Lloyd Nolan, Lynn Bari, Mary Beth Hughes, Louis Jean Heydt, Edward Brophy
© Twentieth Century Fox Film Corporation
Denver, Colorado: Im Trubel der Bahnhofshalle trifft der Privatdetektiv Michael Shayne (Lloyd Nolan) am Abend ausgerechnet seine ex-Freundin Kay Bentley (Lynn Barri), die vor Ort eine erfolgreiche Journalistin ist. Zwei Jahre haben sie sich nicht gesehen und Shayne ist auf dem Weg nach San Francisco. Sein Nachtzug, The Comanche, verlässt Denver schon in wenigen Minuten, doch Kay ist beleidigt, dass er sich in der Zeit, als er vor Ort mit einem Fall beschäftigt war, nicht bei ihr meldete. Erst dann eröffnet sie ihm, dass auch sie diesen Zug nehmen wird, man treffe sich bestimmt an Bord. Michael Shayne eilt durch die Kontrolle auf den Bahnsteig, wo soeben eine junge Frau (Mary Beth Hughes) auf einer Bahre von Sanitätern zum Zug gebracht wird. Kay trifft indessen den Rechtsanwalt Tom Linscott (Don Douglas), der seinerseits für die Wentworth Enterprises in San Francisco arbeitet und Kays Verlobter ist… Als die invalide Frau in ihrem Abteil auf die Bank gebettet wird, erkundigt sich der Schaffner (Ben Carter) ausgiebig nach ihren Wünschen, bevor er sie allein lässt. Kaum ist er draußen, erhebt sie sich, zieht den Morgenrock und die brünette Perücke aus, darunter Bluse, Rock und das wasserstoffblonde Haar zum Vorschein kommen. Auf dem Gang wartet Shayne, bis der Schaffner ums Eck ist, dann tritt er ohne anzuklopfen bei der falschen Kranken ein, die Helen Carlson heißt. Er ist keineswegs privat unterwegs, wie er Kay sagte, sondern muss stattdessen Helen Carlson als Kronzeugin im Prozess gegen einen Gangster namens Callahan nach San Francisco bringen, woran einige Leute jedoch kein Interesse haben…
“I’d hate to see you get into something that you couldn’t get out of.“ Wem als ein Freund klassischen Film Noirs der obige Plot eigentümlich bekannt vorkommt, liegt richtig. Über 10 Jahre später verfilmte Richard Fleischer eine nahezu identische Erzählung unterm Titel Um Haaresbreite (USA 1952, Originaltitel Narrow Margin) mit Charles McGraw, Mary Windsor und Jacqueline White in den Hauptrollen. Ebenso wenig wie Peter Hyams Remake Narrow Margin - 12 Stunden Angst (USA 1990) mit Gene Hackman und Anne Archer nennt die RKO-Produktion von 1952 Frederick Nebels Roman Sleepers East (EA 1933) zumindest als Quelle ihres Drehbuchs, wie das bei Sleepers West von Eugene Forde der Fall ist, wenngleich der Charakter des Privatdetektivs Michael Shayne auf eine Kriminalserie des Autors Brett Halliday zurückgeht. Um Werktreue scherte man sich bei der filmischen Adaption durch das Studio 20th Century Fox nicht allzu sehr. Der letzte Michael-Shayne-Film mit Lloyd Nolan, betitelt Time To Kill (USA 1942), entstand nach Raymond Chandlers Roman Das hohe Fenster (EA 1942) mit dessen Privatdetektiv Philip Marlowe und war die zweite Adaption der Werke dieses Autors, einer Schlüsselfigur für manchen Film Noir der 40er Jahre. Sleepers West ist nur zu Teilen schon im Film Noir angelangt und trägt die Spuren des Kinos der 30er Jahre, wo Serien um Privatdetektive à la Der dünne Mann, Sherlock Holmes oder Mr. Moto Konjunktur hatten. Das Fernsehen fand noch im Kino statt und von Humphrey Bogarts Sam Spade in John Hustons Dashiell-Hammett-Verfilmung Die Spur des Falken / Der Malteser Falke (USA 1941) trennen einen Michael Shayne Welten. Lloyd Nolan transportiert nicht den Biss, nicht den Fatalismus und nicht die Coolness eines Humphrey Bogarts, dafür ist er zu hemdsärmelig und zu bieder.
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Eugene Fordes Sleepers West könnte ein besserer Film sein, als er de facto ist. Doch dafür ist er zu überladen mit Rollencharakteren, die bis zuletzt langweilig bleiben. Wenngleich flott inszeniert, stört zudem das grotesk lahme Finale, wo sich in Minutenschnelle alle wie ein Haufen unartiger Kinder wieder vertragen und ihrer Wege gehen. Dennoch schert der Film aus dem für die 30er Jahre typischen Gangsterfilm als Quelle des Film Noirs aus und zeigt, dass es auch anderweitig in Hollywoodproduktionen Einflüsse gab, die den Film Noir der 40er inspirierten, wie es auch bei Johnny Apollo (USA 1940) der Fall war. Meiner Meinung nach zeigte Lloyd Nolan in Anatole Litvaks Blues In The Night (USA 1941) eine deutlich bessere Vorstellung, zumal solches Werk auch der Wesensart des Film Noirs um einiges näher steht. Bis 1942 gab Lloyd Nolan den Detektiv Michael Shayne in insgesamt sieben Spielfilmen, doch im Gegensatz zu Sherlock Holmes (USA 1939 - 1946) oder Mr. Moto (USA 1937 - 1939) war die Serie bis zur Einführung der DVD nahezu in Vergessenheit geraten.
In dem mit vier Michael-Shayne-Filmen ausgestatteten 2-DVD-Box-Set (2007, nur in den USA) im attraktiven Pappschuber inklusive Booklet, betitelt Michael Shayne Mysteries Volume One, bewies 20th Century neben ihrer DVD-Serie Fox Film Noir, wie eine exzellente bild-und tontechnische Restauration und eine detailverliebte Ausstattung alten Filmen zu neuem Glanz verhilft. Ungekürzt im Originalformat, dazu gar mit einigen Extras versehen, können Freunde klassischen Kinos zumindest vier der sieben Filme genießen, die in Deutschland nie den Weg ins Kino oder nur ins Fernsehen fanden. Beinhaltet sind: Michael Shayne, Private Detective (USA 1940), Sleepers West (USA 1941), Blue, White and Perfect (USA 1942) und The Man Who Wouldn't Die (USA 1942). Eine DVD-Edition Volume Two mit den fehlenden drei Werken ist allerdings nie erschienen.