Arturo de Córdova, Gloria Marin, Julio Villarreal, Manuel Arvide, Octavio Martínez
Mexiko-Stadt: In einem luxuriösen Aprtment in der Innenstadt öffnen sich automatisch die Vorhänge, und die Sonne scheint auf einen Stapel druckfrischer Exemplare des Buches Crepúsculo von Dr. Alejandro Mangino (Arturo de Córdova) von der Universidad Nacional de México. Dessen Diener Sebastián (Ocatvio Martinez) eilt durch die Zimmerfluchten, entnimmt einem Schrank Mantel und Hut und bringt beides seinem Herrn in das Arbeitszimmer. Der Mediziner steht rauchend in die Lektüre seines eigenen Werks vertieft und fragt Sebastián, ob er die Bücher zum Auto habe bringen lassen, was jener bejaht. Der Diener weist Dr. Mangino darauf hin, dass es bereits 8:40 Uhr sei und er doch um 9:00 Uhr in der Klinik einen Operationstermin habe. Mangino ist nahezu erschrocken darüber, greift sich den Hut und will aufbrechen, als Sebastián beklagt, dass sein Herr schon wieder ohne Frühstück gehe und kaum geschlafen habe, was für die Ruhe und Sicherheit seiner Chirurgenhand sicher nicht gut sei. Nun ist Mangino wirklich erschrocken, hält seine Linke empor und sagt dem Diener, dass damit alles in Ordnung sei. Mit dem Aufzug fährt der Doktor nach unten, hält die Rechte hoch und sieht, dass sie heftig zittert. Unten angekommen, bleibt er mit einem Schweißfilm im Gesicht im Aufzug stehen, und der Hausmeister José (Humberto Rodríguez) fragt ihn, ob er wohl etwas vergessen habe. Hastig verneint er, lässt sich die Post überreichen und besteigt seine Limousine, mit der ihn der Chauffeur (Chel Lôpez) nunmehr zur Klinik fährt…
Die technische Umsetzung des Films ist großartig. Sowohl die Kniffe der Regie in dem mittels verschachtelten Rückblenden erzählten Drama als auch dessen Kamerarbeit via Alex Phillips (Palast der Sünde / Die Andere, Mex 1946) können voll und ganz überzeugen. Das Werk beweist über weite Strecken hinweg fast surreale Qualitäten, angesiedelt in Bildkompositionen, deren Licht- und Schattensetzung künstlich anmuten, oft aber mit einfachen Mitteln oder unter freiem Himmel bewerkstelligt wurden. Die Geschichte jedoch ist zu rudimentär und lässt den zentralen Protagonisten, Dr. Alejandro Mangino, der von Arturo de Córdova als eine von inneren Dämonen gehetzte und gepeinigte Seele verkörpert wird, ohne glaubwürdigen Kontext wie im luftleeren Raum agieren, Weder Gloria Marin als die von Mangino mit bedingungsloser Hingabe geliebte und verehrte Schönheit Lucia noch sein bester Freund, der Star-Architekt Ricardo Molina (Manuel Arvide), geben als Rollencharaktere viel her. Was dem Zuschauer als eine komplexe Dreiecks-Geschichte serviert wird, entbehrt von Anbeginn der Beziehungen zwischen den Figuren und entpuppt sich allein auf Dr. Mangino zugeschnitten, der als Dreh- und Angelpunkt die anderen Charaktere erstickt. Am wenigsten vermag Gloria Marin zu überzeugen, die gern als Femme fatale erschiene, aber aufs dekorative, von Kindheit an Luxus und Glamour gewöhnte Rollenmodell von Tochter bzw. Ehefrau reduziert wird, mit ihrer erotischen Ausstrahlung als einzig markantem Attribut. Als sie nach 28 Minuten im Film Alejandro erklärt, warum sie ihn, den Geliebten, einst verlassen habe, ihn und sich selbst damit strafend, um danach seinen besten Freund, Ricardo Molina, den sie nicht liebt, zum Ehemann zu nehmen, entbehrt das jeglicher Notwendigkeit und entpuppt sich als mit der Brechstange konstruiert, zumal Lucia konträr zu Alejandro in solcher Szene alles andere als mächtig aufgewühlt oder innerlich zerrissen wirkt.
Auch Ricardo Molina ist eine fade Figur, mehr Funktiontsträger als ein echter Charakter, was dem Film deshalb nicht bekommt, weil er nach einer gefühlten Ewigkeit als ahnungsloser Platzhalter im letzten Drittel urplötzlich von der Liebe zwischen Lucia und Alejandro weiß und Rache nehmen will… Lucias Narzissmus und Alejandros Egomanie gehen einem zunehmend auf die Nerven, vor allem de Córdovas dramatisch durchwachte Nächte, gierig an einer Zigarette saugend und sich das Haar zerwühlend. Julio Brachos überhitztes Melodram mit dem Stachel eines Film Noirs lässt einen zuletzt mit den Augen rollen, derart tritt die Erzählung auf der Stelle. Indiskutabel ist auch Julio Villarreal als weiser “Maestro di psiquiatria“, der mit angeklebtem Sigmund-Freud-Bärtchen das Buch seines Freundes über den Klee lobt und von einer Theorie schwadroniert, deren Quintessenz im Film einzig lautet: Wer von einer unerfüllten Liebe besessen ist und daran leidet, wird womöglich von Attacken geistiger Umnachtung heimgesucht, die ihn zu Gewalttatzen verleiten… Du lieber Himmel, was für eine Erkenntnis! Allerdings wurde die Rolle des Dr. Alejandro Mangino zum Rollenmodell für spätere Auftritte Arturo de Córdovas im internationalen Film Noir. In La diosa arrodillada (Mex 1947), in Verbrecherische Hände (Mex 1951) und in Los peces rojos (ESP 1955) zeigen seine von Liebe und Eifersucht besessenen Figuren stets auch die Züge jenes ach so brillanten und vor allem doch egomanischen Chirurgen Mangino.
Als mexikanische DVD (RC 1) gab es Crepúsculo, der weder in den USA noch in Europa jemals ins Kino kam, einst in der Reihe Colleción México en Pantalla in bild- und tontechnisch solider Qualität, ungekürzt und im Originalformat, dazu die original spanische Tonspur ohne Untertitel und das Ganze ohne Extras. Diese DVD ist längst vergriffen und heute nirgendwo greifbar, und obwohl der Film, seit einigen Jahren in den USA und in Kanada auf Filmfestivals gezeigt wird, gibt es bis dato keine weiteren Veröffentlichungen.