Neo Noir
| USA
| 1995
| Dashiell Hammett
| David Goodis
| Raymond Chandler
| Steven Soderbergh
| Christopher Lloyd
| Dan Hedaya
| Danny Glover
| Darren McGavin
| Harry Northup
| Michael Rooker
| Peter Berg
| Peter Coyote
| Tyrin Turner
| Kelly Lynch
| Laura San Giacomo
| Valeria Golino
Bewertung
***
Originaltitel
Fallen Angels - Season 2
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1995
Darsteller
Danny Glover, Valeria Golino, Peter Coyote, Christopher Lloyd, Peter Berg
Regie
Agnieszka Holland, Steven Soderbergh, Tim Hunter
Farbe
Farbe
Laufzeit
120 min
Bildformat
Vollbild
Zwischen 1990 und 1997 hatte der Film Noir im Retrokleid eine zweite Renaissance. Bereits in den Mittsiebzigern hatten Filme wie Chinatown (USA 1974) und Fahr zur Hölle, Liebling! (USA 1975) den nostalgischen Blick in die Zeit des Film Noirs bedient. Von Jack Nicholsons Die Spur führt zurück (USA 1990) über Howard Franklins Der Reporter (USA 1992) und Carl Franklins Teufel in Blau (USA 1995) bis zu Curtis Hansons L.A. Confidential (USA 1997) feierte der Retro Noir komplementär zu den Neo Noirs John Dahls, Quentin Tarantinos oder David Lynchs seine Wiederauferstehung.
Auch die US-Fernsehproduktion Fallen Angels fällt in diese Jahre. In zwei Staffeln, erst 1993 und dann 1995, verfilmten Kinoregisseure in Episoden zwischen 30 und 60 Minuten Spielzeit Kurzgeschichten klassischer Film-Noir-Autoren wie Raymond Chandler, Dashiell Hammett, Cornell Woolrich, David Goodis, Mickey Spillane und Walter Mosley. Privatdetektive, Polizisten und Undercover-Agenten mit Hut und im Zweireiher drückten sich erneut die Klinke in die Hand, um jeweils einer Femme fatale und Abgründen menschlicher Natur zu begegnen. Unter den Darstellern fanden sich Laura Dern, Tom Hanks, Danny Glover, Peter Coyote, Benicio del Toro, Bill Pullman, Cynda Williams. Mit Heather Graham, Miguel Ferrer, Grace Zabriskie, Jack Nance, Mädchen Amick und Regisseur Tim Hunter gab es auffällig viel Personal der TV-Serie Twin Peaks (1990/91). Zu den Regisseuren zählten im Übrigen Tom Cruise, Steven Soderbergh, Peter Bogdanovich und John Dahl. Einer der ausführenden Produzenten war Sydney Pollack – lauter Hollywoodgrößen also. Nach sechs Episoden der ersten Staffel folgten 1995 weitere neun. Es ist jene zweite Staffel, die 2003 in Form einer dreiteiligen DVD-Edition hierzulande und in England als Perfect Crimes auf den Markt kam. Der Titel sollte wohl ein Krimipublikum ansprechen, dem sowohl der Los-Angeles-Bezug des Originals unklar als auch Otto Premingers Film Noir Fallen Angel (USA 1945) unbekannt war. Mit Wong Kar-wais Hong-Kong-Film Fallen Angels (HK 1995) hat die Fernsehserie nichts zu tun.
Die Episoden wurden für die deutsche DVD-Edition zwar synchronisiert, doch stimmt großteils weder die Übersetzung noch geben die deutschen Stimmen die Merkmale der Originalstimmen nur ansatzweise wieder. Man muss auf die englische Tonspur zugreifen, will man die mindeste Film-Noir-Atmosphäre genießen. Die Filmtitel selbst wurden nicht übersetzt, doch erläuternd heißt es im Innenteil der 3DVD-Box: „Verbrechen und Liebe, Miezen und Moneten“. Welcher Film-Noir-Freund sich von einer so albern an die deutschen Fünfziger angelehnten Werbung angesprochen fühlen soll, bleibt ein Rätsel. Auf der englischen DVD liest man: "3 star-packed crime thrillers recreating the golden age of film noir”.
