Ronald Zehrfeld, Mišel Matičević, Thomas Thieme, Bernhard Schütz, Hendrik Duryn
© Summiteer Films
München: In einer heruntergekommenen Siedlungswohnung brüllt der Drogenhändler Mahir (Hassan Issan) ins Telefon, dass er nicht bereit sei, mit einem Kilogramm seiner Ware das Haus zu verlassen. Seine Freundin ist genervt und verlässt ihr eigenes Apartment, indessen die Katze und ihr Kind im Laufstall vor Ort bleiben. In der Küche raucht Türsteher und Drogenhändler Hamid Hamiyet mit einem Kumpel eine Wasserpfeife. Auch er versucht Mahir zu beruhigen. Die junge Frau geht ins Treppenhaus und wird auf dem nächsten Absatz von dem schwerbewaffneten Polizisten eines Sondereinsatzkommandos zur Seite gerissen. Der Gruppenleiter des SEK, Mendes (Mišel Matičević), fragt sie, ob sie es mit drei Männern zu tun hätten und sie nickt. Die Polizeibeamten rücken die Treppe empor und Volker (Godehard Giese) postiert sich mit einem Rammbock direkt vor der Tür. Genau in dem Augenblick rafft Mahir auf dem Boden des Korridors seine Drogen zusammen, die die Katze Sekunden zuvor von der Ablage gefegt hatte. Er sieht die Bewegung im Treppenhaus, nimmt sich eine Pump-Gun und feuert in dem Moment durch die Tür, als Volker sie einschlagen will. Letzterer stürzt, doch nun überschlagen sich die Ereignisse. Mahir wird mit Gewehrschüssen durch die stets geschlossene Tür getötet, dann dringen die Beamten vor. Beim Fluchtversuch wird auch Hamids Freund erschossen, Hamid selbst kann durchs Küchenfenster in den Hof entkommen. Von hier aus verfehlt Jenne (Urs Rechn) ihn mit zwei Schüssen knapp…
Der Journalist Ulrich Kriest geht für die filmgazette mit Autor und Regisseur Philipp Leinemann hart ins Gericht, wenn er über jenen schreibt, dass „der Filmemacher glaubt, dass sein Film vom Testosteron des plakativ Männerbündischen derart profitiert, dass allein schon Laustärke und ungebrochenes Imponiergehabe aus einem konventionellen und eher schwachen Fernsehfilm ein kinotaugliches Produkt macht.“ Leider hat Kriest zu 100% Recht damit. Das ist ein zentrales Problem des Films. Die SEK-Truppe trieft vor Klischees, die jeder Freund der TV-Serie Tatort (GER 1970 - heute) mit von Schauspielern wie Götz George oder Til Schweiger dargestellten Polizeibeamten verbindet und wohl auch erwartet. Hinzu kommt von einigen der Beteiligten - und leider auch von Mišel Matičević - ein ungebremstes Over-Acting, so dass der Zuschauer bei manchen Szenen entweder an der falschen Stelle lachen muss oder nurmehr genervt die Augen verdreht. Derlei zu verhindern und seinen Film auf Kurs zu bringen, ist die Sache eines Regisseurs. Doch jener hat das an entscheidenden Stellen versäumt. Ich bedaure dies, denn Wir waren Könige hätte eine gute Geschichte zu erzählen, bietet auf seinen verschachtelten Erzählebenen viele Ansätze, die es wert wären verfolgt zu werden und punktet mitunter auch mit beeindruckenden und berührenden Einzelszenen. Über die komplette Dauer des Werks zeigt sich: Irgendwo in diesem übersteuerten Rachedrama versteckt sich ein guter Film, der kurz davor ist zu erscheinen. Aber trotz seines konsequenten Finales und des verblüffend stilsicher gesetzten Schlusspunkts kommt er bis zuletzt nicht zum Tragen. Wir waren Könige hinterlässt einen kühl und frustriert, nicht betroffen und/oder nachdenklich.
Ich bin sicher, auch Leinemann trat seinerzeit mit dem Anspruch an zu zeigen, dass man in Deutschland einen Film drehen könne, der internationalen Standards gerecht wird. Ich schreibe “auch“, denn damit ist er nicht allein. Seit den 80er Jahren steht vor allem Dominik Graf für einen oft vom französischen Neo Noir beeinflussten deutschen Thriller à la Die Katze (GER 1988) oder Der Skorpion (GER 1997). Exakt 20 Jahre vor Wir waren Könige hat Graf mit dem Kinofilm Die Sieger (GER 1994), der in Leitmotiven und Wendungen seiner Handlungsentwicklung Leinemanns Film überaus ähnlich ist, selbst einen Cop-Thriller im SEK angesiedelt - Korruption, Rivalität und Racheplot inklusive. Und auch Olivier Marchals 36 - Tödliche Rivalen (FRA 2004) und Fernando Meirelles' und Kátia Lunds City Of God (BRA/FRA 2002) dürften Philipp Leinemann bekannt sein, demgegenüber solche Inspirationen nicht negativ zu bewerten sind. Aber bis auf das überzogen unreife und stets präpotente Schlägergehabe der Polizeibeamten zeichnet den Film wenig aus, bleiben doch die Charaktere der rivalisierenden Jugendgangs großteils blass. Figuren wie Torsten (Tilman Strauss) oder Nasim (Mohamed Issa) sind schön angelegt, gehen jedoch in der Hektik der Geschichte unter, wenngleich sie an deren Eckpunkten entscheidenden Einfluss nehmen. Fazit: Allein Tempo und Action reichen für einen überzeugenden Neo-Noir-Thriller nicht aus. Letztlich muss ein Drehbuch auch glaubwürdige Rollencharaktere bieten und Motive zuordnen, die auf einen Verweis auf genretypische Klischees verzichten und sich im Gegenzug den Topos der Erzählung anverwandeln. Trotz einzelner Halbschritte in die richtige Richtung passiert letzteres hier aber nicht. Wir waren Könige bleibt eine Enttäuschung.
Exzellente BD- und DVD-Editionen (2015) der Universum Film GmbH, München, mit dem Werk ungekürzt im Originalformat, die original deutsche Tonspur und eine englische Synchronisation, dazu optional deutsche Untertitel, den Kinotrailer und ein Making Of als Extras.