Larry Parks, Constance Smith, Lisa Daniely, Cyril Chamberlain, Donald Stewart
London, England, bei Nacht: In einem Industriegebiet taumelt ein Mann über eine leere Gasse und bricht auf dem gegenüberliegenden Gehsteig im Licht einer Straßenlaterne zusammen. Ein Polizeiwagen nähert sich und zwei Beamte springen heraus. Der eine dreht den leblosen Körper auf den Rücken. Es sei John Desmond (Larry Parks), ruft er dem Anderen zu, jener solle einen Krankentransport rufen. Desmond kommt zu sich, flüstert mit letzter Kraft, dass es wohl zu spät sei, er habe den Tiger beim Schwanz gepackt und nicht loslassen können… Ursprünglich hatte Journalist John Desmond, der vor kurzem aus den USA in London eintraf, für die World Wide News Inc. das Büro in Paris übernehmen sollen. Schon auf der Reise wurde er nach Großbritannien umgeleitet und war deswegen enttäuscht. Am Flughafen wurde er auch nicht von seinem Vorgänger in London namens Macauly (Donald Stewart) abgeholt. Jener hatte seine Sekretärin Jane Claymore (Constance Smith) gesandt, die in Zukunft in Desmonds Vorzimmer arbeiten wüde. Sie fuhr ihn zu einem Hotel in Kensington, wo aus dem Regen in die Lobby tretend schließlich Macauly dem Ankömmling seine Aufwartung machte. Letzterer würde an Desmonds Stelle das Büro in Paris besetzen, obgleich es ihn eher in sein Apartment nach New York gezogen hätte, und schon war er wieder unterwegs. Desmond versuchte Jane Claymore anzurufen, die einzige Person, die er sonst in England kannte. Als das erfolglos blieb, machte er sich auf den Weg in einen Nachtclub…
Der britische Autor und Regisseur John Gilling war zwischen 1949 und 1967 ein Lieferant vieler B-Produktionen unterschiedlicher Genrezugehörigkeit, in den 50er Jahren häufig mit einem US-amerikanischen Filmstar aus der zweiten Reihe besetzt und dem Film Noir zugehörig. In Gillings In den Fängen der Unterwelt (UK 1953) war es Scott Brady, in seinem Der Mann, den keiner kannte (UK 1957) Victor Mature und in Sie pfiff – und die Kerle kuschten (UK 1960) Jayne Mansfield, die die werbewirksame Rolle des Imports übernahmen. Genaugenommen waren in jenen 50ern viele in Hollywoods Film Noir der 40er Jahre in Hauptrollen gecastete Schauspieler im britischen B-Film heimisch geworden. George Brent, Dane Clark, Alex Nicol, John Ireland, Lizabeth Scott, Paul Henreid und andere landeten auf Platz 1 der Besetzungslisten von Produktionen britischer Poverty-Row-Studios. Der Niedergang des Film Noirs durch die in den USA von Zensur und Restriktionen geprägte politische Kultur der McCarthy-Ära war daran stark beteiligt. Der US-Schauspieler Larry Parks zählte zu jenen, die beim House Committee on Un-American Activities (HUAC) auf der Schwarzen Liste endete und dessen US-Filmkarriere im Jahr 1952 jäh vorüber war. Insofern ist der deutsche Verleihtitel für den im Original so treffsicher Tiger by the Tail benannten Brit Noir, in dem er an der Seite von Constance Smith agiert, die in den Vorjahren als Engländerin in fünf US-amerikanischen Produktionen aufgetreten war, für Larry Parks von einer bitterbösen Doppeldeutigkeit. Parks sollte sich niemals mehr im Filmgeschäft etablieren. Schon 1962 trat er in einer letzten Nebenrolle in Erscheinung und verdingte sich fortan am Theater. Allerdings überzeugen in Auf der schwarzen Liste weder er noch Constance Smith als starkes Duo in Hauptrollen, sondern wirken fade und fehlbesetzt. Dass der Film dennoch aus dem Standard der 08/15-Produktionen eines John Gillings etwas hervorsticht mag damit zusamenhängen, dass das Skript auf dem Roman Never Come Back (EA 1941) von John Mair beruht und keine, wie sonst in seinen Filmen häufig, eigenständige Kreation Gillings war.
“As films noir go, the plot here is pretty standard fare. There’s a protagonist who’s not exactly a chump but nor is he any brighter than he needs to be”, schreibt Colin McGuigan für Riding The High Country. Sofern es Larry Parks’ Darstellung des Journalisten John Desmond betrifft, kann ich das so unterschreiben. Durch ihn stirbt eine Frau, Anna Ray (Lisa Daniely), ohne die er nicht leben zu können vorgibt, die Femme fatale des Films, die sich keines anderen Verbrechens schuldig machte, als aufgrund einer von Desmond gebrochenen Vereinbarung ihre Affäre mit ihm zu beenden. Als er sich damit nicht abfinden will, kommt es zu einer Handgreiflichkeit, bei der sie durch eine Kugel aus ihrem eigenen Revolver tödlich getroffen wird. Für John Desmond ist es ein Schock, aber von Reue oder Gewissensbissen erscheint er in der Folge völlig frei. Es ist der Wendepunkt des Films, aufgrund dessen die Gangster, für die Anna Ray arbeitete, auf John Desmond aufmerksam werden und ihn in die Zange nehmen. Der Totschlag der Geliebten hat als Kolleteralschaden keinerlei Konsequenzen für ihn. Zuletzt ist es nicht die einzige fragliche Wendung in einem Film Noir, der Potential beweist und eine gute Kameraarbeit von Eric Cross (Der Mann in Schwarz, UK 1951) sein eigen nennen kann, am Ende jedoch über sein beschränktes Budget und ein vorhersehbares Finale nicht hinausweist.
Es gibt von dem Film, der 1955 sogar in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich im Kino lief, eine sehr gute englische DVD-Edition (2013) der Renown Pictures Ltd. mit dem Werk bild- und tontechnisch solide restauriert, ungekürzt und im Originalformat mit der englischen Tonspur ohne Untertitel und ohne Extras.