The Red Wind: Nach einer Geschichte Raymond Chandlers wird Privatdetektiv Philip Marlowe (Danny Glover) in der Bar gegenüber seines Apartments Zeuge eines Mordes. Ein scheinbar betrunkener Fremder (Nicholas Sadler) erschießt den ankommenden Waldo (Bennet Guillory), nachdem der sich nach einer Frau erkundigt hatte. Die Polizei ist sofort am Tatort, doch Detective Copernik (Dan Hedaya) will mit einem schwarzen Privatdetektiv offenbar noch viel weniger zu tun haben als mit seinem mexikanischen Kollegen Ybarra (Miquel Sandaoval). Als Marlowe durch den heißen Wüstenwind des Abends endlich über die Straße nach Hause geht, macht er eine Entdeckung…
Die fast 60minütige Episode, in den USA die letzte im Fernsehen ausgestrahlte, ist die erste der DVD. Danny Glover, ein guter Schauspieler, als schwarzer Philip Marlowe - das klingt nach einer klasse Idee. Doch Glover ist (wie 1975 Robert Mitchum) zu alt für die Rolle, und zuletzt kann er weder Dick Powell noch Humphrey Bogart das Wasser reichen. Dennoch ist dies noch am wenigsten störend, denn trotz schöner Fotografie und reichlich Film-Noir-Atmosphäre ist die Geschichte überfrachtet und im Handlungsrahmen von nur einer Nacht völlig unglaubwürdig. Die Charaktere agieren widersprüchlich, teils absurd, und Philip Marlowe wirkt am Ende als quasi Samariter eher lächerlich. Ein schwaches Entree!
The Professional Man: Nach einer Kurzgeschichte von David Goodis führt der makellose Fahrstuhlführer eines großen Bürohauses, Johnny Lamb (Brendan Fraser), ein Doppelleben. Er hat ein Liebesverhältnis mit dem Barkeeper Paul (Bruce Ramsay) und führt im Auftrag des Barbesitzers (Peter Coyote) des Nachts kaltblütig Morde aus. Doch der hat selbst ein Auge auf Paul geworfen und sich unglücklich in ihn verliebt. Das treibt die drei Männer in einen Konflikt, der sich zuzuspitzen droht…
Sowenig Marlowe bei Chandler ein Schwarzer ist, sowenig ist Johnny Lamb bei Goodis homosexuell. Doch ist diese Freiheit in Steven Soderberghs Verfilmung keinesfalls störend, da die tragische Geschichte geradlinig und konsequent, dazu stilistisch mit gelungenen Referenzen an den Film Noir, umgesetzt wurde. Kein Meisterstück, doch eindeutig die beste Episode der ersten DVD mit einem exzellenten Peter Coyote in der Rolle des diabolischen Nachtclubbesitzers.
Fly Paper: Sue Hambleton (Kristin Minter) entstammt einer noblen Familie aus Long Island, New York. Doch mit dem Gangster Babe McCloor (Michael Rooker) hat sie sich keinen noblen Liebhaber ausgesucht. Als das Paar nach einer Schießerei in einem Nachtclub verschwindet, wird ein Privatdetektiv (Christopher Lloyd) der Contintental Agency beauftragt, sie ausfindig zu machen. Eines Tages meldet sich ein gewisser Joe Wales (Peter Berg) aus Los Angeles mit einem Hinweis auf Sues Aufenthalt…
Eine hübsch nostalgisch in Szene gesetzte Kriminalgeschichte, angesiedelt im Jahr 1929, doch meilenweit von den großen Dashiell-Hammett-Verfilmungen der Vierziger entfernt. Das hier ist durchschnittliche Krimikost, und auch Lloyd und Berg können Tim Hunters (Twin Peaks, 1990/91) mittelprächtige Adaption mit Fernsehflair nicht auf ein höheres Niveau heben. Ein schwacher Ausklang!
Eine optisch und technisch gute DVD der mediacs AG, mit einem einwandfreien Bild im Originalformat und in ungekürzter Laufzeit, wahlweise (eine ungenießbare) deutsche oder englische Tonspur, optional deutsche Untertitel, sehr ansprechende Menüführung.