etwa die Film Noirs Schritte in der Nacht (1948) oder Geheimagent T (1947). John Alton schrieb über seine Arbeit das heute berühmte Bucht Painting with Light. Allein der folgende Ausspruch charakterisiert den Kameramann als einen für den Film Noir idealtypischen Künstler: „It's not what you light - it's what you don’t light.“
The Amazing Mr. X / The Spiritualist ist ein John-Alton-Film. Der Rest ist nahezu nebensächlich. Seine Handlung, von vier Drehbuchautoren zusammengeschustert, ist derart konstruiert, dass sie stellenweise geradezu lachhaft anmutet. Die darstellerischen Leistungen sind durchweg solide, im Fall von Lynn Bari und Richard Carlson zugleich nicht mehr als durchschnittlich. Cathy O’Donnell zeigte sich erstmals hier als ein überaus vielversprechendes Talent, das in den folgenden zwei Jahren bei Nicholas Ray und Anthony Mann in Film Noirs auftrat. Und der nahezu unbekannte Donald Curtis gibt einen bemerkenswerten Bösewicht, der an Vincent Price erinnert. Auch Turhan Bey als Magier Alexis kann in seiner Rolle überzeugen. Die Dramaturgie ist lückenlos, die Schauplätze sind gut gewählt – den Rest besorgen John Alton und seine Crew. So ist The Amazing Mr. X / The Spiritualist ein „Gothic Noir“, wie es so schön heißt, den man sich John Altons wegen durchaus zu Gemüte führen kann. Wer kein Filmstudent ist und damit diesen Film Noir vielleicht nie zu sehen bekommt, hat nicht viel verpasst.
Als Film der Public Domain liegt The Amazing Mr. X / The Spiritualist international unter beiden Titeln (The Spiritualist war 1948 der englische Verleihtitel) in verschiedenen DVD-Editionen vor. Die 2006 als Teil der Wade-Willams-Collection via Corinth Films bei Image Entertainment in den USA erschienene Ausgabe ist codefree und spielt auch auf europäischen DVD-Playern. Das Bild ist sauber, obgleich die Außenaufnahmen schlechter sind, der Ton ist gut verständlich. Inzwischen ist The Spiritualist (unter diesem Titel) auch als Teil der Columbia Classic Collection (Regionalcode 1) in den USA als DVD erschienen.