Matthew Rhys, Juliet Rylance, Chris Chalk, Shea Whigham, Tatiana Maslany
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Der Stadtbezirk Bunker Hill in Los Angeles, Kalifornien, im Dezember1931: Ein Mann trägt des Nachts ein Bündel in einer Decke über die Straße zur talwärts gelegen Station der Angel’s Flight Railway. In einem an der steil aufwärts führenden Strecke gelegenen Apartmenthaus steht Matthew Dodson (Nate Corddry) in einem dunklen Zimmer am Fenster und telefoniert mit einem Entführer seines Babys Charlie. Er und seine ebenfalls anwesende Frau Emily (Gayle Rankine) erhalten Instruktionen zur Übergabe des Lösegeldes, das in einem Koffer auf dem Tisch steht, und wie sie ihr Kind zurückbekommen. Die Eltern lassen den Koffer vor Ort, rasen die Treppe hinunter zu dem just talwärts fahrenden Wagen der Standseilbahn und finden ihr in die Decke eingewickeltes Baby, das sie zuvor vom Fenster aus im Arm eines der Entführer sehen konnten. Aber der Kleine schreit nicht und Emily zieht die Decke vom Kopf zurück und erblickt ihr totes Kind, dem seine Kidnapper die Aufgenlider annähten, so dass er seine Augen scheinbar geöffnet hielt… Privatdetektiv Perry Mason (Matthew Rhys) und sein Partner Pete Strickland (Shea Whigham) sitzen in einem Restaurant und beschatten den Filmstar Chubby Carmichael (Bobby Gutierrez), der seinen gewaltigen Leib mit einer weiteren Mahlzeit mästet. Carmichael ist in Hollwood ein Star des Komödienfachs und Strickland selbst ein Fan von ihm. Als er geht, folgen sie ihm, doch Chubby sieht sich bloß in einem mehrere Häuser weiter gelegenen Kino seinen eigenen Film Seize The Hay an…
“In many ways, the reboot (…) takes more of its cues from the hard-boiled, no-good-guys period thrillers of James Ellroy than from Gardner’s comfortable potboilers (…) Every line, character brief and plot twist screams 1940s noir”, schreibt Sam Thielman für NBC News Digital in seiner Rezension zur ersten Staffel der TV-Serie von HBO anlässlich deren Premiere im Juni 2020. Tatsächlich publizierte der Schriftsteller Erle Stanley Gardner, selbst ein praktizierender Anwalt, seinen ersten Roman um den aktiv ermittelnden Rechtsanwalt Perry Mason, betitelt The Case Of The Velvet Claws (EA 1933, auf Deutsch Rechtsanwalt Mason bzw. Der Engel mit Krallen), bereits 1933. Auch ins Kino kam Perry Mason schnell und zwar im Jahr darauf mit Alan Croslands Film The Case Of The Howling Dog (USA 1934), der ersten von (bis 1936) vier Produktionen der Warner Bros. Pictures, in denen Warren Williams Perry Mason mimte. Richtig populär wurde der Jurist und Schnüffler aber erst im Anschluss an das Zeitalter des Film Noirs, als nämlich im Jahr 1957 der bis dato als Schurke im Film Noir bekannt gewordene Raymond Burr in einer Produktion des CBS Television Network für elf Jahre und in 271 einstündigen Episoden in diese Rolle schlüpfte und damit zu einer Zeit, in der die TV-Serie international ihren Siegeszug antrat, selbst zu einer Ikone wurde. So gab es anlässlich der Neuauflage mit Matthew Rhys, die nach einer Idee und einem Drehbuch von Ron Fitzgerald und Rolin Jones und nicht nach einer Vorlage Gardners entstand, dessen Bücher lediglich die Charaktere und das Ambiente lieferten, viele Stimmen die verlautbaren ließen, dass dies hier nicht “Perry Mason“ sei. Nun, das ist nicht ganz falsch, denn zu Beginn dieser Produktion von HBO ist Perry Mason ein abgehalfterter Private Eye nach dem Vorbild Philip Marlowes oder Sam Spades. Die Erzählung um den Fall der Kindesentführung des Ehepaars Dodson, darin Mason im Auftrag des in die Jahre gekommenen Rechtsanwalts Elias Birchard “E.B.“ Jonathan (John Lithgow) dessen Ermittler ist, erzählt quasi die (dunkle) Vorgeschichte seiner Jahre als Jurist im Dienst von Wahrheit und Gerechtigkeit.
“You're a detective, Mr. Mason.” – “That's a fancy word for a busybody, but yes.” Die Dramaturgie des Regisseurs Timothy Van Patten (5 Episoden) und der Regisseurin Deniz Gamze Ergüven (3 Episoden) ist auf den Punkt genau. Das Drehbuch zeigt sich voller zugespitzter Dialoge und wunderbar sorgsamer Charakterzeichnungen. Und die Kameraarbeit lässt das Los Angeles der frühen 30er Jahre in einer Art wiederauferstehen, wie es zuletzt Curt Hanson in seinem L.A. Confidential (USA 1997) mit dem Los Angeles des Jahres 1952 gelang – übrigens nach einem Roman James Ellroys. Neben all solchen Markenzeichen, die HBO bis heute zu einer der weltweit besten Produktionsgesellschaften für TV-Serien machen, sind es das exquisite Casting und mehrere Einzelleistungen der beteiligten Darsteller und Darstellerinnen, die Perry Mason – Season One nicht nur für Liebhaber klassischen Film Noirs zu einem Genuss werden lassen. Matthew Rhys als Mason, John Lithgow als E.B. und auch Juliet Rylance als E.B.‘s Assistentin Della Street sind grandios. Zudem setzt die Beteiligung von Lili Taylor, Chris Chalk, Gayle Rankin, Shea Whigham und Tatiana Maslany nochmals starke Akzente. Es bleibt bestechend, wie HBO durch den Mut das Ungewöhnliche zu wagen und durch die Courage es kompromisslos umzusetzen seit nunmehr über 20 Jahren das Format der Fernsehserie international zu bereichern und zu entwickeln versteht. Fazit: Wunderbar episches TV-Kino, das der Connaisseur des Film Noirs sich keinesfalls entgehen lassen darf.
Es gibt via Home Box Office, Inc. (HBO) und Warner Bros. Entertainment, Inc. eine exzellent editierte englische 2-Blu-ray- und auch 2-DVD-Box (2020) im Pappschuber mit der Serie in allen 8 einstündigen Episoden ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch selbstredend exzellent, dazu die original englische Tonspur mit optional Untertiteln auf Englisch, Portugiesisch, Spanisch, Dänisch, Niederländisch, Finnisch, Norwegisch und Schwedisch. Bei der DVD-Edition gibt es als eine zweite Tonspur Französisch, dafür fehlen die Untertitel auf Portuguiesisch und Spanisch, an ihrer statt gibt es UT auf Rumänisch. Beide Formate beinhalten die fein editierten Features The Characters Of Perry Mason und Under The Fedora mit reichlich Informationen zur Riege der handelnden Figuren und zu den Details und Hintergründen der Produktion.