Underworld Beauty

NOIR CITY 21 - Oakland 2024



Psychologische Verteidigung


Concorde Home Entertainment


Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


banner_der_film_noir_3.jpg


Bewertung
***
Originaltitel
Ankokugai no bijo
Kategorie
Film Noir International
Land
JPN
Erscheinungsjahr
1958
Darsteller

Michitarô Mizushima, Mari Shiraki, Hideaki Nitani, Shinsuke Ashida, Hiroshi Kondô

Regie
Seijun Suzuki
Farbe
s/w
Laufzeit
87 min
Bildformat
Widescreen

 


 

 

Tokio, Japan: In einem abgelegenen Industrieviertel schleicht des Nachts an einer Mauer ein Schatten entlang. Per Stemmeisen wird ein Kanaldeckel aufgehebelt; ein Lastwagen kommt des Weges, und der erst am Morgen aus einer dreijährigen Haftstrafe in die Freiheit entlassene ex-Yakuza Miyamoto (Michitarô Mizushima) beeilt sich, samt Ledertasche die Stahlsprossen des Schachts hinabzuklettern und den Kanaldeckel wieder an Ort und Stelle zu bringen. Aber der Beifahrer des Lkws meint im Licht der Scheinwerfer etwas gesehen zu haben. Mit einer Taschenlampe leuchtet er in den Schacht, den Miyamoto aber schon bis zum Ende hinabkletterte. Vorsichtig tastet jener sich im Zwielicht auf einem schmalen Steg den Abwasserkanal entlang, bis er im Mauerwerk einen Stein ausfindig macht, den er mithilfe einigen Werkzeugs heraushebelt. Hier findet sich ein Hohlraum, darin eine Pistole und ein kleiner Lederbeutel versteckt sind, und Miyamoto holt beides hervor. Die Pistole steckt er in den Hosenbund, aus dem Beutel lässt er drei Diamanten in seine Handfläche gleiten… In einem Nachtclub in Shinjuku tanzt die Jugend Tokios zu US-amerikanischem Jazz; es wird reichlich Alkohol ausgeschenkt. Plötzlich werden die Kellner stutzig. Aller Blicke wenden sich dem Eingang zu. Dann ist der Saal stumm und erstarrt. Stoisch geht Miyamoto durch die Menge zur Jukebox, wirft eine Münze ein und lässt Musik erklingen. Wo Yakuza-Boss Ôyane (Shinsuke Ashida) sei, will er von dessen rechter Hand Ôsawa (Kaku Takashina) gern wissen…

 

Regisseur Seijun Suzuki ist Schöpfer der legendären Thriller Tokyo Drifter (JPN 1966) und Branded To Kill (JPN 1967) - zu letzterem steuerte er auch das Drehbuch bei. Insofern er sich zwischen 1956 und 1967 in seinen Arbeiten für die Nikkatsu Corporation als innovativ und stilbildend erwies, gilt er heute auch international als Meister des japanischen Film Noirs und des Post Noirs. In diesen 11 Jahren führte Suzuki jährlich meist bei drei, vier Produktionen die Regie und schuf einen ebenso dunklen wie harten, atmosphärischen Kriminalfilm nach dem anderen. Unvergessen ist sein Ausspruch: ”I direct movies that make no sense and make no money.” Der in Schwarzweiß und in Cinemascope gedrehte Underworld Beauty war sein siebter Film für Nikkatsu. Schon in der nächtlichen Eröffnungssequenz weiß der Cineast, dass er sich in einem Film Noir par excellence befindet. Das Werk ist im Hinblick auf Drehorte und Kameraarbeit durchgehend beeindruckend, und es verfügt über einige hochkarätige Schauspieler, die gute Leistungen abliefern. Es ist jedoch schwach und beizeiten hanebüchen im Hinblick auf das von Susumu Saji verfasste Drehbuch und einige seiner Rollencharaktere, die für ihr Alter zu infantil oder einfach nur albern wirken. Ersters gilt gleich einmal für die vermeintliche “Underworld Beauty“ Akiko Mihara in der Darstellung durch Mari Shiraki selbst. Weder gehört sie der Unterwelt an noch ist sie, wie das Filmplakat mit ihr in Unterwäsche und mit Maschinenpistole uns vorgaukelt, eine hartgesottene Gangsterbraut. Geradezu lächerlich ist der für einen Ausstatter der Modebranche tätige Maler und Skulpteur Akita (Hiroshi Kondô), für dessen Aktzeichnungen Akiko Modell steht und der Schaufensterpuppen anfertigen hilft. Die (eher mal gar nicht) romantische Liaison zwischen ihm und Akiko ist in keiner Weise glaubhaft dargestellt. Auch erscheint sein Wandel vom unterkühlt undurchsichtigen Intellektuellen zum schlotternden Nervenbündel maßlos übertrieben. Als zentrale Figuren der Geschichte werden die beiden ab dem zweiten Drittel des Films zum Problem. Vor allem entpuppt Akiko sich als nervtötender Teenager und als ein trotz großer Klappe schwaches Mädchen, dass Tough Guy Miyamoto ständig retten muss. Noch mehr Rollenklischeen wären kaum vorstellbar, und es zieht den Film für mich nach unten.

