Warren Oates, Leslie Caron, Alex Dreier, Mitchell Ryan, Gordon Pinsent
© Warner Bros.
Los Angeles, Kalifornien: Der ex-Privatdetektiv Chandler (Warren Oates) hat bei einem Sicherheitsdienst angeheuert und lässt im neonerleuchteten Wachraum eines Firmengebäudes die Inspektion durch seinen Vorgesetzten (Ray Kellog) über sich ergehen. Als er nach einer ersten Runde in der Nachtschicht mitbekommt, dass der Captain einen der Kollegen demütigt, zieht er seine Zivilkleidung an und verlässt kommentarlos die Schicht. Sein Vorgesetzter folgt ihm auf den Parkplatz, doch Chandler steigt in seinen 1946-er Plymouth de Luxe, wirft sein Namenschild aus dem Seitenfenster und braust davon. In seinem Büro übt sich der Staatsbeamte Ross J. Carmady (Alex Dreier) im Golfspiel, indessen er Bernie Oakman (Charles McGraw) erläutert, dass er den im Osten der USA tätigen Mobster John Melchior (Gordon Pinsent) durch einen eigenen Mann ersetzen und ihn deshalb in eine Falle locken werde. Dafür bräuchte es allerdings einen Sündenbock, und womöglich könne er, Bernie, ihm dabei helfen, einen solchen zu finden. Oakman ist von Carmadys Plänen nicht begeistert, gibt aber zu verstehen, dass er womöglich jemanden für die Rolle habe… In seinem heruntergekommenen Apartment nippt Chandler an einem Whiskey, als Bernie zur Tür hereinkommt und ihm eröffnet, dass er ihm einen Job anbieten wolle. Am nächsten Morgen werde Katherine Creighton (Leslie Caron) an der Union Station aus dem Zug steigen, und die Regierung wolle sie gern überwachen, habe jedoch nicht genügend Personal dafür….
“Warren Oates stars as a modern-day private dick in Chandler, a lesser entry in the seemingly endless series of ’70s thrillers paying homage to classic film noir”, schreibt Peter Hanson für Every 70s Movie und findet gute Argumente, warum dieser Flop an der Kinokasse und einzige Film seines Autors (der Vorlage) und Regisseurs Paul Magwood selbst 50 Jahre später schwer verdaulich ist. Wollte man mit dem Positiven beginnen, und es spricht nichts dagegen, gibt es immerhin zwei Dinge, die hervorstechen: erstens die Drehorte in und um Los Angeles und Monterey, Kalifornien, zweitens die Beteiligung einiger Veteranen des klassischen Film Noirs der 40-er Jahre, auf den Chandler dezidiert Bezug nimmt: Charles McGraw (Um Haaresbreite, USA 1952), Gloria Grahame (Ein einsamer Ort, USA 1950) und Walter Burke (Mystery Street, USA 1949) sind in mehr oder weniger kleinen Nebenrollen zu sehen. Sie bereichern diesen Neo Noir, aber sie retten ihn nicht, ebensowenig wie Warren Oates, ein Schauspieler von gehöriger Klasse, oder auch Leslie Caron, die mit Paul Magwood verheiratet war (und ist). Von Beginn versucht die Filmhandlung an die komplizierten, von dubiosen und doppelgesichtigen Figuren bevölkerten Erzählungen und Romane Raymond Chandlers anzuschließen, deren Kriminalfälle der legendäre Privatdetektiv Philip Marlowe löst. Im Zeitalter des klassischen Film Noirs war er es, der mit Edward Dmytryks Murder, My Sweet (USA 1944) und mit Howard Hawks‘ Tote schlafen fest (USA 1946) den Private Eye als Prototyp eines Antihelden etablierte. Und genau solch eine Figur ist Warren Oates‘ Chandler ohne einen Vornamen, der sich in einer ersten Begegnung mit Katherine Creighton, indessen sie nach seinem Beruf fragt, als ein Relikt vorstellt. “I can see that.“ antwortet sie daraufhin, eine Retourkutsche, die sich mit ihrem bissigen Witz vor Raymond Chandler, Schöpfer des Kunstraums, darin die Rollencharaktere von Chandler umherirren, in Dankbarkeit verneigt. Was ist nun das Problem? An welcher Stelle kommen Paul Magwood und sein Autor des Drehbuchs, John Sacret Young, vom Kurs ab?
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”How about you?“ – ”Oh, I’m just a wayward catholic searching for a final rersting place.” Trotz pointierter Dialoge sowie der guten Chemie zwischen Warren Oates und Leslie Caron ist Chandler als Thriller oder Kriminalfilm, was er je vorgibt zu sein, einfach langweilig und teils stümperhaft inszeniert. Die Handlung dümpelt vor sich hin und sogar Verfolgungsjagden, für Hollywoods Action- und Thrillerkino der frühen 70-er ein Standard, werden von Magwood in den Teich gesetzt und missraten. Im Jahr von Neo Noirs à la Shaft (USA 1971), Klute (USA 1971) oder Brennpunkt Brooklyn / French Connection (USA 1971) ist diese Produktion der Metro-Goldwyn-Mayer in am Ende eine Randnotiz, die wiederzuentdecken sich nicht lohnt. Angeblich haben Produzent Michael Laughlin und Paul Magwood sich in einer Anzeige im Hollywood Reporter vom Dezember 1971 für die lausige Qualität des Films bei dessen potentiellem Publikum entschuldigt. Schuld daran sei MGMs Studioboss gewesen, James T. Aubrey, der den Film im Schneideraum in seine Kinofassung gebracht und mit einem neuen Soundtrack versehen habe. Magwood sei der Zugang zu seinem eigenen Werk verwehrt worden. Inwieweit der Hinweis auf ein Orson-Welles-Schicksal des jungen Filmemachers zutrifft, sei dahingestellt. Es bleibt schwer vorstellbar, dass Chandler unter seiner Kontrolle ein besserer Film hätte werden können.
Einzig in den USA gibt es eine DVD-R (2015) der Warner Archive Collection mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch sehr gut und mit der original englischen Tonspur ohne Unteritel und ohne Extras.