Film Noir
| USA
| 1953
| Alfred Hitchcock
| Robert Burks
| Karl Malden
| Montgomery Clift
| Anne Baxter
Bewertung
****
Originaltitel
I Confess
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1953
Darsteller
Montgomery Clift, Anne Baxter, Karl Malden, Brian Aherne, O. E. Hasse
Regie
Alfred Hitchcock
Farbe
s/w
Laufzeit
91 min
Bildformat
Vollbild
© Warner Bros.
Québec, Kanada: Während die Stadt in die Dunkelheit der Nacht entschwindet und die letzten Fußgänger nach Hause laufen, steht an einer Straßenecke ein Fenster weit offen. Der Rechtsanwalt Vilette (Ovila Légaré) liegt, mit einem Knüppel erschlagen, tot in seiner Kanzlei. Ein Mann in der Robe eines Priesters (O. E. Hasse) eilt durch die Gassen, streift sich die Robe ab und erreicht eine katholische Kirche, wo er eintritt. Vom Fenster seines Zimmers hat ihn Pater Michael Logan (Montgomery Clift) entdeckt. Überrascht tritt er ins Kirchenschiff, aber auf seinen Zuruf meldet sich niemand aus den in Dunkelheit liegenden Sitzreihen. Pater Logan nimmt eine Kerze und geht den Mittelgang hinunter, an dessen Ende er den ins Gebet versunkenen Otto Keller findet, Hausmeister der Kirche und Flüchtling deutscher Herkunft. Keller bittet den Pater, ihm die Beichte abzunehmen und gesteht den Mord an Vilette, von dem er 2000 Dollar zu stehlen hoffte, um sich und seine hart arbeitende Ehefrau Alma (Dolly Haas) aus ihrer Lage zu befreien und die Schiffspassage nach Deutschland zu finanzieren. Doch er wurde von Vilette überrascht, weshalb er sich keinen Rat wusste und zuschlug… Pater Logan beschwört Keller das Geld zurückzugeben und Keller verspricht es ihm. Als er später sein Geständnis Alma gegenüber wiederholt, stellt er fest, dass Pater Logan ans Beichtgeheimnis gebunden ist. Warum sollte er das Geld zurückgeben? Am Morgen fingiert Keller, der jeden Mittwoch für Vilette den Garten besorgt, den Fund der Leiche des Anwalts und gibt Inspektor Larrue (Karl Malden) zu seiner schrecklichen Entdeckung bereitwillig Auskunft…
“For decades, despite its title and year of release (1953), Alfred Hitchcock’s I Confess has not been written up in film noir books as a crime film that is politically engaged with McCarthyism”, stellt Dan Hodges in einem der spannendsten Dossiers zum Film Noir unterm Titel Naked Alibi – der Bezug zu Jerry Hoppers Film von 1954 ist Programm - in seinem Blog The Film Noir File zur Debatte. Tatsächlich gilt Zum Schweigen verurteilt / Ich beichte auch bei erfahrenen Alfred-Hitchcock-Fans oft als Enttäuschung. Er scheint weniger zupackend und in seinen zu erwartenden Elementen des Thrills fahriger als andere Filme der Ära, seien es populäre Standards wie Bei Anruf Mord (USA 1954) oder Das Fenster zum Hof (USA 1954) oder die ungemütlichen Film-Noir-Werke à la Der Fremde im Zug / Verschwörung im Nordexpress (USA 1951) oder Der falsche Mann (USA 1956). Wie bei dem letztgenannten geht es auch in diesem Hitchcock-Film weniger um Liebe und Verbrechen, die in einem rasanten Finale kulminieren, sondern um den Weg bis zur Aufklärung dessen, um den Leidensweg der Protagonisten. In nahezu jeder Inszenierung legte der Regisseur Hitchcock besonderen Wert darauf, seine zentralen Figuren bis an die Grenzen des Erträglichen unter Druck zu setzen, sei es - das wiederum typisch für den Film Noir - durch die eigene psychische Disposition oder durch die Liebe zu einer Frau oder sei es durch besondere Umstände. Solche sind in Zum Schweigen verurteilt / Ich beichte nur vordergründig welche, die im Konflikt der via Recht und Gesetz zur Ordnungsmacht berufenen Polizeibehörde und eben der klerikalen Gesetze ihren Ursprung haben. Vielmehr stehen Letztere für die moralische Integrität des Einzelnen, seine Loyalität zum Nächsten und für seine Würde.
Nicht nur bei Hitchcock sondern generell im Film Noir wird letzteres grundsätzlich beschädigt und zugunsten der Bekämpfung von Verbrechern und unliebsamen Widersachern gesellschaftlicher Ordnung komplett missachtet. Man denke ans Verhör des Blumenlieferaten Joe Rolfe (John Payne) in Der vierte Mann (USA 1952) oder an die Hetzjagd auf den unschuldig verurteilten George Clement Morgan (Trevor Howard) in Sträfling 3312 (UK 1947) - im Original They Made Me A Fugitive. Hier ist es Karl Malden als Inspektor Larrue, der sowohl Pater Logan, vor allem aber dessen ex-Geliebte Ruth Grandfort (Anne Baxter) mit dem Recht auf seiner Seite auseinandernimmt, bis ihre Lebensgeschichte dem erbosten, hasserfüllten Mob als Scherbenhaufen zu Füßen liegt. Was tut es da noch zur Sache, dass der Mörder am Ende zufällig ein anderer war? Solch zentrales Thema des hitchcockschen Œuvres wird zugunsten seiner Techniken in Sachen Spannung gern übersehen. Es ist aber genau, was den Maestro in den Vierzigern und Fünfzigern regelmäßig ins Fahrwasser des Film Noirs brachte, den er sich gewissermaßen anverwandelte, derart lagen einige seiner Themen und Stilmittel gleichermaßen auch im Urgrund von Hitchcocks rastloser Kreativität. Zum Schweigen verurteilt / Ich beichte ist keines seiner Meisterwerke, doch vielleicht der aus den Fünfzigern am ehesten unterschätzte und der am wenigsten bekannte Film Alfred Hitchcocks.
Erstklassige DVD-Edition (2004) der Warner Home Video Germany mit dem Film bildtechnisch topp und ungekürzt im Originalformat, Tonspuren auf Englisch und Deutsch, Untertitel auf Deutsch, Englisch, Dänisch, Finnisch, Portugiesisch, Hebräisch, Norwegisch, Schwedisch, Tschechisch, Griechisch, Ungarisch, Polnisch und Türkisch, den Kinotrailer, die 20minütige Dokumentation Hitchcock’s Confession: A Look at I Confess und ein knapp einmütiger Doku-Schnipsel zur kanadischen Kinopremiere des Films. Vorbildlich!