Neo Noir
| International
| 2014
| Hossein Amini
| Patricia Highsmith
| Hossein Amini
| Oscar Isaac
| Viggo Mortensen
Bewertung
****
Originaltitel
The Two Faces Of January
Kategorie
Neo Noir
Land
UK/FRA/USA
Erscheinungsjahr
2014
Darsteller
Viggo Mortensen, Kirsten Dunst, Oscar Isaac, Daisy Bevan, David Warshofsky
Regie
Hossein Amini
Farbe
Farbe
Laufzeit
96 min
Bildformat
Widescreen
© Studiocanal GmbH
Griechenland im Jahr 1962: Der Touristenführer Rydal Keener (Oscar Isaac) leitet eine Gruppe amerikanischer Studentinnen durch das Parthenon auf der Athener Akropolis, wo er ihnen von der Tragödie des Königs Ägäis, Vater des Theseus, berichtet. Zeitgleich ist das Ehepaar Chester (Viggo Mortensen) und Colette MacFarland (Kirsten Dunst) in der Ruine unterwegs. Zu Colettes Vergnügen trägt Chester allerlei aus einem Reiseführer vor. Kurz darauf liest Rydal einen Brief, der ihm die Todesanzeige seines Vaters übermittelt und Empörung darüber äußert, dass der Sohn es nicht für nötig hielt der Beerdigung beizuwohnen. Als er Chester und Colette vorüber gehen sieht, kann er kaum die Augen von den beiden wenden, was Chester MacFarland sichtlich auffällt. Auf der Terrasse eines nahen Cafés trinkt Rydal mit Lauren (Daisy Bevan) aus der Gruppe seiner Studentinnen eine Flasche Rotwein, und auch die MacFarlands sind dort. Das Mädchen hat an ihrem attraktiven Touristenführer Gefallen gefunden, bemerkt jedoch schnell, dass er ein Auge auf Chester MacFarlands Frau geworfen hat. Rydal bestreitet das und gibt an, dass ihn Chester MacFarland an seinen Vater erinnere, nachdem er Lauren beim Bezahlen der Flasche kurzerhand betrogen hat. Indessen macht Chester seine Frau darauf aufmerksam, dass jener junge Mann ihn seit dem Besuch des Parthenons permanent anstarre. Die neugierige Colette trifft Rydal vor den Waschräumen und findet heraus, dass er Amerikaner und ein Touristenführer ist, der in Yale studierte…
Ein klassischer Thriller mit einer grandiosen Besetzung, der sich nicht nur seiner Kulissen und Schauplätze bemächtigt, wie das aktuell, da die Inszenierung ihre Erzählung oft völlig verdrängt, so in Mode ist, sondern auch als Romanverfilmung gelungen ist. Die geruhsame Taktung, eine unaufdringliche Musikbegleitung und ein erstklassiges Ensemble treiben die Geschichte geschickt auf ihre dramatischen Abgründe zu, die nicht von Pappe sind. Vor allem Viggo Mortensens Portrait des zentralen Charakters Chester MacFarland, eines aus New York in die komfortablen Zentren Europas geflohenen Anlagebetrügers und Finanzjongleurs, der trotz der Liebe zu seiner Ehefrau Colette sein Leben in Scherben gehen sieht, ist so sensibel und facettenreich wie im richtigen Moment pointiert ausdrucksstark. Und obgleich Hossein Aminis Regie des eigenen Debüts eindeutig im Windschatten Alfred Hitchcocks angesiedelt ist, zeigt er uns eine Bildästhetik und einen Fokus auf dem Schlagabtausch im Dialog, der sich von den Traditionen des Kinos der Frühsechziger klar abzuheben weiß, Immerhin war Hitchcocks Der Fremde Im Zug / verschwörung im Nordexpress (USA 1951) die erste Verfilmung eines Buches von Patricia Highdmith. Sie verfasste auch den Roman über das Doppelgesicht der griechischen Gottheit Janus‘, - Erstveröffentlichung 1964 und zwei Jahre später als Unfall auf Kreta in Deutschland - der dem Monat Januar als Anfang des Jahres seinen Namen gab. René Clément folgte Hitchcock mit seiner bereits in den malerischen Breiten des Mittelmeeres angesiedelten Highsmith-Verfilmung Nur die Sonne war Zeuge (FRA/ITA 1959) und Wim Wenders brachte seine eigenwillige Adaption von Der amerikanische Freund (GER/FRA 1977) nach Hamburg und Paris. Die zwei Gesichter des Januars wurde bereits 1986 von Wolfgang Storch und Gabriela Zerhau für das westdeutsche Fernsehen verfilmt, doch deren Fassung ist heute obskur und liegt uns nicht vor.
Mortensens Chester MacFarland ist ein Film-Noir-Charakter par excellence, wie man ihn sich in den frühen 60er Jahren von einem in die Jahre gekommenen Robert Ryan hätte vorstellen können. Aber in jenen Jahren hatte Hollywood kaum (noch) den Sinn für einen solchen Film und auch heute ist Die zwei Gesichter des Januars die internationale Co-Produktion eines seit 20 Jahren in England lebenden, gebürtigen Iraners als Autor und (erstmalig) als Regisseur, der u.a. das Drehbuch für Drive (USA 2011) verfasste und hier eine rundum souveräne Leistung bietet. Der Film scheut sich nicht, das Drama der drei Figuren konsequent zuzuspitzen, die weder auf äußere “Action“ angewiesen sind noch jenem Gut-Böse-Schema entsprechen, das sich heute durch prozentuale Umverteilungen als psychologisch tiefgründig tarnt. Von derlei Mainstream-Zutaten zeitgenössischer Produktionen ist Aminis Film weit entfernt und musste deshalb auch Schelte von Kritikern einstecken, die ihn spannungsarm und fade finden. Sein Publikum hat mitunter das Problem, dass die zentralen Personen nicht als Identifikationsfiguren taugen, keine ins Unglück geratenen Gutmenschen sind, wie das in Hollywoods High-Speed-Thrillern seit 25 Jahren die Norm ist. Nein, hier geht es um etwas anderes. Und Hossein Amini selbst hat im Rekurs auf die Autorin der Vorlage eine Antwort mitgeliefert: “As they're unraveling the world is becoming a really hostile place.The idea of film noir set in sunshine - underneath the beauty there's this rotting heart.”
Erstklassige BD- und DVD-Edition von Arthaus /Studiocanal (2014) mit dem Film ungkürzt im Originalformat mit wahlweise der deutschen oder englischen Tonspur, optional deutsche Untertitel, den Kinotrailer als Extra.