Powers Boothe, Billy Kearns, Kathryn Leigh Scott, Billy J. Mitchell, Tony Sibbald
“Not that I was spoked, but there are times when courage is an overrated virtue; could make trouble and lead to all kinds of unsightly bruises.“ Diese britische Serie der Produktionsgesellschaften David Wickes Television Ltd. und London Weekend Television (LWT) entstand vor Ort in Los Angeles, Kalifornien, und ist mit Darstellern aus den USA und aus England besetzt. Neben der auffällig sorgsamen Ausstattung mit historischen Accessoires an geeigneten Drehorten ist der Schreibstil Raymond Chandlers in dessen Kurzgeschichten, jeweils die Vorlagen für alle 5 Episoden solcher ersten Staffel, allemal das Beste daran.
“Usually it’s so quiet in Beverly Hills you can hear the scratch of a fountain pen on a movie contract three mansions away.“ Sobald Philip Marlowe als Erzähler aus dem Off die Wendungen der Handlung oder seine eigenen Befindlichkeiten kommentiert, wimmelt es von scharfzüngigen Einzeilern, wie sie für so manchen Film Noir der 40er Jahren immerzu typisch waren. Für den aufmerksamen Zuschauer und für Cineasten liegt hierin der Genuss, indem sie nämlich daran erinnert werden, dass sie der Verfilmung eines einzigartigen Chronisten seiner Zeit und keiner x-beliebigen Kriminalgeschichte folgen. Der Rest der jeweils 50-minütigen Einzelfolgen ist leider nicht auf dem Niveau, das die literarische Quelle fordert. Powers Boothe ist als Philip Marlowe keine schlechte Wahl, doch eine nuancierte Verkörperung wie durch Dick Powell oder durch Humphrey Bogart, die seinerzeit in Murder, My Sweet (USA 1944) und in Tote schlagen fest (USA 1946) den P.I. dargestellt hatten, erreicht er nicht. Denn Powers Boothe ist zu sehr Tough Guy nach dem Vorbild seines von Dashiell Hammett erdachten Kollegen Sam Spade in John Hustons Die Spur des Falken / Der Malteser Falke (USA 1941). Er zeigt kaum Gebrochenheit und keine Zwischentöne, erweist sich weit mehr als ein Held anstatt als Antiheld.
The Pencil: An einem heißen Sommertag in Los Angeles begibt sich Privatdetektiv Philip Marlowe (Powers Boothe) zur Polizeistation, um dort den mit ihm gut bekannten Police Captain Victor (Violets“ Magee (Billy Kearns) zu treffen. Der langjährige Buchhalter eines Gangstersyndikats namens Sal Vacaro (David Healy) steht auf der Abschussliste des Mobsters Don Luigi (Bruce Boa) und braucht dringend Personenschutz. Doch Magee kann und will ihm keinen seiner eigenen Polizeibeamten zur Seite stellen, also ist P.I. Marlowe gefragt…
Die erste und in der ganzen Staffel beste Episode mit Peter R. Hunt (James Bond 007 - Im Geheimdienst ihrer Majestät, UK 1969) als Regisseur und mit Michael Green als Kameramann. Die Geschichte bringt mit Captain Magee und Annie Riordan (Kathryn Leigh Scott) Marlowes wichtigste Helfer, die auch in den folgenden 2 bzw. 3 Episoden mit von der Partie sind. Es wird angedeutet, dass zwischen ihr und dem Detektiv mehr als nur ein freundschaftliches Verhältnis besteht; echte Romantik fehlt hier aber ebenso wie in allen anderen Episoden vollständig. Im Ganzen gute Unterhaltung, die straff inszeniert ihre Zuschauer bei der Stahge hält.
The King In Yellow: In einer Rundfunkstation in Hollywood legt der Disc Jockey (Joel Cutrara) vom Night Owl Program den Jazztitel Lonely Town des Trompeters King Leopoardi (Michael Billington) mit Sängerin Dolores Chiozza (Lise Hilboldt) auf. Kurz darauf erhält er einen Anruf von Philip Marlowe, der heute Nacht im Carlton Hotel als Wachmann fürs Grobe arbeitet. Er wünscht sich ebenfalls einen Song von Leopardi, der auf Einladung von Gaff Talley (John Alderson), Eigentümer des Hotels und Marlowes Arbeitgeber, im Carlton zu Gast ist…
Schauspieler und Regisseur Bryan Forbes (Seance On A Wet Afternoon, UK 1964) zeichnet für die Regie der zweiten Episode verantwortlich, die an die erste nahezu heranreicht. Magee und auch Riordan sind einmal mehr mit dabei, und auch die übrigen Schauspieler können überzeugen. Die Schauplätze in Los Angeles sind exzellent gewählt und die Atmosphäre jener 30er Jahre des 20. Jahrhunderts besticht, was sie allerdings in den folgenden 3 Episoden ebenso vermag. Alles in allem eine für TV-Verhältnisse gelungene Adaption.
