Neo Noir
| USA
| 1997
| Oliver Stone
| Billy Bob Thornton
| Joaquin Phoenix
| Nick Nolte
| Powers Boothe
| Sean Penn
| Jennifer Lopez
Bewertung
**
Originaltitel
U Turn
Kategorie
Neo Noir
Land
FRA/USA
Erscheinungsjahr
1997
Darsteller
Sean Penn, Jennifer Lopez, Nick Nolte, Powers Boothe, Joaquin Phoenix
Regie
Oliver Stone
Farbe
Farbe + s/w
Laufzeit
119 min
Bildformat
Widescreen
© Sony Pictures Home Entertainment
Inmitten der Wüste Arizonas hat Bobby Cooper (Sean Penn) großes Pech, als bei seinem 64er Mustang Cabriolet der Kühlschlauch leckt. So schleppt sich der aus seiner Motorhaube qualmende Wagen im Schritttempo an eine Abzweigung, die in das Kaff Superior führt. Ihr folgend stößt Cooper auf die Autowerkstatt eines Mechanikers namens Darrell (Billy Bob Thornton), dem der blasierte Tonfall Coopers nicht behagt, der sich aber dennoch bereit erklärt, den Schaden zu beheben. Zuvor verstaut Coopernoch schnell eine Pistole im Kofferraum und nimmt seine Reisetasche mit. Als er zu Fuß in den gottverlassenen Ort gelangt, wird Cooper von einem blinden Obdachlosen (Jon Voight) angesprochen, der ihn auffordert, ihm aus dem Getränkeautomaten eine Limonade zu ziehen. Widerwillig kommt Cooper dem Wunsch nach, als er plötzlich die hübsche Grace McKenna (Jennifer Lopez) mit mehreren Paketen beladen aus einem Hauseingang treten sieht. Bobby Cooper folgt ihr, bietet beim Tragen der Pakete und beim Einladen in ihren Jeep seine Hilfe an und erhält eine Einladung zu ihr nach Hause. Sie lebt in einer modernen Villa außerhalb des Ortes, die in ihrem Inneren luxuriös ausgestattet ist. Als Cooper die Gelegenheit nutzend eine Dusche nimmt, erinnert er sich, wie ihm von seinem Gläubiger Mr. Arkady (Valeriy Nikolaev) - Cooper hat insgesamt 13,000 US-Dollar Schulden bei ihm - mit einer Gartenschere zwei Finger der linken Hand abgeschnitten wurden. Aber schon hat er anderes im Sinn, als ihm die bezaubernde Grace unmissverständlich schöne Augen macht…
Dieser Neo Noir mit einem Drehbuch aus der Feder von TV-Autor John Ridley nach dessen eigenem Roman Stray Dogs (EA 1997) hat vereinzelt berührende und vereinzelt witzige Momente. Insgesamt gibt es in zwei Stunden davon aber nicht viele. Zwar hat er mit Sean Penn und Jennifer Lopez, die zu Beginn ihrer Karriere um gutes Schauspiel bemüht war, solide Akteure. Und er zeigt mit Jon Voigt als blindem Halbblut einen so originellen wie perfekt besetzten Rollencharakter. Aber das war’s auch schon, denn „was hilfts, wenn der Regisseur Oliver Stone heißt und der albernste Angeber Hollywoods ist. Overdirecting könnte man seinen Stil nennen“. So schrieb Richard Oehrmann für artechock und trifft den Nagel auf den Kopf. Bereits das Intro, darin Sean Penn mit seinem roten Mustang Cabriolet durch die Wüste Arizonas fährt, wird durch Mätzchen der Schnitttechnik und der Kamera, des Tons und der Titeleinblendungen derart aufgepeppt, dass die entstehende Hektik zu einer Erläuterung der Nervosität des Charakters Bobby Coopers beitragen soll. Nicht der Schauspieler sondern die Filmtechnik soll Stimmungen und Sinneswahrnehmungen zumindest verstärken, wenn nicht gar erzeugen. Doch wirkt dies als Paraphrase eines MTV-Musikvideostils derart übertrieben, dass es in seiner Aufdringlichkeit bloß nervt. Zudem liefert schon die Story einzig Comic-Strip-Charaktere wie Billy Bob Thornton als widerwärtigen Automechaniker oder Claire Danes als beinblöde Dorfschönheit Jenny, von ihrer klischeehaften Aura wie an Strippen emporgezogene Pappfiguren: “There comes a sinking feeling, (…) when we realize that the characters are not driven by their personalities and needs, but by the plot”, schrieb Roger Ebert seinerzeit und so bleibt es auch bis zum Schluss. Oliver Stones U-Turn – Kein Weg zurück versinkt in krampfhaften Anstrengungen, irre cool und hip und sexy und weltverachtend zu sein, und so endet er als Collage postpubertärer Phantasien, sei es im Hinblick auf die harte Gewalt oder die allerorten aus bäurischer Geilheit sprießenden Sex-Angebote, die stets von Frauen an den Mann (Cooper) herangetragen werden.
Zudem beweist der Handlungsverlauf einen zunehmend unispirierten Eklektizismus. Von Joel und Ethan Coens Blood Simple - Eine mörderische Nacht (USA 1984) über Dennis Hoppers The Hot Spot - Spiel mit dem Feuer (USA 1990) bis zu John Dahls Red Rock West (USA 1993) und John Sayles' Lone Star (USA 1996) reichen die Assoziationen, die Oliver Stones manieristisch überbordende Provinzposse wachruft, demgegenüber die aufgezählten Neo-Noir-Titel alle in einer anderen Liga spielen. Wie erwähnt, gibt es gute Momente. Sie treffen einen unerwartet, wenn man fast schon gewillt ist den Film abzuschalten, schlicht aufgrund der inneren Ödnis, die solche Zusamenballung von Klischees erzeugt. Clare:“Aren’t you going to ask me?” – Bobby: “About what horrifying, sick shit is coming next?” Diese kluge Gegenfrage sollte man direkt an Oliver Stone adressieren, der beim Versuch, sich dank einer Kreuzung John Dahls mit Quentin Tarantino und David Lynch (Lost Highway hatte im Januar 1997 Premiere) in den Sattel des Zeitgeists zu schwingen, so ziemlich auf ganzer Linie scheiterte. U-Turn - Kein Weg zurück ist die Travestie eines Neo Noirs der 90er, der schon heute Patina angesetzt hat. Demgegenüber gibt es in mir eine leise Stimme, die das bedauert, denn hin und wieder blitzt so etwas wie ein verschenktes Potential auf.
Technisch gute DVD-Edition der Sony Pictures Home Entertainment (1998) mit dem Film ungekürzt (FSK 18) im Originalformat, Tonspuren auf Englisch oder Deutsch, dazu 13 verschiedene Untertitel, den Kinotrailer und Filmografien als Extras.