Film Noir
| USA
| 1949
| John Berry
| Barry Sullivan
| Lloyd Gough
| Peter Brocco
| Richard Basehart
| William Conrad
| Audrey Totter
| Theresa Harris
Bewertung
****
Originaltitel
Tension
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1949
Darsteller
Richard Basehart, Audrey Totter, Cyd Charisse, Barry Sullivan, Lloyd Gough
Regie
John Berry
Farbe
s/w
Laufzeit
95 min
Bildformat
Vollbild
© Warner Bros.
Los Angeles: Der ebenso erfahrene wie abgebrühte Police Lieutenant Collier Bonnabel (Barry Sullivan) hat ein bewährtes Rezept, um in einem Fall der Mordkommission, für die er arbeitet, zum Erfolg zu kommen. Er übt Druck aus und lässt die Verdächtigen allein mit der Spannung, die sie auf Dauer nicht ertragen können… Nach seiner Rückkehr aus dem Zweiten Weltkrieg war Warren Quimby (Richard Basehart) nicht gerade vom Glück verwöhnt. Aber der fleißige Mann arbeitet Nacht für Nacht in einem Drugstore, um für sich und seine attraktive Frau Claire (Audrey Totter) etwas Geld zusammen zu sparen, damit sie sich ein besseres Leben leisten können. Claire jedoch dankt es ihm schlecht. Sie träumt von Luxus und von einem Herrn, der sie umgarnt und ihr ein Dasein in Saus und Braus ermöglicht. Teures Parfüm und schöne Kleider sind ihre Welt, während ihr Ehemann, der sie abgöttisch liebt, Claire langweilt und anekelt. Wenn der eifersüchtige Warren Quimby nachts in das über dem Geschäft gelegenes Apartment eilt, um zu sehen, ob sie wirklich Zuhause ist, leidet auch sein Kollege Freddie (Tom D’Andrea), der im Gegensatz zu Warren Claires Interesse für den protzigen Lebemann Barney Deager (Lloyd Gough) längst durchschaut hat. Als Warren mit seiner Frau in ein am Strand gelegenes Neubaugebiet fährt und ihr einen Bungalow zeigen will, für den er endlich eine Anzahlung leisten könnte, hat Claire für seine kleinbürgerlichen Träume nur Hohn und Spott übrig und steigt nicht mal aus dem Wagen aus. Warren Quimby lässt auch diese Demütigung über sich ergehen und hofft nur, dass sie ihm nie davonläuft…
“You were full of laughs then. Well, you're all laughed out now.” Das ist ein klassischer Film Noir mit einer durchgängig klassischen Erzählung und dargeboten von drei Akteuren in den Hauptrollen, die man getrost als Film-Noir-Ikonen bezeichnen darf. Vor diesem Hintergrund ist Alan Rivkins Drehbuch wenig originell und bringt viele der zu dem Zeitpunkt bekannten Zutaten des Film-Noir-Kinos in altbewährter Manier – eine vom Materialismus zerfressene Femme fatale, einen sensiblen und (weil liebestoll) auch wehrlosen Mann, zudem Kriegsveteran, den seine brave Schicksalsergebenheit in eine sich zuspitzende Krise treibt, etc. pp. Es gibt mit Blick auf die Motivation der Rollencharaktere einige unbeantwortete Fragen, auch grenzwertige Koinzidenzen. Bezüglich der Handlungslogik erscheint manches nicht so wasserdicht, wie es sein sollte. Warum funktioniert der Film dennoch so gut, dass man ihn beinahe als Klassiker der zweiten Reihe vorbehaltlos empfehlen möchte? Zum Ersten trägt das Konfliktpotential der Dreiecksgeschichte, in die Claire Quimby mit Willenskraft und Energie hinein manövriert, den Film mühelos. Hinzu kommt eine der besten Leistungen Barry Sullivans, die ich jemals sah, der den stets wunderbaren William Conrad (Rächer der Unterwelt / Die Killer, USA 1946) als seine rechte Hand im Schlepptau führt. So ist inklusive weiterer Nebendarsteller, die alle exzellent sind, lediglich Cyd Charisse als Mary Chanler mit einer für Sie typischen, kreuzbraven All-American-Girl-Rolle der einzige Minuspunkt, der Tension vor dem schon erwähnten Klassiker-Status bewahrt.
© Warner Bros.
Tatsächlich gehört der Film Audrey Totter, die ursprünglich die Erstgenannte der Kinoplakate hatte sein sollen. Sie bringt mit Claire Quimby eine der schillerndsten Film-Noir-Frauen mit einer dennoch klar aus dem Materialismus des US-amerikanischen Wohlstands der Nachkriegsjahre entsprungenen Gier nach Luxus und Status auf die Leinwand. John Berry, auch am Drehbuch beteiligt, hatte mit Casbah - Verbotene Gassen (USA 1948) ein Film-Noir-Remake des schwärzesten Films des französischen Poetischen Realismus’ gedreht, nämlich Julien Duviviers Pepé le Moko – Im Dunkel von Algiers (FRA 1937). Tension folgt subtil der entlarvenden Sichtweise auf die Ressorts der bürgerlichen Schichten und ihrer Staatsmacht, darin sich die Personen heillos verstricken. Clever ist der Schachzug mit dem Aufbau einer erfundenen Figur, in die Warren Quimby schließlich heinein schlüpft, um seine Rachegelüste in die Tat umzusetzen… Kameramann Harry Stradling sr. verleiht dem Film eine erstklassige Bildästhetik, die vor allem viele der Nachtszenen einfühlsam prägt. Nachdem der Regisseur Edward Dmytryk 1951 gegenüber dem House Committee on Un-American Activities (HUAC) zu plaudern begonnen hatte, um seine Karriere in den USA zu retten, kam John Berry auf die schwarze Liste und emigrierte wie Jules Dassin nach Frankreich. Leider gelang ihm nie, sich wie Dassin oder Joseph Losey im Exil als Regisseur mit Signatur zu etablieren. Allemal zählt Steckbrief 7-73 (USA 1951), Berrys letztes US-amerikanische Werk, bis heute zu den nicht ausreichend gewürdigten Meisterstücken des Film Noirs.
In den USA ist Tension ein Film der 5DVD-Box (2010) der Film Noir Classic Collection Volume 4 von Warner Bros. Home Entertainment, topp restauriert, ungekürzt im Originalformat, inklusive englischer Untertitel. In Europa gibt es von diesem ursprünglich von Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. produzierten Film Noir, der leider nie im deutschen Kino lief, seit 2015 eine DVD-Edition mit wahlweise dem italienischen oder englischen Ton.