Walter Matthau, Bruce Dern, Louis Gossett jr., Albert Paulsen, Anthony Zerbe
© Twentieth Century Fox Film Corporation
San Francisco, Kalifornien: Im Transbay Terminal in der Mission Street, einem Busbahnhof der Stadt, spricht Gus Niles (Louis Guss) in einer öffentlichen Telefonzelle mit einem Bekannten. Er ist nervös, denn er weiß Police Detective Dave Evans (Anthony Costello), der auf den Holzbänken in der um kurz nach 23:00 Uhr kaum frequentierten Wartehalle eine Zeitung liest, auf seinen Fersen. Aber genau darum geht es Niles, der an einem Automaten schwitzend Schokolade kauft und sie hektisch verschlingt. Er will den Beamten in einen Bus der Linie 4 Richtung Mission District locken, und das gelingt. Als der Fahrer bereits die Türen schließt und Gus Niles plötzlich aussteigen will, springt Detective Evans hinzu und betritt den Bus, der nun mit ihm und dem von ihm beschatteten Niles abfährt. Es sind kaum Leute im Bus, doch Evans setzt sich explizit neben die einzige junge Frau (Cheryl Christiansen), die davon offensichtlich nicht angetan ist. Der Bus fährt durch die verregnete Nacht, und an einer Straßenecke reiht sich ein 1973er Chevrolet Caprice Classic hinter ihm in den Verkehr ein. Vor der nächsten Haltestelle überholt er den Bus, wird erneut abgestellt, und der Fahrer in Trenchcoat und Hut, seine Hände in Handschuhen und mit einer ledernen Reisetasche ausgestattet, beeilt sich in den Bus zu steigen. Der Mann nimmt im hinteren Bereich Platz, entnimmt der Reisetasche Teile einer Maschinenpistole, setzt diese zusammen und erschießt ohne Vorwarnung alle Passagiere des Buses, inklusive seines Komplizen Gus Niles…
“Rosenberg (…) gets the worst performance from Walter Matthau that I can remember and his two-cop team (Matthau and Dern) seem to have no camaraderie whatsoever. As if all that weren’t bad enough (and it surely is), there are too many gratuitous gay jokes here”, schrieb Janet Maslin seinerzeit aus Anlass der Kinopremiere für The Boston Phoenix. Bei dem Thriller aus den frühen 70er Jahren, einer Produktion der 20th Century Fox Film Corporation, handelt es sich um die erste und einzige Hollywood-Verfilmung eines Buchs des schwedischen Autorenduos Maj Sjöwall und Per Wahlöö, welche auch privat liiert waren. Vorlage war deren Kriminalroman Den skrattande polisen (EA 1968, auf Deutsch 1971 als Endstation für neun). Nach der schwedischen Adaption ihres Romandebüts Die Tote im Götakanal (EA 1965, auf Deutsch 1968) unter dem Originaltitel Roseanna (SWE 1967) war es die zweite Adaption eines Romans der beiden für die Kinoleinwand überhaupt. Protagonist aller Romane von Sjöwall und Wahlöö ist der Stockholmer Kriminalkommissar Martin Beck, der oft mit seinem Kollegen Gunvald Larsson zusammenarbeitet. Thomas Rickman, für Massenmord in San Franzisko Drehbuchautor, trug dem Rechnung und versah die US-Ermittler mit deren Vornamen – Detective Jake Martin (Walter Matthau) und Detective Leo Larsen (Bruce Dern). Beim Transfer von Handlung und Atmosphäre des Romans von Stockholm nach San Francisco gelingt Stuart Rosenberg und seiner Crew dann herzlich wenig. Die oben zitierte US-amerikanische Kulturjournalistin Janet Maslin lag mit ihrer Einschätzung schon damals richtig. So stellte sie fest, dass Stuart Rosenberg eine im Krankenhaus gedrehte Szene aus Robert Altmans M*A*S*H (USA 1970) kopiert habe, zumal Leo Larsens Erscheinungsbild und seine überdrehte Art original “Trapper“ John McIntyre (Elliott Gould) entsprechen. Letzteres wiederholt sich mit dem Bösewicht des Films: Henry Camarero (Albert Paulsen) kopiert Alain Charnier (Fernando Rey) aus William Friedkins Brennpunkt Brooklyn / French Connection (USA 1971) derart offensichtlich, dass es fast zur Selbstparodie gerät.
© Twentieth Century Fox Film Corporation
Neben dem als Police Lieutenant Nat Steiner ebenfalls deplatziert wirkenden Anthony Zerbe ist jedoch Walter Matthau die erstaunlichste Fehlbesetzung des Films. Wenige Monate zuvor hatte er sich mit der Titelrolle des Charley Varrick in Don Siegels Neo Noir Der große Coup (USA 1973) mit Bravour aus den Standards seiner Komödienrollen befreit, doch hier patzt er auf ganzer Linie. Sein ständig ein Kaugummi kauender, wortkarger, muffiger, desinteressierter Jake Martin ist einfach nur… stinklangweilig. Ganz schlimm sind alle Szenen, die ihn in seiner privaten Umgebung zeigen und die wiederum wie von Gordon Douglas‘ Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs (USA 1970) inspiriert wirken. Auch aus seiner fantastischen Kulisse, dem wunderbaren San Francisco, macht Stuart Rosenberg wenig – die finale Verfolgungsjagd wirkt im Vergleicht mit Peter Yates‘ Bullitt (USA 1968) wie ein müder Abklatsch. Zu dem Zeitpunkt sind viele Charaktere, Kriminelle und Polizisten, die der Film über eine Strecke von über 90 Minuten akribisch einführte, sang- und klanglos aus der Handlung verschwunden. Fazit: ein fader und uninspirierter Kriminalfilm, dessen lakonische und pseudokritische Attitüde gegenüber Polizeibeamten seine Zuschauer bis zuletzt nicht in den Bann schlägt. Schade!
Unterm Titel Massenmord in San Francisco gibt es eine deutsche BD und DVD (2012) der Carol Media Home Entertainment bzw. der Hansesound Musik und Medien GmbH und zwar als Lizenzausgabe der 20th Century Fox Film Corporation, ungekürzt im Originalformat mit dem Film in guter Bild- und Tonqualität, dazu Tonspuren auf Deutsch oder Englisch, doch ohne Untertitel und ohne jegliche Extras. Eine US-amerikanische Blu-ray disc oder auch DVD (2016) der Kino Lorber Studio Classics beinhaltet das Werk bild- und tontechnisch topp restauriert, ungekürzt und im Originalformat inklusive des englischen Originaltons und mit englischen Untertiteln. Als Bonus bietet die Edition neben dem Kinotrailer noch einen Audiokommentar der Filmhistoriker Eddy Friedfeld und Paul Scrabo und des Herausgebers des Cinema Retro Magazines Lee Pfeiffer.