Finger Man: Privatdetektiv Philip Marlowe erreicht wegen eines Verkehrsstaus die City Hall erst spät, wo er heute im Mordfall des Staatsanwalts Robert Shannon in den Zeugenstand berufen wird. Nachdem der Ankläger (Ed Bishop) bereits Police Captain Victor Magee und Shannons Witwe (Amanda Boxer) vernommen hat, will er von Marlowe wissen, was sich am Tag des Mordes zugetragen hat. Denn der Privatdetektiv war zum Schutz des hohen Beamten angestellt worden, der im Zuge einer laufenden Untersuchung mehrfach bedroht worden war…
Annie Riordan fehlt, aber Gayle Hunnicutt als Sally Glen bringt eine überzeugende Darstellung als Femme fatale. Hunnicutt hatte bereits in Der Dritte im Hinterhalt (USA 1969) mitgespielt, wo James Garner in der Rolle Philip Marlowes aufgetreten war. Die Geschichte reicht nicht ganz an die vorhergehenden Folgen heran, vor allem das Finale ist eher schwach, aber auch einige der Nebendarsteller, eine abstruse Action-Sequenz und die etwas zu verklausierte Handlungslogik ließen mein Interesse vorzeitig erlahmen.
Nevada Gas: Im Brentmore Country Club, einem Verein für Millionäre, spielen der zwielichtige Rechtsanwalt Hugo Candless (Bill Bailey) und sein Juniorpartner George Dial (John Terry) eine Partie Badminton. Candless ist ein Grobian, der die Dienerschaft ebenso wie seinen Partner zu demütigen weiß… Vor der Wilcox Avenue Police Station parkt indessen Privatdetektiv Philip Marlowe, um Captain Victor Magee zu treffen. Letzterer berichtet Marlowe davon, dass Mops Parisi (Norman Caro) aus dem Gefängnis San Quentin entlassen wurde…
Produzent David Wickes hat bei der vierten Folge selbst die Regie übernommen, und das Niveau der Serie verflacht ein wenig. Kathryn Leigh Scott ist als Annie Riordan wieder dabei, aber einige der Nebendarsteller überzeugen nicht. Die Auflösung der rätselhaften Mordserie ist vorhersehbar und das Finale erweist sich als bemüht; zudem ist manche Action-Sequenz nicht auf dem geforderten Niveau inszeniert. Alles in allem nicht übel, für eine Chandler-Adaption jedoch schwach. Film-Noir-Veteran Howard Duff tritt kurz als Chauffeur auf.
Smart Aleck Kill: Der Hollywoodstar Sonny Wallace (Charles Nicklin) liegt mit einer schweren Erkältung in seiner Villa in Beverley Hills zu Bett. Draußen vor dem von Sicherheitskräften bewachten Tor skandieren seine Fans indessen Sprechchöre. Im Inneren des Hauses kommt der Prominentenarzt Dr. Charles William Sutro (Michael Shannon) die Treppe hinunter, gefolgt von der Krankenschwesater Dalton (Liza Ross). An deren Fuß erwartet ihn Privatdetektiv Philip Marlowe, der neugierige Reporter und andere Neugierige fernhalten soll…
Erneut von Peter R. Hunt in Szene gesetzt ist das die letzte und die schwächste Folge der ersten Staffel. Die Ausstattung und die Atmosphäre können nicht länger über Schwächen der Dramaturgie und der Handlungslogik hinwegtäuschen. Der Fall wirkt hanebüchen, die Nebendarsteller sind teils unterdurchschnittlich, Magee und Riordan fehlen, und zu guter Letzt wird deutlich, dass die Philip-Marlowe-Adaptionen mit Powers Boothe zwar unterhaltsam sind, ihnen das Gespür für die Nuancen des Abgründigen und Bizarren jedoch abgehen.
Es gibt eine holländische 2-DVD (2010) der Dutch Filmworks b.v. im Pappschuber mit allen 5 Episoden der ersten Staffel, bild- und tontechnisch solide, allerdings nicht brillant, doch ungekürzt und im Originalformat, dazu die original englische Tonspur und optional niederländische Untertitel, jedoch ohne jegliche Extras oder sonstige UT. Eine US-amerikanische DVD-Gesamtedition enthält zuätzlich die via Home Box Office (HBO), David Wickes und Vistar Films Corporation und Paragon Motion Pictures in Kanada produzierten 6 Episoden von Philip Marlowe, Private Eye - Season 2 (CAN/USA 1986), ist inzwischen jedoch über die Maßen kostspielig.