Deanna Durbin, Ralph Bellamy, David Bruce, Edward Everett Horton, Allen Jenkins
Kurz vor Weihnachten auf dem Weg von San Francisco nach New York liest die aus reichem Elternhaus stammende Nikki Collins (Deanna Durbin) allein im Abteil den Roman The Case of the Headless Bride vom Kriminalschriftsteller Wayne Morgan (David Bruce). Von der Darstellung eines Mordes gepackt, trägt sie diese Passage laut vor, als ihr Zug gegen 24:00 Uhr in Richtung der Grand Central Station rollt. Plötzlich stoppt die Lok und Ms. Nikki Collins sieht in das Büro eines Lagerhauses der Reederei Waring, wo sich der Firmeninhaber Josiah Waring (Thurston Hall) soeben im Streit mit einem Mann in Hut und Mantel befindet, der Nikki den Rücken zukehrt. Als Waring aus dem Fensterrahmen verschwindet, ergreift der Unbekannte ein Stemmeisen, das auf dem Schreibtisch liegt, und zieht die Jalousie herab. Kurz darauf wird Nikki Collins Zeuge, wie der Fremde als Silhouette Josiah Waring mit dem Eisen erschlägt. Der Zug fährt weiter und ein Gepäckträger (Ernest Anderson) betritt ihr Abteil und kündigt die Ankunft in New York an. Doch Nikki Collins ist erschüttert von dem Mord und die beiden blicken nun gemeinsam aus dem Fenster, wo es nichts mehr zu sehen gibt… In der stets belebten Grand Central Station wartet indessen Mr. Haskell (Edward Everett Horton) vom New Yorker Büro mit einem Foto Nikkis auf die Tochter seines Chefs. Um Haaresbreite verpasst er sie, doch als er Nikki schließlich in seiner Obhut wähnt, entwischt sie ihm sogleich am Taxistand und lässt sich zum nächsten Polizeirevier fahren…
”Miss Martin, you don’t know me.“ - ”That’s right, I don’t.” - “And you don’t know what I’m doing here.” Flotte Dialoge am Rande des Absurden treiben eine Handlung vor sich her, deren zunehmende Verwicklungen ebenso absurd erscheinen. Lady On A Train ist eine Film-Noir-Komödie, vielleicht sogar die erste ihrer Art, insofern sowohl die Kameraarbeit als auch viele der Charaktere eindeutig Bezug auf die seinerzeit erst junge Geschichte des Film Noirs nehmen. Die Kriminalhandlung erinnert eher an Agatha Christie und ist gänzlich in Konventionen einer Suche nach dem Mörder verhaftet. Doch die schillernden Charaktere mit ihren mehr oder minder sichtbaren Psychopathologien und ihrem oft zynisch gebrochenen Verhältnis zum eigenen Leben und der Alltagswirklichkeit jenseits davon sprengen die Stereotypen, in denen sie wurzeln. Für den Connaisseur ist vor allem Dan Duryea im Jahr nach seinen Rollen in Fritz Langs Ministry Of Fear (USA 1944) und Gefährliche Begegnung / Der Erpresser (USA 1944) ein Hochgenuss, eine Ikone des Film Noirs und für die Doppelbödigkeit der meisten seiner Rollenportraits die immerzu ideale Besetzung. Aber auch George Coulouris, Ralph Bellamy, Allen Jenkins und Maria Palmer als Nachtclubsängerin Margo Martin hinterlassen bei mir einen bleibenden Eindruck - lauter exquisite Schauspieler, welche die Gratwanderung zwischen Komödie und Film Noir wunderbar auf den Punkt bringen. David Bruce und Edward Everett Horton sind für den leichten und eindeutig komödiantischen Teil zuständig, und in ihren Fällen erscheinen mir die Figuren, das ist jedoch eine Frage des Skripts, zu klischeehaft und abgenutzt.
“Film noir conventions are satisfactorily tacked on to the music and comedy, allowing it to be uniquely viewed as a highly entertaining noir/comedy”, schlussfolgert Dennis Schwartz für Ozu’s World Movie Reviews und ich stimme zu, wenn ich es ursprünglich auch nicht vorhatte. Denn während ich den Film sah, der seiner Hauptdarstellerin Deanna Durbin mit einer Gesangseinlage von Silent Night eine gnadenlos kitschige Szene zuschanzt, hatte ich mich entschlossen, ihm bestenfalls eine Drei-Sterne-Bewertung zu geben. Letztendlich haben mich sein dreister Witz und die Unverfrorenheit der Erzählung selbst jedoch überwältigt. Ich bin kein Fan von Deanna Durbin, deren Gesang und Schauspiel ich anerkenne, aber persönlich nicht schätze. In ihrem von Robert Siodmak inszenierten, ersten Film Noir Christmas Holiday (USA 1944), der keine Wendung zum Fach der Komödie nahm, gab sie eine allemal überzeugende Vorstellung. Mit 23 Jahren war die Karriere des ehemaligen Kinder- und Jugendstars im Jahr 1945 fast schon beendet. Ganze 21 Spielfilme drehte Deanna Durbin zwischen 1936 und 1948 und war in den 40er Jahren die bestbezahlte Frau der USA überhaupt - ein Film- und Gesangsstar in romantischen Komödien und Musicals, der alle überstrahlte. Im Alter von 26 Jahren zog sie sich zurück und verbrachte ihr Leben an der Seite des Regisseurs Charles David, den sie 1950 heiratete, zu großen Teilen in Frankreich. Hierzulande blieb sie fast unbekannt, das Dritte Reich und der Weltkrieg hielten ihre Produktionen fern, auch Lady On A Train lief unterm Titel Die Dame im Zug erstmals 1991 im deutschen Fernsehen. Nicht zuletzt dank der Kameraarbeit Elwood Bredells (Rächer der Unterwelt, Die Killer, USA 1946) ist Lady On A Train für den Film-Noir-Liebhaber eine willkommene, indessen leichtfüßige Ergänzung.
Sehr gute englische DVD-Edition (2004) von Simply Media mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild und tontechnisch einwandfrei restauriert, dazu den original englischen Ton ohne Untertitel, keine weiteren Extras, das Ganze Teil einer von Simply Media editierten Deanna-Durbin-Collection.