Michael Fassbender, Rebecca Ferguson, Charlotte Gainsbourg, Jonas Karlsson, Michael Yates
© Universal Pictures
In Norwegens Provinz Telemark herrscht ein strenger Winter. In ihrem an einem zugefronenen See gelegenen Haus lebt eine Mutter (Sofia Helin) mit ihrem Sohn (Leonard Samuelsson Heinemann), der durch das Fenster beobachtet, wie ein Schneepflug die einzige Zufahrt freiräumt. Direkt dahinter taucht ein VW Golf auf, der Dienstwagen von Onkel Jonas (Peter Dallle), eines Offiziers der Polizei. Der Junge ruft es seiner Mutter im ersten Stock zu und schon bald sitz sie mit Jonas und ihrem Sohn am Küchentisch. Der Onkel fragt den Jungen im Fach der norwegischen Geschichte ab. Er ist streng, und als das Kind eine falsche Antwort gibt, schlägt er der Mutter brutal ins Gesicht, so dass sie zu Boden geht… Indessen der Junge vor dem Haus einen Schneemann baut, weiß er, was im Schlafzimmer vonstatten geht. Er schleicht die Treppe empor in den Flur und sieht durchs Oberlicht Jonas neben seiner Mutter im Bett. Sie sieht auch ihn und droht nun Jonas damit, seiner Frau zu erzählen, dass er ein uneheliches Kind mit ihr habe. Da erblickt Jonas den Zuschauer ebenfalls. Er springt aus dem Bett, zieht sich an und ruft, dass sie ihn nie wiedersähe… Mutter und Sohn folgen mit ihrem Volvo dem Onkel in seinem VW Golf, holen ihn aber nicht ein. Die Mutter ergibt sich in ihr Schicksal, nimmt sie die Hände vom Steuer und der Wagen driftet die Böschung hinab aufs Eis eines Sees. Ihr Sohn zieht die Handbremse, springt aus dem Auto, indessen das Eis schon bedrohlich zu knirschen berginnt. Seine Mutter jedoch bleibt teilnahmslos darin sitzen…
Im Jahr 2011 geriet die Verfilmung von Jo Nesbøs Kriminalroman Headhunters (EA 2008) zur erfolgreichsten Produktion in der Filmgeschichte Norwegens. So wundert mich nicht, dass einige Jahre später die nächste Adaption eines Nesbøs-Romans ihren Weg ins Kino findet. Diesmal ist es eine internationale Produktion mit internationaler Besetzung und ohne norwegische Beteiligung. Zudem hat sie sich den gleichnamigen, siebten Roman (EA 2007, auf Deutsch 2008) aus Jo Nesbøs erfolgreicher Serie um den eigenbrödlerischen, alkoholabhängigen und brillanten Osloer Hauptkommissar Harry Hole vorgenommen. Mit Michael Fassbender (Deutschland), Rebecca Ferguson (Schweden), Charlotte Gainsbourg (Frankreich), Ronan Vibert (England) und Val Kilmer (USA) besetzt, zeigt der Film unter der Regie Tomas Alfredsons (Schweden) und mit Drehbuchautor Hossein Aminis (Iran / England) ein beeindruckendes Ensemble vor und hinter der Kamera von Dion Beebe (Australien). Auch ist der Einstieg in die Geschichte rundum gelungen, denn Jo Nesbøs Roman hat etwas zu erzählen und der Film versucht, seine Vorlage bei den Hörnern zu packen. Beizeiten waren mir bereits in dessen erster Hälfte Bildsprache und Schnittfolge ein wenig zu glatt und allzu typisch für den zeitgenössischen Thriller der Gegenwart. Doch überwiegen hier die positiven Aspekte. Erst später ändert sich das. Leider.
"The Snowman is definitely disappointing. Parts of this movie are gripping (…) but the script and Alfredson's direction never capitalize on those moments“, schreibt Jeanne Kaplan für Kapkan vs. Kaplan, und das gilt vor allem für die zweite Hälfte, sobald sich die Serienkiller-Klischees so rasant aneinander reihen, dass es dem Film jeglichen Reiz nimmt. Bis zum Finale in Eis und Schnee, das die Geschichte an ihren Ausgangspunkt zurückführt, ist es ein fast zweistündiger Weg. Aber zu viele seiner Anlagen nutzt der Film halbherzig oder lässt sie links liegen, etwa die Verzahnung der privaten Situation Harry Holes (Michael Fassbender) mit der traumatischen Vergangenheit des Killers. Oder die überraschende Biografie von Harry Holes ehrgeiziger Kollegin Katrine Bratt (Rebecca Ferguson). Scheinbar soll sie der Figur Tiefe und Charakter zusprechen, aber schon agiert sie selbst in einer Weise, dass wir das weder dem Film noch Katrine abkaufen. Es ist das Manko des Films: seine Unentschlossenheit, ob er ein von dunklen, zutiefst verstörten Charakteren getriebener Neo Noir sein möchte oder nur ein weiterer Hochglanz-Thriller um einen Serienmörder nach Schema F. Mit vielen Versprechen zum Auftakt und so vielen Talenten an Bord hätte Schneemann ein erstklassiger Nordic Noir werden müssen. Sein miserables “Editing“ und die schlampige Dramaturgie, die in ein schlicht albernes Finale mündet, lassen sowohl Zweifel an der Kompetenz seines Regisseurs als auch den Verdacht einer Einflussnahme seitens des Studios aufkommen. In seiner jetzigen Fassung ist der Film nichts als das typische Krimifutter einer schon viel zu lange übersättigten und selbstgerechten Unterhaltungsbranche.
Exzellente deutsche BD- und DVD-Editionen (2018) der Universal Pictures Germany GmbH mit dem Film ungekürzt im Originalformat, dazu die original englische (nicht norwegische) Tonspur plus Synchronisationen auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch, dazu optional Untertitel auf Deutsch, Arabisch, Spanisch, Dänisch, Niederländisch, Finnisch, Französisch, Hindi, Isländisch, Norwegisch, Italienisch, Portugiesisch und Schwedisch. Als Extras gibt es gleich eine ganze Reihe Featurettes: Die Welt der Figuren, Die Entstehung von Jo Nesbøs Welt, Der Schneemann-Killer, Die Landschaft Norwegens und schließlich Stunt Files: Der einsinkende See. Alles in allem eine durchdachte Edition.