Anton Yelchin, Zooey Deschanel, John Hawkes, Alia Shawkat, Frank Langella
Irgendwo im US-amerikanischen Mittelwesten hinter Augustine steht der ehemalige Musikstudent und jetzige Barkeeper Pierre Hunter (Anton Yelchin) auf dem Weg nach Chartrand am Straßenrand. Nachdem sein Wagen eine Panne hatte, versucht er per Anhalter die nächste Autowerkstatt zu erreichen. Schließlich hält ein Pick-Up und Pierre erkundigt sich durchs Seitenfenster bei Shane (John Hawkes), ob er ihn mitnehmen könne. Das erste, was der von ihm verlangt, sind 20 US-Dollar Benzingeld. Pierre merkt, dass mit Shane nicht zu verhandeln ist. Also willigt er ein und klettert mit einer Buschrose im Pflanzenkübel, die er bei sich trägt, auf den Beifahrersitz. Shane erklärt Pierre, dass er auf dem nach San Antonio sei, da sein Bruder in einer Autowaschanlage mehrere Tausend US-Dollar gefunden habe, vielleicht Drogengeld oder dergleichen. Als ihm Pierre mit seinen Fragen auf die Nerven geht, hält er kurzerhand an und fordert ihn auf auszusteigen. Nach kurzem Disput schmeißt Shane seinen Gast auf die Straße und behält dessen Buschrose. Doch Pierre rappelt sich auf, zieht einen Stein aus seiner Tasche und wirft ihn Shane hinterher. Da beim Pick-Up die Heckscheibe fehlt, trifft das Geschoss seinen Fahrer tatsächlich am Hinterkopf und der Wagen rollt in den Straßengraben, wo er zum Stehen kommt. Pierre sieht, dass Shane bewusstlos im Fußraum der Fahrerkabine liegt. Er zieht nun den Zündschlüssel ab und wirft ihn fort, bevor er eine Umhängetasche untersucht, die voller Dollarnoten ist und die er kurzerhand an sich nimmt…
Wenn sich eine ihrer selbst bewusste und von der Popkultur beeinflusste, akademisch geschulte und unabhängige Filmproduktion aufs Terrain des Neo Noirs begibt, schürt das natürlich Erwartungen. Autoren und Regisseure wie Amos Poe, Alan Rudolph, David Lynch oder Jim Jarmusch sind auf diesem Pfad vorangeschritten, und der Kanadier Zachary Sluser folgt ihnen mit The Driftless Area nach, der Verfilmung des gleichnamigen Romans (EA 2006) von US-Schriftsteller Tom Drury. Viele der beteiligten Schauspieler sind ebenso wie der Regisseur in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts geboren, etwa Anton Yelchin (1989) und Zooey Deschanel (1980). Der Altersunterschied von über 9 Jahren zwischen ihnen fällt erstaunlicherweise kaum auf. Andere kommen so wie Tom Drury, der neben Sluser am Drehbuch beteiligt war, aus den 50er Jahren, nämlich John Hawkes und Ciarán Hinds. Letztere sind für mich die wirklichen Stars dieses Films; genau sie bieten Schauspiel auf hohem Niveau. Demgegenüber ersticken die um Alia Shawkat und Aubrey Plaza ergänzten Provinzstadt-Hipster und -Slacker im Alter zwischen 25 und 35 Jahren, allesamt keine üblen Schauspieler, an der eigenen Lässigkeit und Selbstreferenz. The Driftless Area erzählt uns das postmodernistische Märchen einer Clique junger Menschen, die sich nach schmerzhaften Erfahrungen in der Liebe oder dem Verlust der Eltern vom kapitalistischen Getriebe ihrer Umwelt weitgehend entkoppelt haben und sich in pseudophilosophischen Erörterungen zu Sinnstiftung und Wiedergeburt ergehen, hin und wieder von etwas Alternative Country oder Pop untermalt. Mit dem rätselhaften "Propheten" Tim Geer (Frank Langella) kommt noch eine gehörige Dosis Mystik hinzu, die sich aller Coolness und abgeklärter Komik zum Trotz tatsächlich als ernstgemeint erweist. So erleidet der Film dann zunehmend Schiffbruch. Besonders im letzten Drittel sind die von Zooey Deschanel und Anton Yelchin dargestellten Berufsjugendlichen nur schwer auszuhalten.
”I’ve been thinking about me, and I haven’t been thinking about you.” – “You don’t have to think about me.” Derlei in ihrer Nabelschau abstruse Dialoge werden mit einer Ernsthaftigkeit und mit einem Pathos als vermeintlich tiefe Erkenntnisse serviert, dass es die Grenze zur Selbstparodie überschreitet. Mal im Gras und mal auf der Veranda dahin genuschelte Sätze auf der Suche nach einem Glück im Leben, die mystifizierte Zweisamkeit im Schatten des Todes erweist sich in letzter Konsequenz als Signal der Substanzlosigkeit einer Geschichte, die selbst nicht an sich glaubt. Hier rettet den Film auch das Gegengewicht der von John Hawkes und Ciarán Hinds kongenial personifizierten Kleinstadtgangster nicht, sosehr das Schauspiel und die Chemie der beiden in all ihren Szenen auch einen Hochgenuss darstellen. Was als supercool und tiefgründig erscheinen will, erweist sich schlimmer noch als Amos Poes Alphabet City (USA 1984) oder Rian Johnsons Brick (USA 2005) als gewollt statt gekonnt und hinterm Strohfeuer seiner Pseudomystik gänzlich uninspiriert. Wer einen feinen und ebenfalls dem Neo Noir zugeneigten Independent-Film in der Nachbarschaft von The Driftless Area sehen möchte, sollte lieber zu David Burris‘ hierzulande wenig beachtetem Zorniges Land (USA 2015) greifen, der mich bei weitem mehr zu überzeugen vermochte.
Gute DVD-Edition (2016) der Sony Pictures Home Entertainment mit dem Film ungekürzt im Originalformat, dazu die englische Tonspur sowie je eine deutsche, französische, spanische und italienische Synchronisation plus Untertitel auf Deutsch, Englisch, Arabisch, Dänisch, Finnisch, Französisch, Hindi, Holländisch, Italienisch, Norwegisch, Polnisch, Schwedisch, Spanisch und Türkisch sowie mit einem 15minütigen Making Of als Extra.