Post Noir
| USA
| 1960
| Burt Balaban, Stuart Rosenberg
| Howard Smith
| Mike Dana
| Peter Falk
| Seymour Cassel
| Simon Oakland
| Stuart Whitman
Bewertung
****
Originaltitel
Murder, Inc.
Kategorie
Post Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1960
Darsteller
Stuart Whitman, May Britt, Peter Falk, Henry Morgan, Simon Oakland
Regie
Burt Balaban, Stuart Rosenberg
Farbe
s/w
Laufzeit
103 min
Bildformat
Widescreen
© Twentieth Century Fox Film Corporation
New York um die Mitte der Dreißiger Jahre: Abe Reles (Peter Falk) und Bug Workman (Warren Finnerty), zwei Auftragskiller aus dem Distrikt Brownsville in Brooklyn, betreten den Flur einer Mietskaserne, wo sie unterhalb der Treppe warten. Als Mr. Venutti (Ricky Coletti) zur Haustür hereinkommt, erschießen ihn die beiden. Darauf begeben sie sich zum Büro von Louis „Lepke“ Buchalter (David J. Stewart), der die Killer vom Mobster Albert Anastasia (Howard Smith) empfohlen bekam. Lepke ist Boss des New Yorker National Crime Syndicate, der mit Abe Reles allein verhandelt und ihm erläutert, inwieweit das Verbrechen heute in einer organisierten Form, nämlich als die rechtmäßige Körperschaft eines Wirtschaftsunternehmens auftritt. Nur gelegentlich sei es an der Zeit, ungehorsame und widerspenstige Typen zu eliminieren. Dafür brauche man eben Leute wie ihn, Reles, und seinen Partner. Ihr erster Auftrag via Lepke, der zukünftig nur noch über seinen Assistenten Mendy Weiss (Joseph Bernard) mit den beiden in Kontakt treten will, besteht darin, den Komödianten und Hotelier Walter Sage (Morey Amsterdam) zu beseitigen. Abe Reles erinnert sich seines Gläubigers Joey Collins (Stuart Whitman), ein arbeitsloser Jazzsänger, und bietet an, ihm seine Schulden zu erlassen, wenn er ihn in die Nähe vom Sage bringe, der wiederum ein Bekannter Joeys ist. Der versucht abzulehnen, doch Reles macht ihm im Handumdrehen klar, dass er weder sich noch seiner Frau Eadie (May Britt), Tänzerin in einem Nachtclub, damit einen Gefallen täte. Zudem verspricht er, dass Walter Sage nur ein bisschen in die Mangel genommen werde…
In den meisten Sachbüchern zum Film Noir oder auch in entsprechenden Online-Foren wird das harte Drama Unterwelt - nicht zu verwechseln mit Joseph von Sternbergs gleichnamigem Stummfilm (USA 1927) - aus dem Kanon der Spätwerke im Film-Noir-Zyklus, der von der klassischen Ära beeinflussten Post-Noir-Filme ausgespart. Mancher äußert sogar explizit, dass es sich hierbei nicht um einen Film Noir handele. Warum sollte das so sein? Es gibt den Erzähler aus dem Off, einen willensschwachen Helden, der sich vom psychopathischen Killer Abe “Kid Twist“ Reles durchs eigene Leben treiben lässt und vor lauter ängstlichem Zaudern die Liebe seiner Frau aufs Spiel setzt, es gibt eine femme fragile und einen Ermittler, der auf die Frage des Staatsanwalts nach den geeigneten Methoden antwortet: „Play dirty!“ Darüber hinaus sorgt Kameramann Gayne Rescher (Das Gesicht in der Menge, USA 1957) für stilechte Film-Noir-Atmosphäre, noch während der Vorspann über die Leinwand flimmert. Unterwelt erinnert nicht nur an den ebenso semidokumentarisch inszenierten Die wilden Zwanziger (USA 1939) oder an den thematisch benachbarten Der Tiger (USA 1951) mit Humphrey Bogart (als Gegenspieler der Murder, Inc.) sondern vor allem an Henry Hathaways Der Todeskuss (USA 1947) - mit einem Abe Reles an Stelle von Tommy Udo (Richard Widmark), einem Joey Collins an Stelle von Nick Bianco (Victor Mature) und Eadie an Stelle von Neftie (Coleen Gray). Die Konstellation der Figuren, ihr Zwist und damit die treibenden Elemente der Handlung sind verwandt, inklusive Howard Smith als Darsteller in beiden Werken.
Peter Falk wurde für seinen Abe Reles als bester Nebendarsteller für den Oskar nominiert – im Grunde hat er neben Whitman die zweite Hauptrolle inne – und es ist bedauerlich, dass er ihn nicht erhielt. David J. Stewart, Joseph Bernard, Simon Oakland und Henry Morgan sind allesamt gut. May Britt ist zwar solide, doch keine bemerkenswerte Schauspielerin, demgegenüber Stuart Whitman eindeutig der Schwachpunkt der Besetzung ist. Er wirkt „wie im falschen Film“, lässt seinen komplex angelegten Charakter nur selten glaubwürdig auftreten, obgleich der TV-Standard seiner Leistung den Film nicht herab zieht. Denn ähnlich wie Jules Dassins Stadt ohne Maske / Die nackte Stadt (USA 1948), an den Unterwelt nicht allein wegen seiner wunderbaren Drehorte erinnert, verzichtet dieser Post Noir auf die Erzählperspektive des einzelnen (Anti-)Helden, was sich im Ganzen als stimmig erweist. Lediglich an einer Stelle zeigt die Handlung - eine Entwicklung von Jahren umgreifend, darin die Brownsville Boys ihr Gewerbe professionell entwickelten - plötzlich Sprünge, die den Erzählfluss stören. Von den Fesseln der McCarthy-Ära befreit, trumpft der Film mit fiesen Charakteren und harter Gewalt auf, die den Schmus der Hollywood-Romantik aus den Fünfzigern weit, weit hinter sich lassen. Trotz Stuart Whitman und einiger Längen gibt es vier Sterne, die durch einen sensationellen Peter Falk allein gerechtfertigt scheinen. Sehenswert!
Exzellente US-DVD (RC 1) der Twentieth Century Fox Home Entertainment LLC. (2006) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bildtechnisch hervorragend restauriert, mit wahlweise englischer oder spanischer Tonspur, dazu optional englische oder spanische Untertitel. In Europa gibt es eine spanische Edition mit den o.a. Tonspuren und dem Regionalcode 2.