 

 

Fast alle zeitgenössischen Rezensionen des Films, die sich meist auf die in Großbritannien erschienene Blu-ray-Edition (2025) mit einer bild-und tontechnisch exzellent restaurierten und ungekürzten Fassung des Films beziehen, sind geradewegs enthusiatisch. Meist fokussieren sich deren Autoren auf Seijun Suzukis wilden, überbordenden Stilwillen und seine teils zu Extremen neigenden Rollencharaktere à la Akiko Mihara, deren Lebenslust in Form von Alkoholexzessen und sexueller Freizügigkeit als unkonventionell und emanzipiert verstanden wird, demgegenüber ihre Hilflosigkeit als Geisel der Yakuza und ihre Hingabe an den lächerlichen Akita komplett ausgeblendet werden. Dessen Atelier ist von Stanley Kubricks Der Tiger von New York (USA 1955) beeinflusst. Ex-Yakuza Miyamoto ist exakt wie James Cagneys Cody Jarrett in Sprung in den Tod / Maschinenpistolen (USA 1949) gekleidet. Und die Eröffnungssequenz lässt an Carol Reeds Der dritte Mann (UK 1949) denken. Stilistisch kann Sejun Suzuki auch mit Underworld Beauty an seine Vorbilder heranreichen. Seine konventionelle Erzählung hingegen erweist sich diesen Klassikern der angloamerikanischen Film-Noir-Tradition als kaum ebenbürtig. Noch nicht, muss ich hinzufügen. Denn der hoch talentierte Seijun Suzuki sollte sich in den 60er Jahren bedeutend steigern.

 

Es gibt eine erstklassige BD-Edition (2025) der englischen Radiance Films mit dem Werk ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch topp, dazu den japanischen Originalton mit optional englischen Untertiteln, als Extras Seijun Suzukis Kurzfilm Love Letter (JPN 1959, 40 Min.) samt Audiokommentar von William Carroll, dazu ein 15-minütiges Interview mit Filmkritiker Mizuki Kodama (2024), ein 40-seitiges Booklet mit Fotos und zwei Filmessays sowie die original Kinotrailer zu beiden Filmen. Der Film lief nie in der Bundesrepublik Deutschland im Kino, und so gibt es hierzulande bis heute keine BD oder DVD. Von den internationalen Editionen ist die US-amerikanische DVD (2004, RC1) der US-amerikanischen Home Vision Entertainment (HVE) gleichfalls auf Englisch untertitelt, allerdings gibt es keine Extras.

 


 

Film Noir | 1958 | International | Seijun Suzuki | Hideaki Nitani | Hiroshi Kondô | Shôki Fukae | Mari Shiraki

Neuen Kommentar schreiben

CAPTCHA
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.