Mario Adorf, Christian Wolff, Gert Fröbe, Corny Collins, Elke Sommer
Spät am Abend halten nahe einer Tribüne auf der Rennstrecke Avus, zugleich die in Berlin-West gelegene Stadtautobahn, welche Richtung Helmstedt stadtauswärts führt, zwei Motorräder. Auf dem einen sitzen dessen Fahrer Rudi (Claus Wilcke), auf dem Sozius die hübsche Ellen (Elke Sommer), die mit einem Koffer zur Hand absteigt und flugs ihren Lippenstift nachzieht. Auf dem zweiten hocken Robert (Christian Wolff) und der als Ellens blonde Freundin verkleidete Fritz (Ernst Jacobi). Ellen stellt sich an den Randstreifen; Fritz verbirgt sich im Tribüneneingang, und die Motorradfahrer fahren 50 Meter voraus, bevor sie sich ebenfalls verstecken. Als sich ein VW-Käfer der Verkehrspolizei nähert, lässt Robert einen Pfiff ertönen. Ellen schnappt sich ihren Koffer und versteckt sich bei Fritz. Kaum ist der Wagen vorüber, stellt sie sich erneut in Position. Da kommt der Textilgroßhändler Grossmann (Arno Paulsen) im Opel Kapitän und hält. Ellen geht zum Seitenfenster, fragt den beleibten Herrn, ob er sie nach Hannover mitnähme, und jener mustert sie und antwortet, dass er mit ihr auf jeden Fall dorthin führe. Ellen erwähnt ihre Freundin, die auch mitfahren wolle, und Grossmann lässt sie beide einsteigen. Kaum setzt sich der Opel in Bewegung, heften sich die beiden Motorräder an ihn dran. Der von Ellen betörte Fahrer beginnt zu flirten; Fritz stellt sich schlafend. Als Grossmann bemerkt, dass er von Kradfahrern verfolgt wird, versucht er sie abzuschütteln und verlässt die Autobahn. Er fährt auf einen unbeleuchteten Weg…
Als der in Berlin gebürtige Gerd Oswald im Jahr 1938 über Frankreich in die USA emigriert, setzt er dort seine berufliche Laufbahn als Regieassistent beim Film nahtlos fort. Sam Newfields Hitler: The Beast of Berlin (USA 1939) ist seine erste Beteiligung an einer US-amerikanischen Produktion, später führt ihn der Weg zum Film Noir. Er assistiert Gordon Douglas bei San Quentin (USA 1947), Lewis Allen bei Todesfalle von Chikago (USA 1949), Billy Wilder bei Boulevard der Dämmerung (USA 1950) und William Dieterle bei Stadt im Dunkel (USA 1950). Schließlich liefert Gerd Oswald für United Artists seine erste eigene Regiearbeit ab, den in Farbe gedrehten Film Noir Kuss vor dem Tode (USA 1956) mit Robert Wagner. Im gleichen Jahr folgt das späte Barbara-Stanwyck-Vehikel Das war Mord, Mr. Doyle (USA 1956), ebenfalls ein Film Noir. Und wie Robert Siodmak, Peter Lorre, Fritz Lang oder John Brahm treibt es den Exilanten Oswald in jenem ersten Jahrzehnt der jungen Bundesrepublik in die Heimat zurück, wo er mit Am Tag als der Regen kam eine selbstredend vom US-amerikanischen Film Noir beeinflusste, deutsche Produktion inszeniert. Dessen Ensemble konnte sich allemal sehen lassen. Gert Fröbe hatte im Vorjahr in Frank Wisbars Nasser Asphalt (GER 1958) mitgewirkt. Mario Adorf war unter Robert Siodmak im Meisterwerk Nachts, wenn der Teufel kam (GER 1957) der Durchbruch geglückt. Arno Paulsen hatte im ersten deutschen Film der Nachkriegzeit, in Wolfgang Staudtes dezidiert antifaschistischem Die Mörder sind unter uns (GER 1946) den ehemaligen Wehrmachtshauptmann und Weltkriegsprofiteur Ferdinand Brückner gespielt. Doch diese Werke blieben Ausnahmeerscheinungen in dem schon früh auf Eskapismus und leichte Kost getrimmten Kino des Nachkriegsdeutschlands. Gerd Oswalds Am Tag als der Regen kam blieb auch eine. Lange verschmäht und noch heutzutage gern als altbacken disqualifiziert, zeigt das Drama eine zerrüttete, irrlichterne und hoffnungslose Gesellschaft im West-Berlin des Wirtschaftswunders und des Kalten Krieges.
„Ich denk‘ nicht dran, Euren alten Kram weiter zu machen. Als ob nichts passiert wäre! Weiß ich, was morgen ist?“ antwortet Werner Maurer (Mario Adorf) auf die flehentliche Bitte seines Vaters Dr. Albert Maurer (Gert Fröbe), der Kriminalität zu entsagen und sich in ein bieder-bürgerliches Dasein, in Demut und Bescheidenheit zu fügen. Tatsächlich ist jenem Vater, einst praktizierender Allgemeinmediziner, die Approbation entzogen worden, was ihn in den Alkoholismus und in die Resignation trieb. Seit langem schon ist er auf den Sohn und dessen Geld aus Raubüberfällen angewiesen, ohne das er in der Gosse endete… Wie in Robert Siodmaks Die Ratten (GER 1955), in Werner Klinglers Banktresor 713 (GER 1957) oder in Frank Wisbars Nasser Asphalt (GER 1958) erweist sich die Bundesrepublik der Konrad-Adenauer-Ära als bigott und rückständig, als eine rigoros kleinbürgerliche Verwaltungszone, die für viele nur unter dem Einfluss von Alkohol überhaupt zu ertragen ist. In seiner Sozialkritik ist Gerd Oswald weniger explizit als es einige der genannen Filme sind, doch bleibt er im Finale mit Zuspitzung seines Dramas bemerkenswert konsequent. Alles in allem ein Werk, dass der bundsdeutsche Autor und Kurator Olaf Möller 2017 zu Recht in seine hochwertige Retrospektive BRD Noir aufnahm. Empfehlenswert!
Es gibt eine bild- und tontechnisch einwandfrei restaurierte Fassung des Films auf einer deutschen DVD (2014) der Pidax film media Ltd. mit dem Film ungekürzt und im Originalformat. Diese enthält die original deutsche Tonspur, leider jedoch ohne Untertitel. Außer dem Wendecover bietet die Pidax-Edition wie immer im Fall eines Kinoklassikers, der auch in der BRD aufgeführt wurde, den Faksimile-Nachdruck der Illustrierten Film-Bühne mit Text und Szenenfotos des Programmheftes. Weitere Extras gibt es nicht.