Sidney Poitier, Martin Landau, Barbara McNair, Anthony Zerbe, Edward Asner
San Francisco, St. James Street, am frühen Abend: Während draußen die Straßen gereinigt werden, empfängt die Prostituierte Joy Sturges (Linda Towne) einen Freier. Doch sie ist außer sich vor Wut, kann jener seine Impotenz doch nicht mal mehr überspielen, und laut fluchend will sie den Kerl hinauswerfen. Er aber beginnt sie zu würgen, ergreift eine Statuette und erschlägt die Frau… Der Hausmeister Mealie Williamson (Juano Hernandez) lehrt die Mülleimer aus und hinkt zurück ins Treppenhaus, wo er an Ms. Sturges‘ Tür klopft, doch jene antwortet nicht. Wie oft tritt Mealie einfach ein, und das erste, was er findet, ist auf dem Teppichboden die mit Blut besudelte Statuette. Er nimmt sie zur Hand und begutachtet sie, als er plötzlich neben dem Sofa Ms. Sturges‘ Leiche sieht. Hastig begibt er sich zu dem im obersten Stockwerk lebenden Rice Weedon (Anthony Zerbe), dem Inhaber des Hauses, der für die verschiedenen Mietparteien (vor allem für die weiblichen Bewohner) verantwortlich ist. Weedon ist von der Nachricht wenig begeistert. Vor allem möchte er verhindern, dass Mealie die Polizei informiert, deren Anwesenheit im Haus kann er sich nicht leisten. Also gibt er ihm Geld und fragt ihn, ob er etwas oder jemanden gesehen habe. Zuerst verneint Mealie, doch dann fällt ihm, ein, dass er vor einer halben Stunde den Priester Logan Sharpe (Martin Landau) aus dem Hause gehen sah. Sharpe war kein Kunde Joys, doch regelmäßig bei ihr zu Besuch. Rice Weedon scheint zufrieden und weist Mealie an, den Mund zu halten…
In Norman Jewisons großartigem Thriller In der Hitze der Nacht (USA 1967) spielte Sidney Poitier einen aus Philadelphia stammenden Polizeibeamten der Mordkommission namens Virgil Tibbs. In der Verfilmung des preisgekrönten, gleichnamigen Romans von John Ball (EA 1965, auf Deutsch 1997) wartet der Beamte eines Nachts in Sparta, Mississippi, allein im Bahnhof auf seinen Anschlusszug und gerät wegen seiner Hautfarbe unter Mordverdacht… Mit Rod Steiger, Warren Oates und Lee Grant kongenial besetzt und von Harry Wexler (Der Dialog, USA 1974) hinter der Kamera in brillante Bilder übertragen, gewann In der Hitze der Nacht international viele Filmpreise - allein in den USA fünf der sieben Oscars, für die er nominiert worden war, darunter denjenigen in der Kategorie Bester Film. Noch heute gilt er als Meilenstein des Kinos der Sechziger und ist mit seiner zentralen Figur des Virgil Tibbs‘ ein Vorbote des afro-amerikanischen Kinos der frühen 70er. Lediglich zwei weitere Filme drehte Poitier noch in jenen Spätsechzigern, darunter mit Es führt kein Weg zurück (USA 1969) die zweite Adaption von F.L. Greens Roman Der Terrorist (EA 1945, auf Deutsch 1974), dessen Originaltitel Odd Man Out für Freunde des Film Noirs vertrauter klingt, denn es ist auch derjenige von Carol Reeds großartiger Erstverfilmung Ausgestoßen (UK 1947). Im Jahr 1970 kehrte Sidney Poitier dann als Virgil Tibbs zurück, Quincy Jones zeichnete erneut für die Musik verantwortlich… und das war es auch schon. Über den Rest breitete man besser den Mantel des Schweigens.
© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.
„Der ohne Angabe von Gründen aus Philadelphia nach San Francisco verfrachtete (…) auch formal bestenfalls unauffällige, eher jedoch uninspiriert zu nennende Film (…) funktioniert noch nicht einmal im Ansatz“, resümiert Oliver Nöding für Remember It For Later mit Fug und Recht verärgert. Anstatt als Vorlage einen der Folgeromane John Balls zu nehmen, der seine Virgil-Tibbs-Serie bis 1987 auf sieben Bücher und zahlreiche Kurzgeschichten ausdehnte, schrieben das Drehbuch Alan Trustman (Bullitt, USA 1968) und James R. Webb (Ein Köder für die Bestie, USA 1962), konnten jedoch nicht ansatzweise an ihre Referenzwerke anschließen. Weder wird der Umzug nach San Francisco noch Tibbs‘ Familie erklärt. Außer dem Rollencharakter selbst gibt es nichts, was auf In der Hitze der Nacht Bezug nimmt; sogar Quincy Jones‘ Soundtrack wirkt austauschbar. Teils schlechte Schauspieler, dazu seine TV-Ästhetik, Tibbs‘ fade Mittelstandsfamilie sowie unfassbar langweilig inszenierte Action-Sequenzen lassen Regisseur Gordon Douglas (Den Morgen wirst du nicht erleben, USA 1950) als weiteren Übeltäter erscheinen. Durch seine freundschaftliche Beziehung zum Mordverdächtigen, die konstante Überlastung im Job und eine schwierige Konstellation der eigenen Kinder soll der Zuschauer zur Annahme verführt werden, Virgil Tibbs trage die halbe Welt auf seinen Schultern, doch die Figur hat bestenfalls das Flair eines Fernseh-Cops. Mit Die Organisation (USA 1971) folgte dennoch ein dritter und letzter Virgil-Tibbs-Film mit Sidney Poitier. Von 1988 bis 1994 war es dann Howard E. Rollins jr., der in der TV-Serie In The Heat Of The Night (USA 1988-1995) in die Rolle des Chief of Detectives Virgil Tibbs schlüpfte und zwar für 121 Folgen.
Die englische DVD-Edition (2003) von MGM Home Entertainment beinhaltet den Film ungekürzt, nicht jedoch im Originalformat. Stattdessen erhält man die aufs frühere Fernsehformat 4:3 zurecht gestutzte Vollbild-Version, bei der rechts und links Bildteile fehlen, was sich teils als grotesk erweist. Immerhin gibt es zu der original englischen Tonspur noch Untertitel auf Englisch, Deutsch, Niederländisch, Französisch, Italienisch, Ungarisch, Portugiesisch und Spanisch. In Deutschland erschien der Film einzig in der 3DVD-Box Sidney Poitier als Virgil Tibbs (2003) inklusive In der Hitze der Nacht (USA 1967) und Die Organisation (USA 1971), angeblich im originalen Widescreen-Format, doch liegt uns diese Edition nicht vor. In den USA brachte inzwischen Kino Lorber eine Blu-ray Disc (2015), die den Film ohne weitere Tonspuren und ohne Untertitel in einer bild- und tontechnisch exzellenten Fassung präsentiert, ungekürzt im richtigen Bildformat, die Trailer aller drei Virgil-Tibbs-Kinofilme als Extras.