Bewertung
*****
Originaltitel
Casque d’or
Kategorie
Film Noir
Land
FRA
Erscheinungsjahr
1952
Darsteller
Simone Signoret, Serge Reggiani, Claude Dauphin, Raymond Bussières, Odette Barencey
Regie
Jacques Becker
Farbe
s/w
Laufzeit
95 min
Bildformat
Vollbild
In der Nähe von Paris legt eine Ausflugsgesellschaft mit ihren Ruderbooten am Ufer der Seine an, um dort ein Ausflugslokal aufzusuchen. Alle sind guter Dinge, nur Roland (William Sabatier) und Marie (Simone Signoret) streiten sich wieder mal. Im Lokal beendet der Tischler Georges Manda (Serge Reggiani) mit seinem Chef Danard (Gaston Modot) in Windeseile die Reparatur der Bühne, als die Gesellschaft dort eintrifft und einen großen Tisch besetzt. Schon spielt die Musik und die ersten Paare tanzen. Da erkennt aus der Gruppe der Wortführer Raymond (Raymond Bussières) seinen Mithäftling aus früheren Zeiten und die beiden beginnen ein Gespräch. Jahrelang haben sie sich nicht gesehen, und indessen sie auf der Terrasse stehen, beginnen auch die ersten Paare der Ausflugsgesellschaft zu tanzen. Dies tun sogar Roland und Marie, die erst nicht wollte, da sie von den Launen und Manieren ihres Freundes notorisch genervt ist. Als Georges der hübschen Blondine ansichtig wird, ist er sofort verzaubert, und auch die Frau macht ihm spontan schöne Augen. Raymond möchte ihn seiner Gruppe vorstellen, was Georges erst ablehnt, doch schließlich lässt er sich darauf ein und wird mit dem Tross bekannt gemacht. Marie fragt ihn gerade heraus, ob ein Tischler wohl tanzen könne, und schon tanzt sie mit Georges – zum Verdruss von Roland, der sich dem Spott der Freunde preisgegeben sieht und daher auf Rache sinnt…
Perfekt! Doch während bis heute viele Kritiker in Goldhelm / Die Sünderin von Paris die flapsig und bestenfalls leicht komödiantischen Szenen der ersten halben Stunde oder auch die Romantik - zunehmend desperat und von Anbeginn mit Tragik umwölkt - zwischen Georges und Marie herausstreichen, ist alles jenseits davon ein Film Noir in historischem Gewand. Georges Manda ist der ehrliche Handwerker mit einer dunklen Vergangenheit, die Marie - eine Femme fatale par excellence, die reihenweise Männer in ihr (Un)Glück treibt – erneut zur Blüte bringt: “The synopsis sounds like a James Cain novel, filled as it is with gangsters, murder, betrayal, criminal justice, and one experienced dame who’s nobody’s fool,” erörtert Matthew Kennedy im Bright Lights Film Journal. Und für den Goodfella’s Movie Blog schrieb Dave: “Far from being subpar, it is in fact among the greatest of French crime films.” Ja, genau das ist hier der Fall. Im Fahrwasser von Henri-Georges Clouzots Unter falschem Verdacht (FRA 1947), Yves Allégrets Die Schenke zum Vollmond (FRA 1948) und Henri Decoins Zwischen 11 und Mitternacht (FRA 1949), solch vereinzelten Fällen französischen Film Noirs, ist es Jacques Becker, - in der Tradition Jean Renoirs - der Frankreich zum eigenen Film Noir verhilft. Inwieweit die Einflüsse des US-amerikanischen oder britischen Film-Noir-Kinos jener Zeit hier eine tragende Rolle spielten, müsste nochmals unter die Lupe. Fakt ist, dass Beckers Herangehensweise den französischen Film Noir so eigenständig werden ließ, wie der Poetische Realismus der Vorkriegsjahre, seinerseits charaktervoll und stilbildend, ihn für Hollywood während und nach dem Weltkrieg quasi mit vorbereitet hatte.
Simone Signoret und Serge Reggiani sind großartig - Claude Dauphin als dubioser Gangsterboss Félix Leca hinter der Fassade eines Weinhändlers und Raymond Bussières als Mandas treuer Freund sind es ebenso. Liebe und Verrat, Mord und Flucht, und ein letztlich unausweichliches Schicksal bestimmen ein Werk, dessen Romantik so glaubwürdig und zugkräftig daher kommt wie diejenige in Jacques Tourneurs Goldenes Gift (USA 1947) oder in Billy Wilders Frau ohne Gewissen (USA 1944). Das Webportal Screen Junkies listet Jacques Beckers Goldhelm / Die Sünderin von Paris auf Platz 5 seiner 10 Best French Film Noir Films. Dessen enorm versierter und 1960 schon verstorbener Autor und Regisseur sollte mit Wenn es Nacht wird in Paris (FRA/ITA 1954) und mit Das Loch (FRA/ITA 1960) noch zwei Meisterwerke des französischen Kinos folgen lassen. Mit seiner eindeutig sexuellen Spannung als Triebfeder der Liebesbeziehung und einer im Vergleich mit dem US-Kino jener Zeit sichtbaren Härte physischer Gewalt überrascht die FSK-Einstufung (FSK 6) im direkten Vergleich zu anderen klassischen Film Noirs. Goldhelm / Die Sünderin von Paris spielt in den Tagen der Belle Époque und wie dieser Film sind auch Robert Siodmaks Die Wendeltreppe (USA 1945) und Anthony Manns Das schwarze Buch / Dämon von Paris (USA 1949) Film Noirs im dafür ungewöhnlichen historischen Gewand.
In den USA erschien Goldhelm / Die Sünderin von Paris in der renommierten Criterion Collection (2005 DVD und 2012 BD). In Deutschland brachte Arthaus / Studiocanal den Film als BD und als DVD (2012) der Arthaus Retrospektive, ungekürzt im Originalformat, bildtechnisch erstklassig mit wahlweise der deutschen und französischen Tonspur, optional deutsche Untertitel und den Kinotrailer als Extra. Unbedingt ansehen!