Mann, den keiner kannte, Der

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Bewertung
***
Originaltitel
Interpol / Pickup Alley
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1957
Darsteller

Victor Mature, Anita Ekberg, Trevor Howard, Bonar Colleano, Dorothy Allison

Regie
John Gilling
Farbe
s/w
Laufzeit
91 min
Bildformat
Widescreen
 

 

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© Columbia Pictures Corporation
 
New York: In einer lauen Nacht springt die aufgeregte Helen (Dorothy Allison) im Abendkleid aus einem Taxi und eilt in ihr Apartment. Hier greift sie zum Telefon und ruft die Drogenfahndung an. Sie möchte mit ihrem Bruder Charles Sturgis (Victor Mature) verbunden werden, aber der ist nicht vor Ort, und so wendet sie sich an dessen Vorgesetzten Murphy (Lionel Murton). In größter Eile gibt sie durch, dass sie die Spur für die richtige hält. In ihrer Tarnung als Drogensüchtige kam sie tatsächlich an einen Mann heran, welcher der seit Jahren gesuchten Drogendealer Frank McNally (Trevor Howard) sein müsse. Mit ihm werde sie auch den weiteren Abend verbringen… Indessen bemerkt sie nicht, wie Frank McNally hinter ihr durch die Tür kommt und sie belauscht. Als Helen den Hörer aufgelegt hat, schließt er die Tür. Sie dreht sich um, Frank begrüßt sie mit einem Kompliment, doch dann zieht er Helens Halstuch fest und stranguliert sie. Während der Krankenwagen durch die Stadt rast, ist Frank McNally bereits in einer Jazzbar und plaudert mit dem Barmann Joe (Sidney James), einem seiner Pusher, der für ihn Heroin unter die Leute bringt. Das Geschäft läuft prächtig, aber Joe versteht nicht, wie seine Kunden bewusst derart abhängig werden können. Frank weist ihn an, Jack mitzuteilen, dass jener sich eine Zeitlang ruhig verhalte. In Übersee läge einiges im Argen, darum müsse er sich kümmern, er träfe Jack bei seiner Rückkehr. Zur gleichen Zeit trifft Charles Sturgis am Tatort ein und wird lediglich noch Zeuge, wie die Leiche seiner Schwester in den Krankenwagen gehoben wird…
 
“Pickup Alley is sometimes referred to as a film noir, which it is visually, (…) but it isn’t thematically”, schreibt Mark Gabrish Conlan für Movie Magg. Dem muss zumindest teilweise widersprochen werden. Die ersten 15 Minuten in New York sind fulminant und eine exzellente Einführung in eine Film-Noir-Geschichte, die zwei bemerkenswerte Darsteller und interessante Rollencharaktere aufs Tableau bringt. Trevor Howard ist als skrupelloser Drogenmogul dank seines Schauspiels ein Charakter, wie er sogar im Film Noir selten ist. Und Charles Sturgis ist ein ebensolcher Maniac, ein desillusionierter Cop auf einem Rachefeldzug, dem alle Mittel Recht sind und der auch in Rom bald jenen Behörden, die mit ihm kooperieren sollen, auf den Zeiger geht. Bonar Colleano, einer meiner Favoriten des englischen Films der 50er Jahre, ist exzellent als zwiespältiger Ganove und Helfer. Anita Ekberg, hier das schlecht gelaunte Luxusmädchen Gina Broger, ein Drogenkurier, war eh nie eine gute Schauspielerin und entspricht lediglich dem Zeitgeschmack; zugleich ist sie zwischen den beiden Kontrahenten gut aufgehoben. Nur an der Oberfläche ist Der Mann, den keiner kannte in der ersten Stunde ein Film, der sich auf Interpol oder die Police International fokkussiert – zwei irreführende und banale Titel. Und auch Pickup Alley, der US-Titel, ist eher belanglos. So lässt sich ausnahmsweise sagen, dass der deutsche Titel in seiner Doppeldeutigkeit der beste war und ist.
 
Der Mann den keiner kannte-still-web1.jpgDer Mann den keiner kannte-still-web3.jpgDer Mann den keiner kannte-still-web2.jpg

© Columbia Pictures Corporation

 
„I wish someone would paint you. I wish I could. I’d rather see you hung in the Royal Academy then… well, then just hung.” Die Geschichte der Interpol-Fahndung nach einem Gangster ist alles andere als originell, doch das Drehbuch mit einer Reihe wunderbarer Einzeiler gewürzt. Insgeheim gehört dieser Film Trevor Howard, dem erst an dritter Stelle Genannten. Wie Richard Widmark in Der Todeskuss (USA 1947) oder wie Jack Palance in Unter Geheimbefehl (USA 1950) ist es er und seine Verkörperung des in die Enge getriebenen Gangsters, was dem Film Leben und Charakter einhaucht. Tatsächlich erinnert auch das Finale im Hafen an Elia Kazans Unter Geheimbefehl, nur dass es nicht ansatzweise so schlüssig und packend ausfällt. Frank McNally handelt plötzlich wie ein kleiner Ganove, ein Anfänger im Metier, Charles Sturgis hat aus dem Nichts eine Eingebung. So stark das erste Drittel, so solide das zweite, so schwach ist der Schlussakt. Nach einer Stunde verlassen das Drehbuch die Kräfte, die Filmhandlung wird endgültig nicht durch die Charaktere sondern durch äußere Anlässe voran getrieben – ein Kriminalstück nach Schema F. Der Schluss fällt dann so armselig aus, wie es die Strickmuster der Kinoproduktion in jenen Jahren vorgaben. Trotz seiner Originalschauplätze, trotz der famosen Kameraarbeit Ted Moores und trotz Trevor Howard bleibt der zudem mit klasse Nebendarstellern besetzte Film damit im Mittelmaß kleben. Dennoch sollte mich wundern, wenn Regisseur John Frankenheimer sich für French Connection II (USA 1975) nicht genau von diesem Film hat inspirieren lassen. Gelohnt hat sich das allemal.
 
In den USA gibt es als Pickup Alley eine erstklassige DVD-Edition (2011) von Sony Pictures Home Entertainment, die den Film ungekürzt im Originalformat, bild – und tontechnisch exzellent restauriert präsentiert, den englischen Originalton ohne Untertitel und ohne Extras. In Europa ist bei Feel Films unter dem Titel Policia internacional eine spanische DVD (2012) erschienen, ebenfalls ungekürzt mit englischem Originalton.
 

 

Film Noir | 1957 | UK | John Gilling | André Morell | Bonar Colleano | Eric Pohlmann | Kevin Stoney | Martin Benson | Sidney James | Sydney Tafler | Trevor Howard | Victor Mature

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